Kassel – Gibt es eine Diät, die vor Demenz schützt? Davon kann noch keine Rede sein, vermittelte Prof. Dr. Ute Nöthlings, Professorin für Ernährungsepidemiologie an der Universität Bonn, auf dem Kongress „Ernährung 2018“ [1]. Immerhin gelte: „Eine ausgewogene mediterrane Ernährung kann einen Beitrag dazu leisten, das Risiko für Demenz zu senken.“ Nöthlings zeigte Ergebnisse aktueller Studien, die nahelegen, dass ein hoher Fischkonsum dem Verlust kognitiver Fähigkeiten im Alter vorbeugen könnte. „Welche Inhaltsstoffe des Fisches dafür verantwortlich sind, ist allerdings noch unbekannt“, sagte sie. „Die Studienlage zu Omega-3-Fettsäuren ist unklar.“
Mit viel pflanzlicher Nahrung, wenig Fleisch länger geistig fit?
Schon 2014 lebten 1,5 Millionen Menschen mit demenziellen Erkrankungen in Deutschland, so Nöthlings. Und es werden immer mehr: Im Jahr 2016 waren Demenzerkrankungen der fünfthäufigste Auslöser dauerhafter Behinderungen. Kein Wunder, dass immer mehr Studien einzelne Lebensmittel und komplette Ernährungsmuster auf ihre potenziell protektive oder lindernde Wirkung hin testen.
Nöthlings stellte die Ergebnisse aus der neuesten großen Publikation zum Thema dar: Das Anfang 2018 veröffentlichte Statement on Diet, Cognitive Impairment and Dementia des Scientific Advisory Committee on Nutrition (SACN) aus Großbritannien stellt zentrale Ergebnisse internationaler Studien vor. „Mediterrane Ernährung ist vermutlich invers mit dem Risiko für demenzielle Erkrankungen assoziiert“, übersetzte Nöthlings das Fazit der Autoren und ergänzte: „Die Evidenz basiert derzeit vorwiegend auf Beobachtungsstudien.“
Der Begriff mediterrane Ernährung steht dabei für einen Speiseplan mit:
viel Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Cerealien,
wenig Milchprodukten und Fleisch,
viel Fisch,
mehr einfach ungesättigten als gesättigten Fettsäuren, z. B. aus Olivenöl,
regelmäßigem, aber moderatem Alkoholkonsum, vor allem von Wein.
Die Autoren verweisen darauf, dass die Speisepläne, die die Teilnehmer diverser Studien hatten, durchaus Unterschiede aufwiesen. So gab es mal Pluspunkte für den Konsum von Getreideprodukten, mal nur für jenen von Vollkorn. Manche Studien sahen den übermäßigen Verzehr von jedem Fleisch als potenziell schädlich an, andere nur jenen von rotem bzw. verarbeitetem Fleisch.
Blattgemüse scheint schützen zu können, doch welches ist am besten?
Nöthlings informierte über weitere neue Publikationen zum Thema. Eine im Jahr 2017 publizierte Metaanalyse aus 9 Kohortenstudien mit insgesamt 34.168 Teilnehmern überprüfte die Assoziationen zwischen mediterraner Ernährung und kognitiven Fähigkeiten bzw. demenziellen Erkrankungen in einem Follow-up-Zeitraum von 2 bis 12 Jahren.
Die Teilnehmer mit dem höchsten Mediterranean Diet Score hatten – verglichen mit jenen, die wenige oder keine der Vorgaben der Mittelmeerdiät einhielten – ein signifikant reduziertes Risiko für kognitive Störungen wie milde kognitive Beeinträchtigung oder Alzheimer (relatives Risiko 0,79; 95%-KI: 0,70-0,90).
Aber welches Obst, welches Gemüse genau ist es, das die geistige Leistungsfähigkeit lange erhält? Ebenfalls 2017 erschien eine prospektive Studie, die 3 Ernährungsmuster verglich. Der mediterranen Ernährung wurde zum einen das Konzept DASH gegenübergestellt. DASH steht für Dietary Approaches to Stop Hypertension: Ein Fokus liegt auf wenig Salz, ein 2. auf insgesamt verminderter Fettzufuhr. Ansonsten entsprechen die Empfehlungen weitgehend jenen der Mittelmeerdiät.
