Billiger, aber nicht unbedingt schlechter: Viele Typ-2-Diabetiker sind mit NPH-Insulin so gut behandelt wie mit Analoga

Orlando – Patienten mit Typ-2-Diabetes, denen erstmals ein Basal-Insulinanalogon verordnet wurde, hatten in einer neuen Real-World-Studie im Vergleich zu Patienten, die NPH-Insuline (Neutral Protamin Hagedorn, Verzögerungsinsuline) erhielten, weder ein geringeres Risiko für schwere Hypoglykämien noch eine bessere Blutzuckerkontrolle.

„Die Ergebnisse legen die Vermutung nah, dass der Einsatz der basalen Insulinanaloga im normalen Praxissetting möglicherweise keine klinischen Vorteile für diese Parameter bietet“, so Dr. Kasia J. Lipska von der Yale University School of Medicine in New-Haven, USA, und ihr Team in einem Artikel, der gerade im JAMA online veröffentlicht wurde [1]. Lipska präsentierte die Ergebnisse auch in Form eines Posters auf dem Kongress der American Diabetes Association (ADA) 2018 [2].

Teure Insulinanaloga ohne Mehrwert für Patienten mit Typ 2?

„Wir haben diese Studie durchgeführt, weil immer noch unklar erscheint, ob basale Insulinanaloga in der Behandlung des Typ-2-Diabetes überlegen sind oder nicht“, sagte Lipska gegenüber Medscape.

 
Trotz dieser relativ geringen Vorteile der Insulinanaloga haben sie sich zu den Standardinsulinen für Patienten mit Typ-2-Diabetes entwickelt. Das wäre nicht unbedingt ein Problem, wenn sie nicht so teuer wären. Dr. Kasia J. Lipska
 

„Beim Typ-1-Diabetes“, erklärte sie, „halte ich die Situation für etwas anders. Die Evidenzen [für basale Insulinanaloga] sind da etwas überzeugender, aber beim Typ 2 zeigten die randomisierten klinischen Studien, in denen NPH-Insulin mit Insulin-Glargin oder Insulin-Detemir verglichen wurde, sehr wenig Nutzen im Hinblick auf die Outcomes“.

„Trotz dieser relativ geringen Vorteile der Insulinanaloga haben sie sich zu den Standardinsulinen für Patienten mit Typ-2-Diabetes entwickelt. Das wäre nicht unbedingt ein Problem, wenn sie nicht so teuer wären“, stellte sie fest. „Die Patienten kämpfen darum, sich Insulin leisten zu können, deshalb ist es wichtig zu wissen, ob es einen Mehrwert für die teureren Insuline gibt und ob dieser Wert in der klinischen Praxis existiert und nicht nur in einer klinischen Studie. Deshalb haben wir die Studie durchgeführt.“

„Der klinische Wert der Verwendung von Basalanaloga als Frontline-Insulin für Typ-2-Diabetes ist unklar“, erklärten dazu auch Dr. Matthew J. Crowley von der Division of Endocrinology des Duke University Medical Center in Durham, North Carolina, und Dr. Matthew L. Maciejewski vom Center for Health Services Research in Primary Care des Durham Veterans Affairs Medical Center in einem Editorial in JAMA und stimmten damit Lipska und ihren Kollegen zu [3]. Die Ergebnisse dieser Studie helfen dabei, „diese Evidenzlücke zu schließen“ und „Erkenntnisse aus früheren Vergleichsstudien in der klinischen Praxis zu bestätigen“, heißt es dort.

„Neben den bereits getroffenen Maßnahmen zur Zügelung der steigenden Insulinkosten könnte die Reaktivierung des NPH-Insulins als optionales Erstlinien-Therapeutikum die Insulinkostenkurve für die meisten Typ-2-Diabetiker und Versicherer absenken“, erklärten sie.

Daten von mehr als 25.000 Patienten

Lipska und ihre Kollegen führten eine retrospektive Beobachtungsstudie mit Daten von über 25.000 Patienten mit schlecht eingestelltem Typ-2-Diabetes des Versicherers Kaiser Permanente aus Nordkalifornien vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2015 durch (HbA1c zu Studienbeginn 9,4%). Ein Teil hatte ein lang wirkendes Insulinanalogon erhalten (Glargin oder Detemir; n = 1.928). Dies wurden mit denjenigen verglichen, die mit einem NPH-Insulin begonnen hatten (n = 23.561). Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 60 Jahren. Die Kohorte bestand zu 51,9% aus weißen Patienten, 46,8% waren Frauen.

Lipska sagte zu Medscape, dass die Daten von Kaiser „etwas Besonderes sind, weil in diesem System das NPH-Insulin immer noch bevorzugt eingesetzt wird. In den meisten Gesundheitssystemen ist eine solche Untersuchung schwierig, weil dort so wenig NPH-Insulin verwendet wird.“

Das Hauptzielkriterium war die Zeit bis zu einem hypoglykämie-bedingten Notfall oder bis zur Krankenhauseinweisung. Der sekundäre Zielparameter war eine Veränderung des HbA1c-Wertes innerhalb eines Jahres nach Beginn der Insulingaben.

