Angela Merkel löst medienwirksam Wahlkampf-Versprechen ein: Doch was bringt dies den Pflegern?

Christian Beneker

Interessenkonflikte

18. Juli 2018

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihr Versprechen aus dem Wahlkampf 2017 eingelöst und den Altenpfleger Ferdi Cebi an seinem Arbeitsplatz besucht. Bei dieser Gelegenheit forderte sie am Montag auch höhere Gehälter für die Altenpflegerinnen und -pfleger.

Warum sollten Altenpfleger weniger verdienen als Bankangestellte oder Angestellte, die an einer Maschine arbeiten, fragte die Kanzlerin im Evangelischen Altenheim St. Johannisstift in Paderborn, in dem Cebi arbeitet. „Es gibt ganz unterschiedlich getragene Einrichtungen, und für alle gilt: Die Menschen, die dort arbeiten, müssen gut bezahlt werden, damit die Menschen, die dort leben, auch gute Pflege bekommen“, zitiert die Deutsche Pressagentur (dpa) die Bundeskanzlerin.

Rund 2 Stunden besuchte Merkel das Seniorenheim, in das sie der 36-jährige Pfleger Cebi bei einer TV-Übertragung eingeladen hatte. 110 Senioren leben hier und werden von 95 Mitarbeitern betreut. Ein Pflegeplatz sei teuer, „und wir fühlen uns da ein bisschen im Stich gelassen, also wir, die Pflegekräfte und die älteren Menschen“, hat Cebi in vergangenen Jahr in der ZDF-Wahlsendung „Klartext, Frau Merkel“ zur Bundeskanzlerin gesagt.

Die Menschen, die dort arbeiten, müssen gut bezahlt werden, damit die Menschen, die dort leben, auch gute Pflege bekommen.

Angela Merkel

„Wieso ist das so? Wieso wird sich da nicht mehr eingesetzt?“, fragte er und lud die Kanzlerin vor laufenden Kameras nach Paderborn ein, um die Arbeit der Altenpflege kennenzulernen. „Dass Sie das einmal richtig erleben können“, sagte Cebi.

„Denn dieser Beruf ist schön.“ Ein Angebot, das Merkel nicht ablehnen konnte – und nun einlöste.

Konzertierte Aktion Pflege mit 5 Arbeitsgruppen

Jens Spahn
© Stephan Baumann

Merkel verwies am Montag vor den Bewohnern und Beschäftigten in Paderborn auch auf die eben gestartete „Konzertierte Aktion Pflege“ von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Familienministerin Franziska Giffey (SPD).

Im Rahmen der Aktion sollen unter anderem Berufsverbände, Kassen, Kliniken, Kirchen, Pflegeeinrichtungen und Berufsgenossenschaften – insgesamt 43 Partner – „gemeinsam mit Bund und Ländern konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der beruflich Pflegenden entwickeln und deren Umsetzung verbindlich festhalten“, so die Absichtserklärung.

Im Rahmen der Aktion werden 5 Arbeitsgruppen zu Entlohnung, Ausbildung oder Pflegekräften aus dem Ausland entsprechende Maßnahmen entwickeln, die Spitzen der 3 sozialpolitischen Bundesministerien. „Viele Pflegekräfte glauben nicht, dass wir als Minister überhaupt wissen, unter welchen Bedingungen sie arbeiten. Und sie glauben uns auch nicht, dass wir daran etwas ändern wollen. Doch wir meinen es ernst. Wir wollen ihren Alltag konkret verbessern“, so wird Bundesgesundheitsminister Spahn in einem Interview zitiert.

Im Koalitionsvertrag hatte die Regierungskoalition bereits ein Sofortprogramm zur Pflege angekündigt. Es soll 8.000 zusätzliche Stellen in der Pflege schaffen. Im April lieferte die Bundesregierung dann in einer Antwort auf die Anfrage der Grünenfraktion im Bundestag Zahlen nach.

Sie verdeutlichen anhand der Statistik der Bundesagentur für Arbeit, wie groß der Pflegerinnen- und Pfleger-Mangel in den Einrichtungen tatsächlich ist. Insgesamt sind danach 36.000 Stellen in der Kranken- und Altenpflege nicht besetzt. Allein in der Altenpflege fehlen fast 15.000 Fachleute und fast 8.500 Pflegehelfer.

Es fehlt also nicht nur am Geld, sondern auch an Köpfen. Auf 100 offene Stellen in der Altenpflege kommen nur 21 Arbeitssuchende. Besonders auf dem Land ist der Personalmangel groß.

Wir meinen es ernst. Wir wollen ihren Alltag konkret verbessern.

Jens Spahn

Keine Tariflöhne – aber Angleichung: Die Suche nach der „Zauberformel“

Allerdings vermied es Merkel, sich bei der Frage der flächendeckenden Tariflöhne für die Altenpflege hinter ihren Gesundheitsminister zu stellen. Spahn ist am Morgen des Heimbesuches seiner Bundeskanzlerin vorausgeeilt und hat konkrete Vorschläge gemacht, die ganz im Sinne Cebis gewesen sein dürften. Im Morgenmagazin des ZDF sagte Spahn: „80 Prozent der Altenpflege-Einrichtungen sind nicht tarifgebunden. Und das wollen wir ändern, indem wir regelhaft zu einer Tarifbezahlung kommen.“

Spahn brachte ein Bruttogehalte 2.500 bis 3.000 Euro ins Spiel. Natürlich musste Merkel den Vorstoß nun in Paderborn kommentieren. Das Thema Tariflohn sprach sie aber nicht direkt an. Laut dpa sagte Merkel stattdessen, es gehe darum, die Vielfalt bei der Bezahlung anzugleichen und zu ordnen, „damit alle die Chance haben, gut bezahlt zu werden, ohne dass wir einen Zwang machen“. Es sei nun die Aufgabe der 3 Minister der Konzertierten Aktion Pflege, dafür „eine Zauberformel zu finden“.

Der Altenpfleger Cebi indessen zeigte sich laut dpa zuversichtlich: „Wir sind gerade dabei, etwas zu verändern, wir Pflegekräfte“, sagte Cebi. „Das Thema war noch nie so präsent wie gerade.“

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Kommentar

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