„Real World“-Daten zu Rivaroxaban bei Vorhofflimmern: Niedriges Blutungsrisiko und wirksam in der Schlaganfallprophylaxe

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

19. Juli 2018

Rivaroxaban ist als neues orales Antikoagulans (NOAK) bei Patienten mit Vorhofflimmern auch unter „Real World“-Bedingungen sicher. Das Risiko für Schlaganfälle und schwere Blutungen sei den Raten aus den zulassungsrelevanten klinischen Studien ähnlich, berichtet Prof.Dr. Paulus Kirchhof vom Institute of Cardiovascular Sciences der University of Birmingham in JACC [1].

Er gibt als 1-Jahres-Rate für Schlaganfälle oder systemische Embolien 1,0% an, und bei schweren Blutungen waren es 1,7%. Basis seiner Veröffentlichung ist eine vorgeplante Auswertung gepoolter Daten aus 3 prospektiven Kohortenstudien (XANTUS-, XANAP- und XANTUS-EL) mit insgesamt 11.121 Patienten.

Die Blutungsraten waren insgesamt relativ niedrig. Prof. Dr. Dierk Thomas

„Ich finde die Ergebnisse positiv und sie sind in Einklang mit den Ergebnissen aus prospektiven randomisierten Studien“, sagt dazu Prof. Dr. Dierk Thomas gegenüber Medscape. Er ist Leiter der Elektrophysiologie in der Kardiologischen Klinik am Universitätsklinikum Heidelberg, und Mitglied im Lenkungsausschuss des Kompetenznetzes Vorhofflimmern e.V. (AFNET). „Man muss sagen, dass die Blutungsraten insgesamt relativ niedrig waren. Das deckt sich auch mit anderen Registerdaten wie dem NOAK-Register aus Dresden.“

Zulassungsstudien, bei Rivaroxaban etwa die ROCKET AF-Studie, seien an recht uniformen Patientenpopulationen mit starren Einschluss- und Ausschlusskriterien durchgeführt worden, erklärt der Experte. „Im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten waren NOAK hier mindestens gleich wirksam und auch hinsichtlich des Blutungsrisikos nicht unterlegen.“ Die Wirksamkeit sei belegt, deshalb habe Kirchhoff speziell auf (in den Studien vielleicht nicht so offensichtliche) Risiken in einer breit ausgewählten Population geachtet.

Daten von mehr als 11.000 Patienten ausgewertet

Kirchhof zufolge werden NOAK zunehmend als Ersatz für die Vitamin-K-Antagonisten verordnet, da sie keinem Monitoring bedürfen und klinische Studien mit den neuen Arzneimitteln eine ähnliche Wirksamkeit wie Warfarin, aber eine bessere Sicherheit gezeigt haben. Auch Thomas bestätigt, dass die Verordnung von NOAK immer mehr zunimmt.

„Es gibt jedoch immer Bedenken, wenn neue Medikamente in der klinischen Praxis in verschiedenen Populationen verwendet werden. Hier ist die Sorge, dass sie zu anderen Ergebnissen führen als in den streng kontrollierten Umgebungen einer randomisierten kontrollierten Studie. Große Beobachtungsdaten aus der realen Welt sind daher erforderlich“, ergänzt Kirchhof im Artikel. „Ziel unserer Studie war es, das Sicherheitsprofil von Rivaroxaban in der Praxis anhand einer gepoolten Analyse von Patienten mit Vorhofflimmern zu bewerten“, schreibt er.

Zusammen mit Kollegen analysierte er Daten von 11.121 Rivaroxaban-Anwendern aus 47 Ländern (42,9% Frauen). Sie waren im Mittel 70,5 Jahre alt. Die Teilnehmer litten unter Herzinsuffizienz (21,2%), Hypertonie (76,2%) und Diabetes mellitus (22,3%).

Wenig schwere Blutungen

Ärzte verordneten Rivaroxaban auf Grundlage regionaler Zulassungen. Dabei erhielten Patienten mit einer Kreatinin-Clearance von mehr als 50 ml/min 20 mg Rivaroxaban pro Tag, während Patienten mit weniger als 50 ml/min. 15 mg Rivaroxaban pro Tag einnahmen. In Taiwan waren es 15-20 mg bei einer Kreatinin-Clearance von mehr als 50 ml/min. und 10-15 mg bei 15-30 ml/min.

Zu den primären Endpunkten zählten behandlungsbedingte schwere Blutungen, sonstige unerwünschte Ereignisse und Tod. Hinzu kamen Thromboembolien und nicht signifikante Blutungen als sekundäre Endpunkte.

Die Ereignisrate lag bei 1,7 schweren Blutungen pro 100 Patientenjahre, wobei es in Lateinamerika (0,7 pro 100 Patientenjahre) beziehungsweise in Westeuropa, Kanada und Israel (2,3 pro 100 Patientenjahre) deutliche Abweichungen gab.

Für die Gesamtmortalität ermittelte Kirchhoff 1,9 Ereignisse pro 100 Patientenjahre. Höhere Werte traten in Lateinamerika, im Nahen Osten und Afrika (2,7 pro 100 Patientenjahre) auf, während niedrigere Raten in Osteuropa (1,5 pro 100 Patientenjahre) zu finden waren.

Bei Schlaganfällen oder systemischen Embolien berichten die Autoren von einem Ereignis pro 100 Personenjahre. Die höchste Rate wurde in Ostasien (1,8 pro 100 Patientenjahre) und die niedrigste in Lateinamerika (0 pro 100 Patientenjahre) beobachtet.

Unsere Ergebnisse zeigen ein sehr beruhigendes Sicherheitsprofil des Medikaments. Prof. Dr. Paulus Kirchhof

„Unsere Ergebnisse zeigen ein sehr beruhigendes Sicherheitsprofil des Medikaments“, sagt Kirchhof gegenüber Medscape. Er sieht eine „beeindruckende Wirksamkeit“ und ergänzt, die Ergebnisse seien in allen untersuchten Regionen weitgehend konsistent gewesen. Als Therapietreue gibt Kirchhoff 77,4% nach 1 Jahr an.

Auch in der Realität wurde fast nur leitliniengerecht behandelt

„Diese wichtige Arbeit zeigt, dass die Anwendung von Rivaroxaban weitgehend den veröffentlichten Leitlinien entspricht und die Schlaganfall- und Blutungsraten im Vergleich zu den führenden NOAK-Studien bei Vorhofflimmern gleich oder besser waren“, kommentiert Dr. Jeff S. Healey in einem begleitenden Editorial [2]. Er forscht am Population Research Institute der McMaster University im kanadischen Ontario.

Der Arzneistoff sei größtenteils bei Patienten eingesetzt worden, die sich auch für klinische Studien geeignet hätten. 97,3% hatten einen CHA₂DS₂-VASc-Score von 1, und 1,9% hatten eine Kreatinin-Clearance von weniger als 30 ml/min. Healeys Fazit: „Klinische Studien mit Antikoagulanzien zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern gehören zu den erfolgreichsten in der gesamten Medizin“. Jetzt hätten die Ergebnisse aus der Praxis ein ähnlich hohes Niveau wie Zulassungsstudien erreicht.

Kommentar

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