Nach 10 Jahren gibt es jetzt eine neue Leitlinie zur Behandlung von Gallensteinen und damit assoziierten Beschwerden [1]. Aufgrund von Ergebnissen der ACDC-Studie aus Deutschland raten die Experten nun, nach Klinikeinweisung möglichst rasch zu intervenieren. Darüber hinaus enthält die Leitlinie zahlreiche Empfehlungen zur Prophylaxe und fokussiert auf eine besonders gefährdete Gruppe: übergewichtige Frauen, die stark abgenommen haben.
Schnellere Intervention bei akuter Blockade des Gallenganges
Antibiose und Zuwarten bei Koliken führe in der Praxis zu mehr Komplikationen als die OP der entzündeten Gallenblase, sagt Prof. Dr. Frank Lammert, Direktor der Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum des Saarlandes. Er hat als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DVGS) die neue Leitlinie koordiniert. „Leider kommt es bei vielen Patienten, die auf einen Termin zur Gallenblasen-OP warten, in dieser Zeit erneut zu starken Beschwerden. Die ACDC-Studie hat gezeigt, dass eine baldige Entfernung der Gallenblase deshalb meist mehr Sinn macht.“
Kommt ein Patient mit akuter Gallenkolik ins Krankenhaus, müssen Labor- und Ultraschall-Untersuchungen zeigen, ob eine Entzündung der Gallenblase, der Bauchspeicheldrüse und/oder eine akute Blockade des Gallenganges durch Gallensteine vorliegt. Ist letzteres der Fall, sollte der Gallengang endoskopisch von Steinen gesäubert und danach die Gallenblase baldmöglichst entfernt werden, da sonst weitere Steine den Gang erneut zu verstopfen drohen.
„Wenn ein Stein noch in der Gallenblase den Ausgang in den Gang blockiert, liegt häufig eine Entzündung vor. Diese muss zwar zuerst behandelt werden“, erläutert Lammert. „Aber trotzdem sollte man die Gallenblase binnen 24 Stunden entfernen.“
Ein spezieller Fall liegt vor, wenn ein Gallenstein am Ende des Ganges in der Papille auch den Ausgang der Bauchspeicheldrüse blockiert, der in unmittelbarer Nähe des Gallenganges im Zwölffingerdarm liegt. Ist die Bauchspeicheldrüse dann nur leicht entzündet, sollte die Gallenblase sofort und bei einer schweren Entzündung nach deren Abheilung innerhalb der nächsten 6 Wochen entfernt werden.
„Die Gallenblase ist lediglich ein Speicherort für die Gallenflüssigkeit und deshalb eigentlich entbehrlich“, erklärt Lammert. „Für Patienten, bei denen es durch die Bildung von Steinen, die meist aus Cholesterin bestehen, zu schmerzhaften Koliken kommt, ist die Resektion der Gallenblase die therapeutisch sinnvollste Option.“Die Vorschläge der Leitlinie zur medikamentösen Therapie der akuten Gallenkolik sind nichtsteroidale Antiphlogistika (z.B. Diclofenac, Indometacin). Zusätzlich können Spasmolytika (z.B. N-Butylscopolamin) oder Nitroglycerin und bei starken Schmerzen Opioide (z.B. Buprenorphin, Pethidin) eingesetzt werden.
Risikogruppen für Gallensteine
Generell leiden Frauen häufiger an Gallensteinen, insbesondere wenn sie Kontrazeptiva oder Östrogenpräparate einnehmen. Weiterhin steigt das Risiko mit zunehmenden Alter. Vor dem 40. Lebensjahr ist das Risiko insgesamt gering. Obschon die meisten Gallensteine keine Symptome hervorrufen, treten die Beschwerden in bestimmten Personengruppen vermehrt auf. Die neue Leitlinie zeigt diese speziellen Risikogruppen auf.
