Ende jahrelanger Diskussionen? Große Registerstudie zeigt Vorteil für NOAK bei Vorhofflimmern – weil weniger Herzinfarkte

Julia Rommelfanger

Interessenkonflikte

16. Juli 2018

Unter den neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) traten bei Patienten mit Vorhofflimmern weniger Herzinfarkte auf als unter Vitamin-K-Antagonisten. Das zeigt eine dänische Registerstudie, in der Dr. Christina Ji-Young Lee, Aalborg University Hospital, Aalborg, Dänemark, und ihre Kollegen Daten von mehr als 30.000 Patienten analysiert haben [1].

Im direkten Vergleich schnitten alle untersuchten NOAK – Dabigatran, Apixaban und Rivaroxaban – besser ab als Vitamin-K-Antagonisten. Besonders bemerkenswert sei die verminderte Infarktinzidenz unter Dabigatran, schreiben die Autoren im Journal of the American College of Cardiology.

„Die Studie von Lee und ihren Kollegen hilft, eine 8 Jahre andauernde Diskussion zum Herzinfarktrisiko von Patienten mit Vorhofflimmern, die zur Schlaganfall-Prävention mit NOAK und speziell mit Dabigatran behandelt werden, endgültig zu beenden“, schreibt Prof. Dr. Stefan Hohnloser, Goethe-Universität Frankfurt, in einem Editorial zu der Studie [2]. Basierend auf der nun vorliegenden Evidenz „können Kliniker auf Dabigatran jetzt noch mehr vertrauen und das Präparat bei Patienten mit Vorhofflimmern, auch bei denjenigen, die bereits eine koronare Herzkrankheit oder einen Herzinfarkt erlitten haben, ohne Bedenken einsetzen“, schlussfolgert der Experte.

Hohes Infarktrisiko bei Patienten mit Vorhofflimmern

Bei bis zu einem Drittel aller Patienten mit Vorhofflimmern war in klinischen Studien ein Myokardinfarkt aufgetreten. Da diese Patienten ein besonders hohes Infarktrisiko tragen, stellt sich die Frage, ob die Wahl des Gerinnungshemmers für das Auftreten eines solchen Ereignisses eine Rolle spielt. Bisherige Studien konnten das nicht endgültig klären. In der RE-LY Studie traten bei Patienten mit Vorhofflimmern unter Dabigatran (150 mg 2x/Tag) mehr Herzinfarkte auf als unter dem Vitamin-K-Antagonisten Warfarin.

„Die Resultate der RE-LY-Studie haben eine große Debatte hinsichtlich der Auswirkungen von Dabigatran auf das Infarktrisiko ausgelöst“, erklärt Hohnloser. Auch in mehreren Metaanalysen wurde ein signifikant erhöhtes Infarktrisiko unter Dabigatran festgestellt. Obwohl diese Studien „Schwächen hatten“, etwa die Aufnahme von Patienten ohne Vorhofflimmern, „interpretierten einige deren Ergebnisse als weiteres Argument, Dabigatran bei Patienten mit Vorhofflimmern und ischämischer Herzerkrankung in der Vorgeschichte nicht einzusetzen“, kritisiert Hohnloser.

 
Die Studie von Lee und ihren Kollegen hilft, eine 8 Jahre andauernde Diskussion zum Herzinfarktrisiko … endgültig zu beenden. Prof. Dr. Stefan Hohnloser
 

Andere randomisierte Studien wiederum zeigten reduzierte Herzinfarktrisiken unter NOAK-Therapie versus Vitamin-K-Antagonisten. Ältere und fragile Patienten, also solche mit besonders hohem Infarktrisiko, werden generell von diesen randomisierten Studien ausgeschlossen, bemerken Lee und ihre Kollegen.

