Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) empfiehlt 9 neue Medikamente zur Zulassung [1]. Darunter befinden sich auch die ersten beiden CAR-T-Zell-Therapien in der EU. Die CAR-T-Zell-Therapie gilt als die teuerste Krebsbehandlung aller Zeiten. Als 2017 die erste CAR-T-Zell-Therapie in den USA zugelassen wurde, kostete eine Infusion 475.000 US-Dollar.
CAR-T-Zell-Therapien für Kinder und Erwachsene
Für CAR-T-Zell-Therapien werden per Leukapherese T-Zellen aus dem Blut des Patienten isoliert. Anschließend werden die T-Zellen im Labor mit dem Gen für einen chimären Antigenrezeptor (CAR) versehen. Er soll es den T-Zellen später erleichtern, CD19-Merkmale auf der Oberfläche von B-Zellen zu erkennen. Die CAR-T-Zellen werden in Kulturen vermehrt und dem Patienten dann über eine einzelne Infusion wieder zurückübertragen.
Die beiden nun zur Zulassung empfohlenen CAR-T-Zell-Therapien Kymriah® (Tisagenlecleucel, Novartis Europharm Limited) und Yescarta® (Axicabtagen-Ciloleucel, Kite Pharma EU B.V.) sollen zur Behandlung von Blutkrebserkrankungen eingesetzt werden. Tisagenlecleucel ist indiziert zur Behandlung von Kindern und jungen Erwachsenen (bis 25 Jahre) mit akuter lymphatischer Leukämie aus B-Vorläuferzellen (B-Zell-ALL), die therapierefraktär ist oder bereits ein zweites Mal rezidiviert. Bei erwachsenen Patienten über 25 Jahren kann die CAR-T-Zell-Therapie nach mindestens 2 anderen Therapien zur Behandlung diffuser großzellige B-Zell-Lymphome eingesetzt werden, wenn diese rezidivieren oder therapierefraktär sind.
Axicabtagen-Ciloleucel soll bei erwachsenen Patienten mit rezidivierenden oder therapierefraktären diffusen großzelligen B-Zell-Lymphomen zum Einsatz kommen. Außerdem ist es bei primären mediastinalen großzelligen B-Zell-Lymphomen indiziert. In beiden Fällen kann es erst nach mindestens 2 systemischen Therapien angewendet werden.
Sicherheitsmaßnahmen: Medikament gegen Nebenwirkungen
Eine bekannte und schwerwiegende Nebenwirkung von CAR-T-Zell-Therapien ist das Zytokin-Freisetzungssyndrom. Der CHMP spricht sich deshalb auch für eine Erweiterung der therapeutischen Indikation von RoActemra® (Tocilizumab, Roche Registration GmbH) aus. Sie soll künftig die Behandlung des CAR-T-Zell-induzierten Zytokin-Freisetzungssyndrom umfassen.
Eine weitere Sicherheitsmaßnahme und Voraussetzung für die Zulassung: Alle Patienten, die eine der beiden CAR-T-Zell-Therapien erhalten, müssen in einem Register erfasst werden, um die langfristige Sicherheit und Wirksamkeit der Therapien zu überwachen.
Bereits während ihrer Entwickelung wurden Tisagenlecleucel und Axicabtagen-Ciloleucel als Orphan-Arzneimittel eingestuft. Sie sind außerdem die ersten Arzneimittel, die im Rahmen des PRIority-MEdicines(PRIME)-Programms der EMA eine Zulassungsempfehlung vom CHMP erhalten.
Empfehlung für Orphan-Arzneimittel
Darüber hinaus empfiehlt der Ausschuss 4 weitere Arzneimittel mit Orphan-Status zur Zulassung:
Cablivi™ (Caplacizumab, Ablynx NV) zur Behandlung der autoimmunen thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura
Mepsevii™ (Vestronidase alfa, Ultragenyx Germany GmbH) zur Behandlung der Mukopolysaccharidose Typ VII
Veyvondi™ (Vonicog alfa, Baxalta Innovations GmbH) zur Behandlung der von-Willebrand-Krankheit
Vyxeos™ (Daunorubicin/Cytarabin) zur Behandlung der akuten myeloischen Leukämie
Ebenfalls eine positive Empfehlung gab es für Duzallo™ (Lesinurad/Allopurinol, Grünenthal GmbH) zur Behandlung der Hyperurikämie bei Gichtpatienten. Und Ulipristalacetat Gedeon Richter (Ulipristalacetat, Gedeon Richter Plc.) empfiehlt der Ausschuss für die präoperative Behandlung von Uterusmyomen.
Neubewertung: Brustkrebsmedikament für bestimmte Patientinnen
Das letzte Medikament, welches diesen Monat eine Zulassungsempfehlung erhalten hat, ist Nerlynx™ (Neratinib, Puma Biotechnology Limited). Das zur adjuvanten Therapie bei Brustkrebspatientinnen entwickelte Medikament hatte im Februar noch eine negative Bewertung erhalten. Zum einen hatte das CHMP Zweifel, dass der in einer Studie beobachtete Benefit von Neratinib sich auf die klinische Praxis übertragen würde, zum anderen hatten die meisten Patientinnen gastrointestinale Nebenwirkungen. Eine Neubewertung kommt nun zu dem Fazit, dass es doch eine Gruppe von Patientinnen gibt, bei denen Neratinib ein positives Risiko-Nutzen-Verhältnis hat: Frauen mit frühem, hormonrezeptorpositivem, HER2-positivem Brustkrebs.
Indikationserweiterungen, neue Reviews und ein zurückgenommener Antrag
Abgesehen von Tocilizumab empfiehlt der CHMP für 6 weitere Arzneimittel eine Erweiterung der therapeutischen Indikation: Dexdor® (Dexmedetomidin, Orion Corporation), Inovelon® (Rufinamid, Eisai Ltd.), Jinarc® (Tolvaptan, Otsuka Pharmaceutical Europe Ltd), Lenvima® (Lenvatinib, Eisai Europe Ltd.), Opdivo® (Nivolumab, Bristol-Myers Squibb Pharma EEIG) und Rapamune® (Sirolimus, Pfizer Limited).
Der Ausschuss gibt außerdem bekannt, dass er mit einer Überprüfung von Arzneimitteln begonnen hat, die bakterielles Lysat enthalten. Das Verfahren soll zeigen, wie effektiv diese Mittel die Zahl und den Schweregrad von Atemwegsinfektionen bei Erwachsenen und Kindern mit rezidivierenden Atemwegsinfektionen reduzieren.
Ebenfalls auf dem Prüfstand des CHMP: Septanest (Articain/Adrenalin-Injektionslösung), ein Lokalanästhetikum zur Schmerzlinderung bei zahnärztlichen Behandlungen. Ziel des Verfahrens ist, die Verwendung des Arzneimittels in den EU-Ländern, in denen es erhältlich ist, zu harmonisieren.
Der Zulassungsantrag für Graspa® (L-Asparaginase), ein Medikament zur Behandlung der akuten lymphatischen Leukämie, wurde vom Hersteller zurückgezogen.
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Diesen Artikel so zitieren: Kostspielige Blutkrebsbehandlung: EMA-Empfehlung für die ersten beiden CAR-T-Zell-Therapien in Europa - Medscape - 29. Jun 2018.
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