Überleben ist kein Spaziergang: Kräftiges Bewegungstraining senkt das Sterberisiko nach Krebs

Kristin Jenkins

Interessenkonflikte

22. Juni 2018

Chicago – Wer als Kind an Krebs erkrankt war und sich regelmäßig und viel bewegt, senkt sowohl sein Sterberisiko insgesamt als auch sein Risiko, an Krebs zu sterben, so das Fazit einer neuen Studie. 

„Diese Ergebnisse können für die große und weltweit schnell wachsende Gesamtheit erwachsener Überlebender von Krebs im Kindesalter von Bedeutung sein, die aufgrund mehrerer konkurrierender Risiken ein erheblich höheres Sterberisiko haben", kommentieren die Autoren ihre Ergebnisse.

Die Studie, geleitet von Dr. Jessica M. Scott und Dr. Lee W. Jones, beide vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York City, ist auf dem Treffen der American Society of Clinical Oncology (ASCO) 2018 vorgestellt worden [1]. Gleichzeitig ist sie in JAMA Oncology veröffentlicht worden [2].

„Unsere Ergebnisse stimmen mit der Fülle an Daten in der Allgemeinbevölkerung überein, die zeigen, dass regelmäßige Bewegung mit einer erheblichen Verringerung der Gesamt- und ursachenspezifischen Mortalität verbunden ist“, schreiben die Studienautoren. Denn trotz aller Erfolge in den letzten Jahrzehnten haben Krebsüberlebende im Vergleich zur übrigen Bevölkerung ein höheres Risiko, zum einen Rezidive, zum anderen aber auch kardiovaskuläre Folgen der Krebsbehandlung zu entwickeln, stellte Jones fest.

„Das ist eine andere Krankheits-Pathophysiologie, insofern war es unklar, ob Bewegung auch unter diesen einzigartigen Umständen wirksam sein würde, doch es war so“, sagte Jones zu Medscape Medical News.

Die Studie zeige, dass bereits 40 Minuten kräftige Bewegung pro Woche mit einem signifikanten Nutzen für die Gesundheit verbunden waren. Das entspricht auch den Empfehlungen in den USA (und bei uns), nach denen Krebsüberlebenden zu körperlicher Aktivität mittlerer Intensität für 150 Minuten pro Woche geraten wird – oder zu 5 Tagen pro Woche mittlerer Bewegungsintensität für 30 Minuten, so Jones.

Das Team fand heraus, dass eine körperliche Belastung von 15 bis 18 Metabolischen Äquivalent (MET)-Stunden in der Woche – was einem zügigen Gehen von etwa 60 Minuten pro Tag und 5 Tagen pro Woche entspricht – „die optimale Dosis“ zu sein scheint. 1 MET entspricht dabei dem Energieverbrauch von 1 kcal pro Kilogramm Körpergewicht pro Stunde. Ein Mehr an Bewegung hatte in der Studie kaum zusätzlichen Nutzen, „was auf eine obere Schwelle hindeutet, zumindest in dieser speziellen Gruppe von Erwachsenen, die Krebs im Kindesalter überlebt haben“.

„Wir möchten erreichen, dass Kliniker Patienten, die Krebs überlebt haben, empfehlen, sich zu bewegen, wann immer es möglich ist“, sagte Jones gegenüber Medscape. „Das wird sich sehr positiv auf das Verhalten der Patienten auswirken", fügte er hinzu. Diese Patienten sollten sich von einem zertifizierten Trainer anleiten lassen, am besten von jemandem, der sich mit Krebserkrankungen auskennt, schlug Jones vor.

 
Diese Ergebnisse können für die große und weltweit schnell wachsende Gesamtheit erwachsener Überlebender von Krebs im Kindesalter von Bedeutung sein… Dr. Jessica M. Scott und Dr. Lee W. Jones
 

Kohortenanalyse mit mehr als 15.000 Teilnehmern

Die neuen Ergebnisse stammen aus einer Kohortenanalyse von 15.450 Teilnehmern der Childhood Cancer Survivor Study (CCSS). Für die Studie hatten die Forscher Daten aus 2 separaten Fragebögen analysiert. Die CCSS-Teilnehmer gaben darin Auskunft über die Häufigkeit der Bewegung. Das Durchschnittsalter der Befragten lag bei 25,9 Jahren und 52,8% der Befragten waren Männer.

Bei allen Überlebenden war vor dem 21. Lebensjahr Krebs diagnostiziert worden und sie wurden zwischen dem 1. Januar 1970 und dem 31. Dezember 1999 in 27 Kinderkliniken in den USA und Kanada behandelt.

Im ersten Fragebogen, der im Median 17,8 Jahre nach der Krebsdiagnose ausgefüllt worden war, wurden die CCSS-Teilnehmer gefragt, wie oft sie in den letzten 7 Tagen 20 Minuten lang geschwitzt oder Sport getrieben hatten. 

Die Auswertung der Fragebögen ergab, dass Überlebende, die häufig und kräftig trainierten, bei der Krebsdiagnose jünger waren, eher nicht rauchten und weniger Risikofaktoren für CVD und chronische Erkrankungen der Schweregrade 3 und 4 aufwiesen.