Anhand von Daten aus einem dänischen Patientenregister haben sie in einer Kohortenstudie daher nun untersucht, inwiefern die einzelnen NOAK sowie Vitamin-K-Antagonisten das Infarktrisiko im klinischen Alltag beeinflussen. Insgesamt haben sie 31.739 Patienten mit Vorhofflimmern (Durchschnittsalter 74 Jahre) in die Studie aufgenommen, die zwischen 2013 und 2016 eine Therapie mit einem Gerinnungshemmer zur Schlaganfallprävention begonnen hatten.

Primärer Studienendpunkt war das Auftreten eines Herzinfarkts innerhalb eines Jahres nach Beginn der Antikoagulationstherapie. Zu Studienbeginn wurden 28% der Patienten mit Vitamin-K-Antagonisten, 27% mit Apixaban, 23% mit Dabigatran und 22% mit Rivaroxaban behandelt.

Alle NOAK schützen gleich gut

Das niedrigste Herzinfarktrisiko innerhalb eines Jahres nach Beginn der Antikoagulation bestand unter Rivaroxaban (1,1%), gefolgt von Apixaban und Dabigatran (beide 1,2%). Signifikant höher war das Risiko unter Vitamin-K-Antagonisten (1,6%). Zwischen den einzelnen NOAK bestanden keine signifikanten Unterschiede.

 
Jedes der NOAK hat die Infarktinzidenz im Vergleich zu Warfarin signifikant herabgesetzt. Prof. Dr. Stefan Hohnloser
 

Die gleichen Verhältnisse zeigten sich in 3 Jahren Follow-up und auch bei Patienten mit vormaliger ischämischer Herzerkrankung und bei gleichzeitiger Thrombozyten-Aggregations-Hemmung. Innerhalb der 3 Jahre traten insgesamt 654 Myokardinfarkte bei 2,1% der Patienten auf; 36% unter Vitamin-K-Antagonisten, 24% unter Dabigartran, 23% unter Apixaban und 17% unter Rivaroxaban.

Im sekundären kombinierten Endpunkt (kardiovaskuläre Mortalität und Myokardinfarkt) betrug die Inzidenz nach einem Jahr 8,69% unter Vitamin-K-Antagonisten, 9,04% unter Rivaroxaban, 7,54% unter Apixaban und 4,91% unter Dabigatran.

„Jedes der NOAK hat die Infarktinzidenz im Vergleich zu Warfarin signifikant herabgesetzt“, kommentiert Hohnloser. Hinsichtlich des sekundären Endpunkts zeigte sich Dabigatran sogar den beiden anderen NOAK überlegen, fügt er an. Eine Stärke der Studie sei der Einschluss von Patienten, die aufgrund von Komorbiditäten oder Gebrechlichkeit von klinischen Studien ausgeschlossen werden. Daher liefere die Studie Ärzten wichtige Informationen über die Effekte von NOAK bei diesen Patienten mit dem höchsten Komplikationsrisiko.

MANAGE: Dabigatran senkt Risiko für thrombotische Ereignisse

Erfolgreich schnitt der Gerinnungshemmer auch ab gegen Placebo in der randomisierten MANAGE (Management of Myocardial Injury After Noncardiac Surgery)-Studie mit 1.754 Patienten. Diese Studie hatte der kanadische Studienleiter Dr. P.J. Devereaux, Kardiologe an der McMaster University, Hamilton, Kanada, im März 2018 auf der Jahrestagung des American College of Cardiology (ACC) präsentiert hatte.

Patienten mit Myokardschädigungen nach einer nicht-kardialen Operation, die den Thrombinhemmer Dabigatran erhielten, erlitten signifikant seltener Myokardinfarkte und andere vaskuläre Folgekomplikationen als mit Placebo behandelte Patienten. In der bis zu 2-jährigen Nachbeobachtungszeit traten bei 11% der Patienten in der Dabigatran-Gruppe und bei 15,2% in der Placebo-Gruppe vaskuläre Komplikationen auf – was einer signifikanten relativen Risikoreduktion von 28% entspricht.

 

Kommentar

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