Zu „Alkohol-freundlich“? NIH stoppen Studie zu möglichem kardiovaskulärem Benefit moderaten Trinkens

Die US National Institutes of Health (NIH) stoppen eine große randomisierte Studie bereits kurz nach ihrem Beginn. Das Ziel der Untersuchung war es, den kardiovaskulären Auswirkungen von moderatem regelmäßigem Alkoholkonsum auf den Grund zu gehen. Das NIH zog die Finanzierung der MACH15-Studie (Moderate Alcohol and Cardiovascular Health) aber wegen „Bedenken zum Studiendesign, die Zweifel an ihrer abschließenden Glaubwürdigkeit aufkommen lassen“ zurück. Ein weiterer Grund war die Teilfinanzierung durch Sponsoring der Alkoholindustrie, heißt es in einer öffentlichen Erklärung.

Zu den Bedenken gehörte auch, dass der primäre (kardiovaskuläre) Endpunkt eventuell zu „alkoholfreundlich“ sei und es damit ein Bias gebe, weil nicht kardiovaskuläre Alkoholgefahren, etwa bestimmte Krebserkrankungen, zu wenig berücksichtigt seien. Zudem ist von „Unregelmäßigkeiten“ im Rahmen des Vergabeverfahrens der Studie die Rede.

Die Erklärung besagt, dass die Entscheidung des NIH-Direktors Dr. Francis H. Collins zur Beendigung der Finanzierung von MACH15 der 165-seitigen Empfehlung einer Arbeitsgruppe des NIH-Beratungsausschusses an den Direktor vom 15. Juni folgt [1]. Das NIH hatte die Aufnahme von Probanden in die Studie im Mai ausgesetzt.

Wie das Geld der Industrie ins Spiel kam

Das Sponsoring der Industrie war laut NIH von Mitarbeitern des NIAAA (National Institute of Alcohol Abuse and Alcoholism) initiiert worden, dies unter Verletzung von NIH-Vorgaben, und bevor geprüft worden war, welchen Teil der Finanzierung die FNIH (Foundation for the National Institutes of Health) beitragen könne, hieß es.

Die FNIH verwaltet private Spenden zur Unterstützung der NIH-Forschung und bildet somit eine Art „Brandmauer“ zum Schutz vor Einflussnahme der Industrie auf Studiendesigns, so die Erklärung. Es ergab sich, dass die Stiftung selbst aus privaten Spenden 67,7 Millionen Dollar für die Studie aufbringen konnte, von dem NIAAA waren 20 Millionen Dollar erwartet worden.

Diese Beträge waren ausschließlich privatwirtschaftliche Spenden, was in der NIH-Erklärung aber nicht ausgewiesen worden war.

Die E-Mail-Korrespondenz „zeigt deutlich, dass die Interaktionen und Diskussionen mit der Industrie im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Planung der Studie über das normale Maß hinausgehen“, so der Bericht der Arbeitsgruppe, der Kopien der E-Mails enthält.

„Entgegen der üblichen NIH-Vorgaben haben sich die Mitarbeiter der NIAAA bereits mehr als zwei Jahre bevor die FNIH einbezogen worden war, mit Industrievertretern und aushäusigen Wissenschaftlern getroffen – und dabei waren die FNIH und auch einige Mitarbeiter der NIAAA weitgehend im Dunkeln über diese Treffen gelassen worden“, heißt es in dem Bericht der Arbeitsgruppe.

Dieses „frühe und intensive Engagement“ wird als Versuch gewertet, „die Industrie für die Unterstützung des Projektes zu gewinnen“, so der Bericht weiter. „Die Art der Zusammenarbeit mit Vertretern der Industrie stellt die Unparteilichkeit des Prozesses infrage und lässt daher Zweifel aufkommen, ob die aus der Studie gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse dann auch nutzbar und glaubwürdig sind.“

Probleme mit dem Studiendesign

In dem Bericht wurden auch einige Aspekte des Studiendesigns von MACH15 kritisiert, unter anderem, dass die Studie nicht die statistische Power habe, „um auch Aussagen zur langfristigen Sicherheit des Alkoholkonsums und zum allgemeinen (nicht-kardiovaskulären) Gesundheitszustand der Teilnehmer“ zuzulassen.

 
Der primäre Endpunkt beinhaltete nicht die Herzinsuffizienz, was ein gravierender Mangel ist, da Alkoholkonsum mit einem erhöhten Herzinsuffizienz-Risiko verbunden ist. NIH-Arbeitsgruppe
 

Die Studie sah vor, 7.800 Teilnehmer im Alter ab 50 Jahren zu rekrutieren, die in den zurückliegenden 5 Jahren täglich mindestens ein alkoholisches Getränk zu sich genommen hatten und ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko hatten (AHA-Score über 15% und demnach ein hohes Risiko für ein klinisches oder subklinisches kardiovaskuläres Ereignis). Zu den Ausschlusskriterien gehörte „ein starker Alkoholkonsum“ in den letzten Jahren.

Die Studienteilnehmer wurden einfach verblindet randomisiert einer abstinenten Gruppe oder einer Gruppe mit moderatem Alkoholkonsum zugeteilt. Als „moderat“ galt ein täglicher Konsum von etwa 15 g Alkohol.

Die Probanden sollten durchschnittlich 6 Jahre lang verfolgt werden. Die Studie startete am 5. Februar 2018. Primärer Endpunkt war die Kombination von nicht-tödlichem Herz- bzw. Schlaganfall, angina-bedingtem Klinikaufenthalt, Koronar- oder Karotis-Revaskularisierung oder Tod jeglicher Ursache.

 
Die Studie hat keine ausreichend hohe Patientenzahl und keine ausreichend lange Nachbeobachtungszeit, um zu einem belastbaren Urteil hinsichtlich des Endpunkts Krebserkrankungen zu kommen. NIH-Arbeitsgruppe
 

Der Bericht der Arbeitsgruppe bemängelte jedoch: „Der primäre Endpunkt beinhaltete nicht die Herzinsuffizienz, was ein gravierender Mangel ist, da Alkoholkonsum mit einem erhöhten Herzinsuffizienz-Risiko verbunden ist.“ Auch seien die Assoziationen zwischen Alkoholkonsum und manchen Krebsarten hinreichend bekannt – aber im Studiendesign nicht entsprechend berücksichigt.

Die Arbeitsgruppe erklärte dazu, dass es in MACH15, so wie die Studie geplant war, „keine ausreichend hohe Patientenzahl und keine ausreichend lange Nachbeobachtungszeit gibt, um zu einem belastbaren Urteil hinsichtlich des Endpunkts Krebserkrankungen zu kommen.“ Die Studie könne somit als Ergebnis zu einem „scheinbaren Benefit“ führen, während schädliche Effekte durch das Studiendesign vernachlässigt würden.

Der Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....