Erweiterte Sprechzeiten: Hausärzte-Chef Weigeldt attackiert den GKV-Spitzenverband

Christian Beneker

Interessenkonflikte

25. Juli 2018

Ulrich Weigeldt

Der Deutsche Hausärzteverband hat in einem offenen Brief an den GKV-Spitzenverband gegen die „zunehmenden Bestrebungen“ des Spitzenverbandes protestiert, „unmittelbar in den Versorgungsalltag der Ärztinnen und Ärzte einzugreifen“. Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Hausärzteverbandes, bezieht sich dabei auf den Vorschlag des Verbandes, die Sprechstundenzeiten auf die Wochenenden und die Abende auszuweiten. Die sei ein „Versuch, den freien Beruf des Arztes zu normieren“, schäumt Weigelt.

Der Spitzenverband lege mit seinem Vorstoß nahe, dass es an der mangelnden Leistungsbereitschaft der Hausärzte liege, wenn es bei der Sicherstellung hapert. Doch der Vorstoß zeige nur, wie sehr sich der Kassenverband vom Versorgungsalltag der Ärzte entfernt habe, so der Hausärzte-Chef.

Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorsitzender des Spitzenverbandes, hatte laut Medienberichten vorgeschlagen, dass niedergelassene Ärzte zusätzliche Sprechstunden am Abend und an Wochenenden anbieten sollen. Die große Koalition hatte bereits angekündigt, die Sprechstundenzeiten für Kassenpatienten von 20 auf 25 Stunden zu erhöhen. Nun reichte es dem Hausärzte-Chef offenbar. Die Arbeitsbelastung der Hausärzte sei schon jetzt „konstant hoch“, und viele Ärzte würden schon jetzt in ihren Notdiensten die Versorgung am Wochenende mit sicherstellen, schreibt Weigeldt. Hausärzte arbeiteten durchschnittlich schon 53 Stunden in der Woche, betont er.

Keine Zeit für weitere Sprechstunden

Damit bezieht er sich auf Zahlen des Zentralinstitutes für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi). Danach erfüllen die meisten Praxen schon die von der Bundesregierung geplanten Ausweitungen. „Rund 92 Prozent der Praxen geben Betriebszeiten von 25 Stunden und mehr pro Woche an“, so das Zi. Damit würden die Forderungen des Koalitionsvertrages nach mehr Stunden „bereits übererfüllt“.

 
Es ist nicht zu erwarten, dass mit einer gesetzlichen Vorgabe auch nur ein einziges Versorgungsproblem gelöst wird, vielmehr würden neue geschaffen. Dr. Dominik von Stillfried
 

Zudem sei völlig unklar, woher die zusätzliche Arztzeit für weitere Patientenanliegen oder Arztgespräche kommen soll, so das Zi. Schließlich besteht die Arbeitszeit eines Niedergelassenen nicht nur aus den Sprechstunden. Laut Zi arbeiten Praxisinhaber im Durchschnitt 51,5 Wochenstunden. Davon widmen sie ihren gesetzlich versicherten Patienten 35,8 Wochenstunden. Auf Privatpatienten entfallen 5,8 Stunden, so das Zi.

Allerdings müssen Praxisinhaber etwa 14 Stunden pro Woche für Aufgaben ohne direkten Patientenkontakt vorhalten – zum Beispiel für Fortbildungen und die leidige Bürokratie. Um mehr Zeit für die Patienten zu schaffen, wäre es laut Zi daher sinnvoll, die Niedergelassenen von bürokratischen Aufgaben zu entlasten.

„Die derzeitige Diskussion zur Erhöhung der Mindestanzahl von Sprechstunden pro Woche betrifft nur eine sehr kleine Zahl von Praxen“, sagt Dr. Dominik von Stillfried, Geschäftsführer des Zi. „Es ist nicht zu erwarten, dass mit einer gesetzlichen Vorgabe auch nur ein einziges Versorgungsproblem gelöst wird, vielmehr würden neue geschaffen.“

Weitere Sprechstunden könnten also nur durch zusätzliche Arbeitszeit der Ärzte realisiert werden. Dies sei aber unter dem gegenwärtigen Budgetdeckel praktisch ausgeschlossen, so das Zi. „Die Anreize für längere Arbeitszeiten am Patienten werden durch die gegenwärtigen Budgetdeckel ausgebremst. Wer wie die niedergelassenen Ärzte durchschnittlich 10 Prozent seiner Arbeit nicht erstattet bekommt, wird nicht bereit sein, noch mehr Zeit zu investieren“, erklärt von Stillfried.

Weigeldt: Kassen sollen sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern

Auch Weigeldt verlangt in seinem Protestschreiben an den Spitzenverband den Abbau der Bürokratie in den Praxen und spielte zugleich den Ball zurück in das Feld des Spitzenverbandes – er möchte sich doch um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. So sollte er nicht weiter versuchen, an notwendigen Leistungen für die Versicherten zu sparen. „Der GKV-Spitzenverband als Dachorganisation der gesetzlichen Krankenkassen ist angehalten, sich auf seine ihm gesetzlich auferlegten Aufgaben zu konzentrieren und von einem weiteren Hineinregieren in den Praxisalltag abzusehen!“, so Weigeldt.

 
Der GKV-Spitzenverband als Dachorganisation der gesetzlichen Krankenkassen ist angehalten, sich auf seine ihm gesetzlich auferlegten Aufgaben zu konzentrieren und von einem weiteren Hineinregieren in den Praxisalltag abzusehen! Ulrich Weigeldt
 

Der kritisierte Spitzenverband gab sich von Weigeldts Schreiben allerdings unbeeindruckt. Florian Lanz, Sprecher des Spitzenverbandes erklärt lapidar: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir offene Briefe nicht kommentieren.“

 

Kommentar

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