Kanadische Studie: Zur Früherkennung von Zervixkarzinomen ist der HPV-Test offenbar zuverlässiger als der Pap-Test

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

27. Juli 2018

Ist der gängige Abstrich womöglich nicht die beste Methode zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs? Eine jetzt in JAMA erschienene Studie deutet an, dass ein Test auf humane Papillomviren (HPV-Test) offenbar zuverlässiger ist als der Pap-Test [1].

Prof. Dr. Gina Suzanne Ogilvie vom Senior Public Health Scientist am Women's Hospital and Health Centre in Vancouver, Kanada, und ihre Kollegen randomisierten in ihrer HPV FOCAL-Studie 19.009 Frauen (Alter zwischen 25 und 65 Jahre) ohne Krebsvorstufen (CIN2+) auf entweder HPV-Tests (n = 9.552) oder Pap-Tests (Flüssigkeitszytologie, LBC; n = 9.457). Primärer Endpunkt war die kumulative Inzidenz von CIN3+-Läsionen 48 Monate nach der Randomisierung. Sekundärer Endpunkt war die kumulative Inzidenz von CIN2+-Läsionen. Nach 48 Monaten wurden in der HPV-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant weniger CIN3+- und CIN2+-Läsionen nachgewiesen.

 
Unsere Ergebnisse haben gezeigt, dass primäre HPV-Tests zervikale Neoplasien früher und genauer als die Zytologie erkennen. Prof. Dr. Gina Suzanne Ogilvie
 

„Unsere Ergebnisse haben gezeigt, dass primäre HPV-Tests zervikale Neoplasien früher und genauer als die Zytologie erkennen“, schreibt Studienleiterin Ogilvie. Die Studienergebnisse hätten Einfluss darauf, ob der HPV-Test den Pap-Test in der Früherkennung des Zervixkarzinoms ersetzen wird. Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass weitere Studien über die Langzeitergebnisse und die Kosteneffizienz einer Umstellung auf ein alleiniges HPV-Screening erforderlich sind.

Ogilvie und ihre Kollegen schreiben, dass das Screening auf Zervixkarzinome zwar Fortschritte gemacht habe. Doch entwickelten über 12.000 Frauen in den USA im Jahr 2017 ein Zervixkarzinom und über 4.200 Frauen starben daran. „Diese Raten verdeutlichen, wie wichtig es ist, die Prävention von Gebärmutterhalskrebs zu verbessern“, betonen sie. Etwa 99,7% der Zervixkarzinome würden durch HPV verursacht. Obwohl es einen wirksamen Impfstoff gebe, sei die aktuelle Akzeptanz gering, so Ogilvie.

Deutsches System „wie sonst nirgends Qualitäts-gesteuert“

Dr. Christian Albring

Die Gültigkeit der Studie für deutsche Verhältnisse ist jedoch fraglich. „Letztendlich ist keine einzige Studie mit dem deutschen System vergleichbar, trotzdem können aus manchen Rückschlüsse gezogen werden“, befindet gegenüber Medscape Dr. Christian Albring, Hannover, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte. „Das in der Entwicklung befindliche Screening auf Gebärmutterhalskrebs, dessen Rahmenbedingungen feststehen, ist das Ergebnis jahrelanger Diskussionen und vielfältiger Auswertungen internationaler Studien auf dem Boden nationaler Gegebenheiten.“ Das deutsche System sei wie sonst nirgends Qualitäts-gesteuert, die Qualitätskontrolle beurteile jährlich ca. 16 Millionen Pap-Abstriche.

„Nur 1,5 Prozent der Frauen haben abklärungsbedürftige Befunde“, so Albring. „Zum Vergleich: Etwa 8 Prozent der HPV-Tests sind positiv. Das bedeutet, dass 8 Prozent der Frauen abgeklärt werden müssten, was mit monatelangen Ängsten und Aufwand verbunden wäre. Dabei sind diese Untersuchungen in 90 Prozent der Fälle eigentlich überflüssig, da der HPV-Test bei diesen Frauen innerhalb eines Jahres spontan wieder negativ wird.“

 
Letztendlich ist keine einzige Studie mit dem deutschen System vergleichbar, trotzdem können aus manchen Rückschlüsse gezogen werden. Dr. Christian Albring
 

Auch sei der Rückgriff auf den alleinigen HPV-Test in vielen Ländern der Not gehorchend unternommen worden, da dort anders als in Deutschland keine gynäkologische Vorsorge beziehungsweise niedergelassene Frauenärzte nicht in ausreichender Anzahl existieren. So sei auch in keinem anderen Land der Welt die Erkrankungsrate an Gebärmutterhalskrebs so stark zurückgegangen wie in Deutschland.

Kombinierte Früherkennung kommt – bloß wann?

Prof. Dr. Klaus Neis

„Das ist eine gut gemachte Arbeit, wenngleich die Ergebnisse schon lange bekannt sind. Wir kennen das aus europäischen Studien“, kommentiert auch Prof. Dr. Klaus Neis, Saarbrücken, und geht auf die Studiendetails ein. „In der HPV-Gruppe wurden in der ersten Screening-Runde zwar mehr CIN2+ und CIN3+ gefunden, doch es wurden nur 2 Runden verglichen. Es ist gut möglich, dass sich das in der dritten oder vierten Runde komplett angeglichen hat, deshalb brauchen wir Langzeitergebnisse.“

Die Studienergebnisse jedenfalls hätten keinen Einfluss auf die Früherkennung in Deutschland, die für Frauen ab 35 Jahren demnächst aus einer Kombination von Zytologie und HPV-Tests (Ko-Test) bestehen wird. Die kombinierte Früherkennung wird von einem Monitoring begleitet werden, das wichtige Daten liefern wird. „Allerdings werden auch hier zunächst nur 2 Runden ausgewertet“, so Neis.