Kein Unterschied bei schweren Hypoglykämien und Blutzuckerkontrolle

Die Gesamtrate der Notaufnahmebesuche oder stationären Aufnahmen aufgrund einer Hypoglykämie war gering. Während einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 1,7 Jahren gab es 39 hypoglykämie-bedingte Notaufnahmenbesuche oder Klinikeinweisungen bei 1.928 Patienten, die mit Insulinanaloga begonnen hatten (11,9 Ereignisse/1.000 Personenjahre), verglichen mit 354 hypoglykämiebedingten Notaufnahmenbesuchen oder Klinikeinweisungen bei 23.561 Patienten, die mit NPH-Insulin begonnen hatten (8,8 Ereignisse/1.000 Personenjahre). Die Differenz zwischen den Gruppen betrug somit 3,1 Ereignisse/1.000 Personenjahre (p = 0,07). Unter 4.428 Patienten im Propensity Score Matching lag die adjustierte Hazard Ratio bei 1,16 für hypoglykämiebedingte Notaufnahmen oder Klinikeinweisungen im Zusammenhang mit der Verwendung von Insulinanaloga.

 
Wir fanden bei den schweren Hypoglykämien keinen Unterschied bei der Anwendung von NPH-Insulin und Insulinanaloga und auch keinen klinisch signifikanten Unterschied hinsichtlich der Blutzuckerkontrolle. Dr. Kasia J. Lipska
 

Patienten, die mit NPH-Insulin begannen, hatten nach einem Jahr einen geringfügig stärkeren Rückgang der HbA1c-Werte zu verzeichnen als diejenigen, die Basalanaloga einnahmen. Innerhalb eines Jahres nach Beginn der Insulinbehandlung sank der HbA1c-Wert von 9,4% auf 8,2% bei den Insulinanaloga und von 9,4% auf 7,9% beim NPH-Insulin.

„Wir fanden bei den schweren Hypoglykämien keinen Unterschied bei der Anwendung von NPH-Insulin und Insulinanaloga und auch keinen klinisch signifikanten Unterschied hinsichtlich der Blutzuckerkontrolle. Es gab tatsächlich einen statistisch signifikant stärkeren Rückgang der HbA1c-Werte unter NPH-Insulin im Vergleich zu Basalanaloga, aber in Bezug auf die klinische Relevanz war dieser Unterschied klein“, sagte Lipska.

Mehr Daten erforderlich, um festzustellen, wer von Basalanaloga profitiert

Crowley und Maciejewski weisen in ihrem Editorial auf verschiedene Stärken und Schwächen der Studie hin. So könnte etwa die größere Vertrautheit der Kliniker dieses Versicherungssystems mit NPH-Insulin „die Wahrscheinlichkeit einer Hypoglykämie bei NPH-Insulinnutzern verringert haben, was zum Teil die niedrigen Ereignisraten erklären könnte“, stellen sie fest. Zudem seien nur die schwerwiegendsten Hypoglykämie-Ereignisse dokumentiert worden.

Tatsächlich erklärte Lipska gegenüber Medscape, dass frühere klinische Studien eine Verringerung der nächtlichen Hypoglykämien zugunsten von Basalanaloga (im Vergleich zu NPH-Insulin) gezeigt hätten, die „nicht kleingeredet werden sollten, weil es sich um einen wichtigen Punkt handelt“.

 
Ich glaube, wir sollten versuchen zu beweisen, wer in welcher Weise von teureren Insulin-Analoga profitieren wird … Dr. Kasia J. Lipska
 

Und weil sich die Analyse auf die Einleitung einer Therapie mit Basalanaloga bei Patienten mit schlecht eingestelltem Typ-2-Diabetes konzentrierte, „können die Ergebnisse nicht ohne Weiteres auf andere Populationen wie etwa Patienten mit gut eingestelltem Typ-2-Diabetes … oder solche, die komplexen prandialen Insulinregimen folgen, übertragen werden“, stellen Crowley und Maciejewski fest.

Dennoch hat die ADA-Arbeitsgruppe zur Kostenentwicklung von Insulin erklärt, dass „Humaninsulin für manche Menschen mit Diabetes eine geeignete Alternative zu den teureren Basalanaloga sein könnte“. Lipska bestätigte dies: „Es gibt möglicherweise Patienten, die mit den teureren Insulinen besser fahren. Was wir nicht wollen, ist die Art von Evidenzen, die letztlich dazu führen, dass der Zugang für Patienten, die davon profitieren könnten, eingeschränkt ist.

Aber andererseits erscheint die Verwendung des teureren Insulins als obligatorische Vorgabe für die meisten Menschen angesichts dieser Daten als nicht sinnvoll“, betonte sie. „Ich glaube, wir sollten versuchen zu beweisen, wer in welcher Weise von teureren Insulin-Analoga profitieren wird … anstatt einfach mehr Geld auszugeben.“

Im Allgemeinen könnten Insulin-Analoga bis zu 10-mal so viel kosten wie NPH-Insulin, sagte sie. „Das ist ein großer Unterschied. Viele Patienten in unserem Land zahlen einen Teil dieses Preises. Denn selbst wenn sie eine Versicherung haben, sind Zuzahlungen nötig.“

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....