Nicht nur Darmkrebs: Lynch-Syndrom ist Basis von mehr Tumoren als gedacht, Mikrosatelliten-Instabilität bringt es an den Tag

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

11. Juni 2018

Chicago – „Die Mikrosatelliten-Instabilität ist ein Marker für ein Lynch-Syndrom, bei 16,3 Prozent der Patienten mit hoher Mikrosatelliten-Instabilität fand sich ein Lynch-Syndrom. Deshalb sollte bei allen Patienten mit MSI-H-Tumoren untersucht werden, ob ein Lynch-Syndrom vorliegt, unabhängig vom Krebstyp oder der Anamnese.“

Dr. Zsofia Kinga Stadler

So lautet die Empfehlung von Dr. Zsofia Kinga Stadler, Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, die sie bei einer Pressekonferenz während der Jahrestagung 2018 der ASCO (American Society of Clinical Oncology) in Chicago gab [1]. In einer Genstudie hatte ihre Arbeitsgruppe mehr als 15.000 Tumorproben untersucht und dabei diese Assoziation nachgewiesen.

Der Befund hat durchaus große praktische Bedeutung: „Die Diagnose eines Lynch-Syndroms gibt uns die einzigartige Möglichkeit, nicht nur unseren Krebspatienten zu helfen, sondern auch Familienmitgliedern mit erhöhtem Krebsrisiko, weil dieses durch verstärkte Überwachung und – in einigen Fällen – prophylaktische Eingriffe gesenkt werden kann“, so Stadler.

 
Es sollte bei allen Patienten mit MSI-H-Tumoren untersucht werden, ob ein Lynch-Syndrom vorliegt, unabhängig vom Krebstyp oder der Anamnese. Dr. Zsofia Kinga Stadler
 

„Dies ist eine absolut die Praxis verändernde Studie“, kommentierte ASCO-Expertin Prof. Dr. Shannon Westin, University of Texas MD Anderson Cancer Center, Houston, bei der Pressekonferenz. Denn, so ihre Empfehlung: Aufgrund der Ergebnisse sollten nun alle Patienten mit MSI-H-Tumoren auf ein Lynch-Syndrom getestet werden.

Und: Die MSI habe nicht nur Bedeutung für die Therapie der Tumoren (MSI-H-Tumoren sprechen bekanntlich besonders gut auf eine Krebs-Immuntherapie an), sondern wirke sich auch auf die Krebsprävention aus. „Es handelt sich um eine unkomplizierte Teststrategie, die sofort umgesetzt werden kann, und die nicht nur die Patienten, sondern auch ihre Verwandten betrifft. Das kann nicht hoch genug bewertet werden“, so Westin.

Lynch-Syndrom und Mikrosatelliten-Instabilität

Das Lynch-Syndrom (hereditary non-polyposis colorectal cancer – HNPCC) ist eine autosomal-dominant vererbte Erkrankung, die mit einem deutlich erhöhten Risiko für Krebserkrankungen einhergeht – rund 3% aller Kolorektal- und Endometrium-Karzinome sind auf das Lynch-Syndrom zurückzuführen. Es kommt mit einer Häufigkeit von etwa 0,3% in der Bevölkerung vor.

Das Lynch-Syndrom wird durch Keimbahn-Mutationen in den DNA-Mismatch-Reparatur(MMR)-Genen MLH1, MSH2, MSH6, PMS2 und EPCAM verursacht. Aufgrund des autosomal-dominanten Erbgangs besteht für erstgradig Verwandte eines HNPCC-Anlageträgers ein Risiko von 50%, ebenfalls Anlageträger zu sein. Kennzeichen der mit einem Lynch-Syndrom assoziierten Tumoren ist eine hohe Mikrosatelliten-Instabilität (MSI-H).

Die Mikrosatelliten-Instabilität (MSI) ist ein Marker für defekte DNA-Reparaturmechanismen. Man versteht hierunter das Auftreten neuer Allele innerhalb kurzer repetitiver DNA-Sequenzen (Mikrosatelliten). Als Folge der defekten DNA-Reparaturmechanismen häufen sich mehr und mehr Mutationen an.

Auf MSI wurde bisher vor allem bei Kolorektal- und Endometrium-Karzinomen getestet, um herauszufinden, ob die Patienten auch an einem Lynch-Syndrom leiden. Seit der Zulassung des PD1-Inhibitors Pembrolizumab für die Behandlung von allen Tumoren mit MSI-H in den USA wird die MSI-Testung jedoch sehr viel breiter eingesetzt, um die Patienten zu identifizieren, die von einer Pembrolizumab-Behandlung profitieren könnten.

Lynch-Syndrom verursacht ein breites Spektrum von Tumoren

„Ziel unserer Studie war es, die Prävalenz von Keimbahn-Mutationen in den MMR-Genen bei MSI-H-Tumoren zu bestimmen“, so Stadler. Dazu analysierte ihre Arbeitsgruppe prospektiv 15.045 Proben von über 50 verschiedenen Tumoren und klassifizierte die Ergebnisse in 3 Gruppen: MSI-stabil (MSS – keine Instabilität nachgewiesen), MSI unbestimmt (MSI-I) und MSI-H. In allen Proben wurde zudem nach Mutationen in den MMR-Genen gesucht.

MSS waren 93,2% der Tumoren, MSI-I 4,6% und 2,2% waren MSI-H. Mutationen in den Lynch-Syndrom-assoziierten MMR-Genen wurden bei 16,3% (53/326) der Personen mit MSI-H-Tumoren nachgewiesen, bei 1,9% (13/699) mit MSI-I- und 0,3% (37/14020) mit MSS-Tumoren.

 
Unsere Studie deutet darauf hin, dass das Spektrum der mit dem Lynch-Syndrom assoziierten Krebserkrankungen sehr viel breiter ist, als wir bisher dachten. Dr. Zsofia Kinga Stadler
 

Wie erwartet, machten Kolorektal- und Endometrium-Karzinom etwa 25% bzw. 16% der 1.025 MSI-H- und MSI-I-Tumoren aus. Allerdings hatten 50% (33/66) der Patienten mit MSI-H- und MSI-I-Tumoren und Lynch-Syndrom andere Krebserkrankungen, die bisher nicht oder nur sehr selten mit einem Lynch-Syndrom in Verbindung gebracht wurden.

Hierzu gehörten z.B. Mesotheliom, Sarkom, Nebennierenrinden-Karzinom, Melanom, Prostata- und Ovarial-Karzinom. Von diesen erfüllten 45% (18/33) die Kriterien für eine genetische Testung auf ein Lynch-Syndrom nicht. „Unsere Studie deutet darauf hin, dass das Spektrum der mit dem Lynch-Syndrom assoziierten Krebserkrankungen sehr viel breiter ist, als wir bisher dachten“, so Stadler.

Ihr Fazit lautet daher, dass die Ergebnisse dieser Analyse belegen, dass das Lynch-Syndrom mit einem breiteren Spektrum an Krebserkrankungen assoziiert ist, als bisher gedacht – und dass eine hohe Mikrosatelliten-Instabilität und eine MMR-Defizienz, unabhängig vom Krebstyp, prädiktiv für ein Lynch-Syndrom sind.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....