„Auf dieser Grundlage und den Erfahrungen aus anderen Ländern mit einer anderen Screening-Strategie kann dann entschieden werden, ob ab einem bestimmten Alter beispielsweise eine Zytologie alle 3 Jahre und ein HPV-Test alle 6 Jahre gemacht werden“, erklärt Neis. Wann allerdings die kombinierte Früherkennung aus HPV-Test und Pap-Diagnostik startet, steht noch nicht fest – das kann 2019 sein, aber auch erst 2021.

HPV- oder LBC-Pap-Test?

Seit Jahrzehnten sei der Pap-Test die tragende Säule der Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung, schreibt die US-Medizinerin Dr. Veronica Hackethal auf Medscape . Derzeit wird der herkömmliche Pap-Abstrich weitgehend durch den flüssigkeitsbasierten Pap-Test (LBC) ersetzt, bei dem zervikale Zellen mit einem Pinsel entnommen und zur Verarbeitung und Analyse in eine flüssige Lösung gegeben werden. Doch auch der LBC-Pap-Test habe seine Grenzen. Falsch-negative Raten sind suboptimal, und der Test ist fehleranfällig.

Ein Kandidat dafür, den Pap-Test zu ersetzen, sei möglicherweise der HPV-Test, so Hackethal. Ein positives HPV-Testergebnis könne eine HPV-Infektion genau identifizieren, doch bezüglich Krebserkennung kann es sich um ein falsch-positives Ergebnis handeln, was zu unnötigen Kolposkopien führen könne. Einige randomisierte Studien, so Hackethal, schätzen ein HPV-Screening zu Beginn der Früherkennung effektiver als den LBC-Pap-Test ein.

Doch ob ein alleiniger HPV-Test und ein alleiniger LBC-Pap-Test funktionieren, werde noch diskutiert. Die American Society of Clinical Oncology, die US Preventive Services Task Force und die American Society for Colposcopy and Cervical Pathology haben mehr Forschung zu diesem Thema angemahnt.

In einem begleitenden Editorial stellt Prof. Dr. L. Stewart Massad von der Geburtshilfe und Gynäkologie der Washington University School of Medicine in St. Louis, Missouri, fest, dass die HPV FOCAL-Studie „wichtige neue Informationen über die Wirksamkeit von HPV-Tests gegenüber den Pap-Tests beisteuert“ [2].

Massad betont, dass immer noch unklar ist, was in den USA den Pap-Test ersetzen wird, ob es ein Kombinationstest oder ein HPV-Test allein sein wird und in welchen Abständen getestet werden soll. In der Zwischenzeit könne die HPV-Impfung die Prävalenz der HPV-Infektionen verringern, was wahrscheinlich zu niedrigeren Raten von Gebärmutterhalskrebs führen werde.

Die HPV FOCAL-Studie

Ihre randomisierte Studie führten Ogilvie und ihre Kollegen von Januar 2008 bis Mai 2012 in Zusammenarbeit mit einem organisierten Früherkennungsprogramm für Gebärmutterhalskrebs in Kanada durch; fortgesetzt wurde die Studie bis Dezember 2016. In die Studie aufgenommen wurden Frauen, die in den letzten 5 Jahren keine Vorgeschichte von Gebärmutterhalskrebs, keine Neoplasien (weder CIN 2+ noch CIN3+) und keine Hysterektomie aufwiesen. Schwangere, HIV-positive Frauen und Frauen, die Immunsuppressiva erhielten, wurden ausgeschlossen.

Frauen, bei denen der HPV-Test zu Beginn negativ ausfiel, wurden nach 48 Monaten nachuntersucht. Frauen, bei denen der Pap-Test negativ ausgefallen war, wurden nach 24 und nach 48 Monaten erneut getestet. Nach 48 Monaten erhielten beide Gruppen kombinierte HPV- und LBC-Tests.

In der 1. Screening-Runde wurden in der HPV-Testgruppe deutlich mehr CIN3+ Läsionen entdeckt: RR 1,61 (95% Konfidenzintervall: 1,09-2,37); die absolute Differenz in der Inzidenzrate (IR) lag bei 2,67/1.000 (95% KI: 0,53-4,88). Auch fanden sich bei den Frauen in der HPV-Gruppe mehr CIN2+-Läsionen als in der Kontrollgruppe: RR: 1,61 (95%-KI: 1,24-2,09); absolute Differenz in der IR: 5,84/1.000 (95%-KI: 2,70-9,07).

Nach 48 Monaten wiesen deutlich weniger Frauen in der HPV-Gruppe CIN3+-Läsionen auf als in der Kontrollgruppe: 2,3/1000 vs 5,5/1000; absoluter Unterschied in der IR: -3,22/1.000 (95%-KI: -5,12 bis -1,48); RR 0,42 (95%-KI: 0,25-0,69; p < 0,001). Das galt auch für CIN2+ Läsionen: 5,0/1.000 vs 10,6/1.000; absolute Differenz in der IR: -5,60/1.000 (p < 0,001).

Nach der ersten Testrunde wurden mehr Frauen aus der HPV-Gruppe zur Kolposkopie überwiesen als Frauen in der Kontrollgruppe (Überweisungsraten): 57,0 vs 30,8; absolute Differenz: 26,2 (95%-KI: 20,4-32,1).

 

Kommentar

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