Im Median 9,6 Jahre nach dem ersten Fragebogen folgte eine erneute Befragung zur Neubewertung der Trainingshäufigkeit. Von den 70%, die eine Änderung des Bewegungsverhaltens angaben, berichteten 40%, weniger häufig zu trainieren als zum Zeitpunkt der letzten Umfrage, 20% gaben an, dass sie häufiger trainierten, und 10% gaben an, dass sie ihr vorheriges hohes Maß an Bewegung beibehalten hatten.

Überlebende, die die Häufigkeit beibehielten oder steigerten, waren mit höherer Wahrscheinlichkeit Nichtraucher und wiesen weniger vorbestehende Komorbiditäten auf als diejenigen, die sich nur wenig bewegten oder überhaupt nicht trainierten, sagen die Forscher.

In der Zeit zwischen der Basis- und der Folgeerhebung starben 1.063 Probanden der Kohorte: 120 aufgrund eines Rezidivs oder des Fortschreitens ihrer Primärerkrankung und 811 aufgrund anderer Ursachen, einschließlich CVD.

Um das Risiko eines Bias im Zusammenhang mit Beobachtungsstudien zu verringern, haben die Forscher alle Analysen auf klinische Kovariablen hin angepasst, die das Verhältnis zwischen Bewegung und klinischen Ergebnissen hätten verändern können. Auch führten sie Analysen durch, um die Teilnehmer mit Rezidiven oder nachfolgenden bösartigen Neoplasmen bei Studienbeginn auszuschließen.

 
Wir möchten erreichen, dass Kliniker Patienten, die Krebs überlebt haben, empfehlen, sich zu bewegen, wann immer es möglich ist. Dr. Lee W. Jones
 

Kein dosisabhängiger Zusammenhang

Das Team fand einen signifikanten inversen Zusammenhang zwischen Bewegung und Gesamtmortalität – dies nach einem medianen Follow-up von 10 Jahren (p= 0,02 für den Trend). Dies nachdem auf chronische Gesundheitsbeeinträchtigungen einschließlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen (CVD) und die wichtigsten Behandlungsexpositionen adjustiert worden war, so die Forscher.

Nach 15 Jahren lag die kumulative Inzidenz für die Gesamtmortalität bei 11,7% für Patienten, die nicht trainierten (0 MET-Stunden pro Woche), bei 8,6% für Personen mit 3 bis 6 MET-Stunden pro Woche, bei 7,4% für Personen mit 9 bis 12 MET-Stunden pro Woche und bei 8,0% für Personen mit 15 bis 21 MET-Stunden pro Woche (p < 0,001).

„Das offensichtliche Fehlen eines dosisabhängigen Zusammenhangs zwischen Bewegung und Sterben steht „im Widerspruch zu einigen, aber nicht zu allen Studien", kommentieren die Forscher. Aber immerhin war zumindest in einer Subgruppe von 5.689 Überlebenden eine erhöhte körperliche Aktivität von durchschnittlich 8 MET-Stunden pro Woche über einen Zeitraum von 8 Jahren mit einem Rückgang der Sterblichkeit um 40% im Vergleich zu Gleichaltrigen verbunden, die nur 3 bis 6 MET-Stunden pro Woche oder weniger trainierten.

„In Anbetracht der Konsistenz unserer Befunde über mehrere Analysen hinweg, unterstützen unsere Befunde in Verbindung mit früheren Arbeiten die allgemeine Schlussfolgerung, dass Bewegung den Überlebenden von Krebserkrankungen einen erheblichen gesundheitlichen Nutzen bringt", so die Forscher. „Dennoch kann der Beitrag, den Störfaktoren haben, nicht außer Acht gelassen werden und nur Daten aus randomisierten klinischen Studien können eine Kausalität definitiv belegen."

Dr. Leontien Kremer vom Emma Children's Hospital and Academic Medical Center in Amsterdam, Niederlande, sagte während der Diskussion auf der ASCO-Tagung, dies sei „eine wirklich wichtige Studie" und „von sehr hoher Qualität". „Sie beinhaltet eine multivariable Analyse, und das ist wirklich wichtig, weil es viele Störfaktoren für einen gesunden Lebensstil und die Ergebnisse gibt", fuhr sie fort, einschließlich Ernährung und Alkoholkonsum.

Kremer merkte auch an, dass es sich bei der optimalen Bewegungsdosis, die in dieser Studie gefunden wurde, um „viel Bewegung handelt. Es ist nicht nur ein Spaziergang oder so etwas."

„Eine weitere wichtige Frage für die Überlebenden von Krebs im Kindesalter ist: Kann jeder Überlebende Sport treiben?", sagte sie. „In unserer Richtlinie für Kardiotoxizität nach Krebs im Kindesalter raten wir Überlebenden, die mit einer sehr hohen Dosis Anthrazykline behandelt worden sind, zuerst einen Kardiologen aufzusuchen", betonte sie.

Dieser Artikel wurde von Ute Eppinger aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....