„Im Klinikalltag einfach nur billige Arbeitskräfte!“ PJ´ler unzufrieden mit Bezahlung und Ausbildungsqualität

Christian Beneker

Interessenkonflikte

20. Juni 2018

Schätzungsweise 15% der jungen Ärzte im Praktischen Jahr (PJ) kehren Deutschen Krankenhäusern den Rücken und lernen lieber z.B. in der Schweiz. Warum, das belegen jetzt Zahlen des Nordrhein-Westfälischen Landesverbandes des Marburger Bundes (MB) [1].

„10 bis 15 Prozent der PJ´lerInnen gehen mindestens für ein Tertial des PJ ins Nachbarland Schweiz“, schätzt Jana Aulenkamp, Präsidentin der Bundesvertretung der Medizinstudierenden Deutschlands (bvmd). „Dort müssen sie mit 50 Stunden zwar länger arbeiten als in Deutschland. Aber die Bezahlung ist besser und es gibt eine wesentlich bessere Betreuung.“

Weniger als 400 Euro im Monat

Davon können PJ´ler in Deutschen Krankenhäusern nur träumen, glaubt man den jüngsten Umfrage-Ergebnissen des MB Nordrhein-Westfalen. Die Antworten der 299 PJ´ler auf eine Online-Umfrage des MB zeigen: Die jungen Leute erhalten in der Regel „monatlich weniger als 500 Euro Aufwandsentschädigung“, sagt Thorsten Hornung, für junge Ärzte zuständiges Mitglied im MB-Landesvorstand.

„Über 90 Prozent unserer befragten PJ`ler beklagen, dass sie 8 Stunden und länger in der Klinik tätig sind, sie aber von der PJ-Vergütung alleine ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können“, sagt Hornung. 74% der befragten PJ´ler erhalten sogar weniger als 400 Euro im Monat, 22% weniger als 300 Euro, 10% weniger als 200 Euro und 3% gar kein Geld, so die Umfrage-Ergebnisse. „Da jeder vierte PJ´ler zudem noch seine tägliche Verpflegung verrechnet bekommt, schmälert sich das monatlich zur Verfügung stehende Salär sogar noch weiter“, sagt Hornung. PJ´ler, die nichts oder wenig Geld erhalten, müssen nebenher arbeiten oder das Konto der Eltern anzapfen.

Tatsächlich könnten die Krankenhäuser – selbst wenn sie denn wollten – gar nicht beliebig tief ins Portemonnaie greifen. Denn § 3 Absatz 4 der Approbationsordnung legt fest: PJ´ler dürfen nicht mehr Geld (oder Sachleistungen wie Essen) erhalten als den BAföG-Höchstsatz. Und der liegt bei 649 Euro, erklärt Michael Rauscher, Sprecher des Hartmannbundes (HB). Beim PJ im Ausland verändern sich die Zuschläge. Laut Hartmannbund erhalten PJ´ler in der Schweiz zum Beispiel 1.000 Franken monatlich.

 
Über 90 Prozent unserer befragten PJ`ler beklagen, dass sie 8 Stunden und länger in der Klinik tätig sind, sie aber von der PJ-Vergütung alleine ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können. Thorsten Hornung
 

In Deutschland liegen die Aufwandsentschädigungen laut einer Liste des Hartmannbundes für PJ´ler zwischen gar keinem Geld und 735 Euro pro Monat (trotz der Obergrenze). Dabei fällt auf, dass die Häuser in der Provinz oft am meisten zahlen. So sind das Neurologische Zentrum Bad Zwesten (rund 2.500 Einwohner, Schwalm-Eder-Kreis) und die Helios Kliniken Bad Berleburg im Rothaargebirge die beiden Spitzenreiter auf der Liste. Die Universitätskliniken in Nürnberg, Leipzig oder Schleswig Holstein zahlen dagegen gar nichts. Die Sache ist klar: Vor Häusern der Maximalversorgung in attraktiven Städten stehen die Bewerber für das PJ ohnedies oft Schlange – sie müssen nicht mit Aufwandsentschädigungen geködert werden.

