Mehr Arbeit, aber auch mehr Geld – Spahn stellt Gesetzentwurf für schnellere Termine und bessere Versorgung vor

Christian Beneker

Interessenkonflikte

25. Juli 2018

Jens Spahn
© Stephan Baumann

Spahn macht Dampf in Sachen Patientenversorgung. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat am Montag den Entwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) vorgestellt [1]. Sein Prinzip: Zuckerbrot und Peitsche. Ärzte sollen künftig unter anderem offene Sprechstunden anbieten und die Sprechstundenzahl auf 25 pro Woche erhöhen. Sondervergütungen sollen die Regelungen schmackhaft machen. Für die Zusatzarbeit, um die Wartezeit auf Termine für Kassenpatienten zu reduzieren, sollen die Vertragsärzte mit Mehreinnahmen zwischen 500 und 600 Millionen Euro im Jahr vergütet werden.

Verschiedene Verbände und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) wehren sich dennoch gegen das Vorhaben. Die Rede ist von „Chaos“. Der Deutsche Hausärzteverband kritisiert „Vorgaben von oben“.

Laut Entwurf sollen z.B. die Terminservicestellen ausgebaut werden. Das Ziel: Ein Rund-um-die-Uhr-Angebot unter der Nummer 116117, das Termine auch nachts vermittelt (auch bei Haus- und Kinderärzten) oder auf den ambulanten Notdienst verweist oder bei der Arztsuche assistiert. Zusätzlich soll die Mindestsprechstundenzahl in den Praxen der Niedergelassenen auf 25 pro Woche steigen (bei Anrechnung von Hausbesuchen).

 
Zusätzlich möchte ich pro Woche 5 offene Sprechstunden bei bestimmten Arztgruppen, wie etwa Hausärzten, Kinderärzten oder Gynäkologen. Jens Spahn
 

„Zusätzlich möchte ich pro Woche 5 offene Sprechstunden bei bestimmten Arztgruppen, wie beispielsweise Hausärzten, Kinderärzten oder Gynäkologen“, so Spahn. Zu den offenen Sprechstunden sollen Patienten kommen können, die keinen Termin vereinbart haben und nur eine Kleinigkeit abklären lassen wollen.„Das wirkt wie ein Überlaufventil bei zu langen Terminwartezeiten“, hofft Spahn. Die KVen müssten dann kontrollieren, ob ihre Mitglieder die zusätzlichen Sprechstunden auch wirklich anbieten. Der Stichtag für das Inkrafttreten der neuen Regelung: 1. April 2019.

Extrabudgetäre Zulagen

Wenn die Ärzteschaft das Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung beibehalten will, dann müssten auch die Ärzte dazu beitragen, dass das Hauptärgernis über diese Struktur ausgeräumt wird – und das sind die Tage, die GKV-Patienten länger auf einen Termin warten müssen als PKV-Patienten.

„Die Ärzte, die uns dabei helfen, die Versorgung zu verbessern, sollen höher und außerhalb des Budgets vergütet werden“, kündigt Spahn an. „Beispielsweise, wenn sie Termine über die Terminservicestellen annehmen. Gleiches gilt auch für die Grundpauschalen bei offenen Sprechstunden.“

 
Die Ärzte, die uns helfen, die Versorgung zu verbessern, sollen höher und außerhalb des Budgets vergütet werden. Jens Spahn
 

Damit stellt sich Spahn gegen die Ankündigung des GKV-Spitzenverbandes, kein zusätzliches Geld für zusätzliche Sprechstunden zu zahlen. „Wenn wir im Gesetz festschreiben, dass es eine zusätzliche Vergütung gibt, dann gibt es eine. Punkt“, kommentiert Spahn. Dem Vernehmen nach sollen bis zu 600 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt werden.

So sieht das Gesetz extrabudgetäre Vergütungen für verschiedene ärztliche Leistungen vor – und zwar unter anderem:

  • für Leistungen ab der 21. Sprechstunde pro Woche

  • für die direkte Vermittlung eines Facharzttermins durch einen Hausarzt

  • für die Behandlung eines Patienten, der durch Terminservicestellen vermittelt wurde

  • für die Behandlung neuer Patienten in der Praxis

  • für die Leistungen in den offenen Sprechstunden

  • für die Versorgung von Akut- und Notfällen während der Sprechstunden

  • für die sprechende Medizin

für Landärzte in unterversorgten Region

Chaos und längeres Warten?

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung zeigt sich wenig angetan und reagiert kritisch auf den Vorstoß Spahns. Man müsse mit Erstaunen feststellen, dass Spahn „die Ärzte, deren Praxen proppenvoll sind und die am Limit ihrer Belastbarkeit arbeiten, bevormunden und von der Terminvergabe abbringen will“, so der KBV-Vorstand in einer Pressemitteilung.

Anstelle von Verbesserungen erwartet die KBV dadurch eher „Chaos und längere Wartezeiten in den Praxen.“ Die offenen Sprechstunden würden nicht die Kranken nutzen, die schnell ärztliche Hilfe benötigen, meint KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister. „Denn diese Menschen sollen und können nicht stundenlang im Wartezimmer sitzen.“ Das gleiche gelte für chronisch Kranke, für die die Praxen dann weniger freie Termine hätten.

 
Was wir klar ablehnen, wären verpflichtende Regelungen, die den Ärzten vorschreiben, wie sie konkret ihren Praxisalltag zu organisieren haben. Ulrich Weigeldt
 

Ulrich Weigeldt

Der Vorsitzende des deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, begrüßte den Plan, die Behandlung von Patienten besser zu vergüten, die ohne Termin behandelt werden. Allerdings will Weigeldt sich keine Vorschriften machen lassen. „Was wir klar ablehnen, wären verpflichtende Regelungen, die den Ärzten vorschreiben, wie sie konkret ihren Praxisalltag zu organisieren haben“, so Weigeldt in einem Pressestatement. „Vorgaben von oben helfen den Kolleginnen und Kollegen vor Ort sicher nicht.“

Ob ein Arzt offene Sprechstunden anbieten wolle oder nicht, müsse er selber entscheiden dürfen. Zudem verwies auch Weigeldt darauf, dass es nicht an Sprechstundenzeit fehle, sondern an Arztzeit. Sie vermehre sich nicht dadurch, dass offene Sprechstunden angeboten werden, sondern nur durch weitere Hausärzte.

Neben den neuen Regeln zu den Sprechstunden umfasst das neue Gesetz weitere Vorhaben: So sollen in unterversorgten Gebieten regionale Zuschüsse an die dort tätigen Ärzte gezahlt werden. Praxisgründer auf dem Lande erhalten finanzielle Unterstützung. Sollte all das nicht fruchten, will Spahn die Kassenärztlichen Vereinigungen in die Pflicht nehmen. Im Zweifel müssten sie dann mobile Versorgungsangebote machen oder digitale Sprechstunden einrichten.

 

Kommentar

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