Ernährungsmuster 3, das in der Studie analysiert wurde, heißt MIND (kurz für: Mediterranean-DASH Intervention for Neurodegenerative Delay). MIND kombiniert die Vorgaben aus mediterraner Ernährung und DASH, zudem gibt es genauere Empfehlungen zur pflanzlichen Kost: Mehr als 6 Portionen grünes Blattgemüse und mehr als 2 Portionen Beeren pro Woche gelten als ideal.
923 Erwachsene im Alter ab 58 Jahren nahmen an der Studie teil. Nach 4,5 Jahren Follow-up zeigten jene Teilnehmer, die entweder DASH, MIND oder die mediterrane Ernährung streng eingehalten hatten (jeweils das Terzil mit der höchsten Compliance), ein vermindertes Risiko für eine Alzheimer-Demenz. „Nur bei der MIND-Diät gab es jedoch schon im mittleren Terzil einen Effekt“, so Nöthlings. An welchen Komponenten der Ernährung das lag, sei allerdings noch zu erforschen.
Fischkonsum und Kognition: Noch Fragen offen
2017 erschienen eine Metaanalyse und ein systematischer Review, die sich Fischkonsum und Kognition widmeten. Der Review aus 9 Studien mit insgesamt 28.754 Teilnehmern ab 55 Jahren verglich die Studienteilnehmer mit dem höchsten mit jenen mit dem niedrigsten Fischkonsum. Die Autoren ermittelten ein gepooltes relatives Risiko für Alzheimer-Demenz von 0,80 (95%-KI: 0,65-0,97) bei hohem Fischkonsum.
Sie analysierten ferner Studien, die nicht Fisch, sondern Omega-3-Fettsäuren (insgesamt oder einzelne) und ihre Wirkung auf die Kognition der Teilnehmer in den Mittelpunkt stellten. Teilnehmer mit hohem Konsum an Omega-3-Fettsäuren hatten hier keine signifikanten Vorteile gegenüber den anderen.
Eine weitere Metaanalyse ermittelte unter 23.688 Patienten im Alter ab 65 Jahren, die an einer französischen und 4 US-Studien teilgenommen hatten, Demenz-Risiken. Die Autoren suchten nach Assoziationen zwischen Fischkonsum und Symptomen demenzieller Erkrankungen. Tatsächlich war ein höherer Fischkonsum mit einem verlangsamten altersbedingten Gedächtnisverlust assoziiert.
Doch ist See- oder Süßwasserfisch zur Demenz-Prävention von besonderem Vorteil? Wie können jene, die keinen Fisch mögen, ihre kognitiven Fähigkeiten ebenso wirksam schützen? Hierzu gebe es derzeit noch keine gute Studienlage, informierte Nöthlings. Auch auf Studienergebnisse zur Demenz-Prävention mithilfe von anderen Ernährungsmustern, wie z.B. der ketogenen Diät, müsse noch gewartet werden.
Keine harten, evidenzbasierten Empfehlungen, aber …
Allgemein gelte: „Für harte, evidenzbasierte Empfehlungen ist die Evidenzlage noch zu schwach.“ Derzeit werde allerdings umfassend zum Thema geforscht, zum Beispiel im Kompetenzcluster Diet-Body-Brain, dessen Sprecherin Nöthlings ist.
„Wir können das Risiko nach hinten verlagern, wir können und sollten in jungen Jahren Prävention betreiben“, gab Nöthlings ihrem Publikum mit auf den Weg. Das, was das kardiovaskuläre Risiko und das Risiko für Diabetes senke, schütze vermutlich auch das Gehirn. Ernährung sei hierbei ein Faktor, doch auf Bewegung und einen allgemein aktiven Lebensstil komme es ebenso an.
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Diesen Artikel so zitieren: Taugt die mediterrane Ernährung als Demenz-Diät? Noch fehlt die klare Evidenz, doch viele Studien zeigen Assoziationen - Medscape - 13. Jul 2018.
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