Auch um die Konkurrenz über Aufwandentschädigungen zu beenden, hat der 121. Deutsche Ärztetag in Erfurt gefordert, jedem PJ´ler in jeder Klinik monatlich 1.500 Euro zu zahlen . „Es soll keinen Wettbewerb über die Höhe der Aufwandsentschädigung geben, sondern über die Qualität der Ausbildung“, sagt Rauscher zu Medscape.

PJ´ler wünschen sich „bessere praktische Ausbildung“

Aber der Umfrage des MB zufolge, fehlt es nicht nur am Geld, sondern auch an der Qualität der medizinischen Ausbildung. Klare Ausbildungsziele und schlüssige Curricula? Fehlanzeige. „Nahezu alle PJ´ler betonen in der MB-Umfrage, dass sie in personell unterbesetzten Kliniken primär zur Patientenaufnahme, zum Blutabnehmen oder zum Hakenhalten im OP eingesetzt werden“, teilt der MB mit. Vereinbarte Seminare fallen ständig aus, es mangele an strukturierten Schulungen. Ein PJ´ler schrieb: „Wir sind im Klinikalltag einfach nur billige Arbeitskräfte!“

Der Wille der Ärzte zu einer guten Ausbildung sei „durchaus vorhanden“, so eine Antwort der Umfrage. „Aber da ein Mangel an Ärzten und hoher ökonomischer Druck bestehen, hat kaum ein Arzt Zeit für die Lehre, die wir brauchen.“

Isabel Molwitz, die gerade ihr PJ hinter sich hat, berichtet: „Wenn die Assistenten Zeit für unsere Fragen hatten, dann hat das PJ Spaß gemacht. Aber oftmals haben wir je nach Haus nur Aufnahmen, Entlassungen und Blutentnahmen gemacht. Feedback war selten.“ Die Krankenhäuser sollten die PJ´ler ausbilden und nicht einfach ihre Arbeitskraft einkalkulieren, meint die junge Medizinerin.

 
Aber da ein Mangel an Ärzten und hoher ökonomischer Druck bestehen, hat kaum ein Arzt Zeit für die Lehre, die wir brauchen. Ein Umfrageteilnehmer
 

Immerhin müssen die jungen Leute nebenher ihr 3. Staatsexamen vorbereiten, das oft rasch auf das PJ folgt. So nutzen sie oft den Puffer der 30 erlaubten Fehltage im PJ zum Lernen. „Da wäre ein 4-wöchiger Abstand zwischen PJ-Ende und den Prüfungen zur Prüfungsvorbereitung wichtig“, meint Molwitz. Denn wenn PJ´ler wirklich krank werden sollten und eine Pause brauchen, „haben sie keine Zeit mehr und gehen trotzdem zum Dienst. Damit tun sie das, wovor alle Ärzte warnen: krank zur Arbeit zu gehen“, sagt Molwitz. Ihr Vorschlag: Die Kranken- und Urlaubstage trennen.

Die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) sieht viele Kliniken nicht in der Lage, mehr Geld zu zahlen. Sandra Fösken, Sprecherin der KGNW, verweist auf die Arbeitsverdichtung in den Krankenhäusern des Landes und auf eine Förderlücke zwischen Bedarf und Landesförderung von einer Milliarde Euro. Trotzdem würden „einige Kliniken“ aus eigenen Mitteln Aufwandsentschädigungen zahlen, obwohl es keine gesetzliche Verpflichtung dazu gebe, so Fösken.

Was aber die fehlenden Curricula für die Ausbildung im PJ angeht, dürfte man den Krankenhäusern keinen Vorwurf machen, meint Hornung. „Bis zum 3. Examen ist die Ausbildung Sache der Fakultäten. Sie müssten Ausbildungsinhalte vorlegen.“

 

Kommentar

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