Eine schnelle Gewichtsabnahme geht definitiv mit einem erhöhten Risiko zur Entwicklung von Gallensteinen einher. Gefährdet sind also Patienten, die sich einer bariatrischen Operation wie etwa einem Magenbypass unterzogen oder unter forcierter Diät eine Gewichtsabnahme von über 1,5 kg/Woche erlebt haben – insbesondere auch, weil diese Patienten meist stark übergewichtig sind oder waren, was bekanntlich bereits per se ein Risikofaktor für eine Gallensteinbildung ist.
Ursodeoxycholsäure für Hochrisiko-Patienten
Tatsächlich entstehen bei etwa 30% der Patienten innerhalb von 6 Monaten nach Magen-Bypass oder biliopankreatischer Diversion Gallensteine, nicht jedoch nach laparoskopischem Magenband. Das Steinrisiko von solchen Risikopatienten könne durch eine zeitlich begrenzte Prophylaxe mit Ursodeoxycholsäure in einer Dosis von mindestens 500 mg/Tag über mindestens 4 Monate bis zur Gewichtsstabilisierung vermindert werden, betonen die Autoren der Leitlinie. Die Cholezystektomie im Rahmen der Adipositaschirurgie sollte allerdings ausschließlich bei symptomatischen Steinträgern erfolgen..
Eine spezielle Risikogruppe sind Menschen, die erblich bedingt einen zu geringen Phospholipid-Spiegel haben. Deren Gallensteine bestehen ebenfalls aus Cholesterin und treten meist schon vor dem 40. Lebensjahr und direkt in der Leber auf. In diesen Fällen sollte eine Familienanamnese erhoben und enge Angehörige sollten ebenfalls untersucht werden.
Zur Prävention 4 Tassen Kaffee und mit dem Rad zur Arbeit
Zur Prävention rät Lammert, speziell die Patienten aus den Risikogruppen zu regelmäßigen Mahlzeiten, ausreichendem Flüssigkeitskonsum und körperlicher Bewegung anzuhalten: „Morgens ausgiebig frühstücken, insgesamt 4 Tassen Kaffee pro Tag und mit dem Rad zur Arbeit wäre ideal, um der Bildung von Gallensteinen vorzubeugen.“
Regelmäßige Mahlzeiten regen die Gallenblase dazu an, die in der Leber produzierte Gallenflüssigkeit zu speichern, sich aber bei Bedarf durch Kontraktion zu möglichst vollständig zu entleeren. „Dadurch kann sich die Gallenblase quasi selbst vor Steinen schützen“, erläutert Lammert. „Diese Gymnastik für die Gallenblase ist morgens besonders wichtig, um die Gallenflüssigkeit, die sich über Nacht gesammelt hat, in großer Menge zu entleeren!“ Auch die Leitlinie weist darauf hin, dass nach Ergebnissen aus Querschnittsstudien das Gallensteinrisiko um etwa ein Viertel reduzieren könnte, wenn die nächtlichen Nüchternperioden kürzer als 12 Stunden sind.
Mittelmeer-Gourmets sind im Vorteil, Vegetarier vielleicht
Ob eine vegetarische Ernährung das Steinrisiko positiv oder negativ beeinflusst, kann die Leitlinie nicht beantworten, jedoch halten die Experten es für möglich, dass aus dem damit assoziierten niedrigeren BMI und der Verwendung von pflanzlichen Ölen protektive Effekte resultieren könnten.
Eine prospektive Kohortenstudie bei französischen Frauen berichtete jedenfalls von einem niedrigeren Risiko einer Cholezystektomie unter einer Ernährung, die reich an Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Olivenöl war. Nüsse könnten ebenfalls vor Gallensteinen schützen oder einen Indikator einer gesünderen Ernährung darstellen, berichtet die Leitlinie.
Es konnte weiterhin gezeigt werden, dass mehrfach und einfach ungesättigte Fette protektiv sind, wohingegen eine höhere Aufnahme von gesättigten und trans-Fettsäuren mit einem erhöhten Risiko von Gallensteinen assoziiert war, wird in der Leitlinie ausgeführt.
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Diesen Artikel so zitieren: Nicht abwarten, aber Kaffee trinken! Neue Leitlinie gegen Gallensteine rät bei Bedarf zur möglichst raschen Operation - Medscape - 26. Jun 2018.
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