Für die Therapie des schweren Asthmas könnte schon bald ein weiterer monoklonaler Antikörper zur Verfügung stehen. 2 im New England Journal of Medicine (NEJM) publizierte Studien, in denen der Wirkstoff Dupilumab untersucht worden ist, haben so überzeugende Ergebnisse geliefert, dass einer entsprechenden Zulassung des Medikaments eigentlich nichts mehr im Wege stehen sollte [1,2]. Finanziert wurden die Untersuchungen von Sanofi und Regeneron Pharmaceuticals, die den Antikörper gemeinsam entwickelt haben.
„Das sind in meinen Augen phänomenale Ergebnisse – wenngleich der Placeboeffekt in allen Teiluntersuchungen natürlich sehr groß war“, sagt der Leiter der einen Studie, Prof. Dr. Klaus Rabe, Direktor der LungenClinic Großhansdorf und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). „Doch selbst wenn wir nicht fast die Hälfte, sondern nur ein Viertel der Patienten mithilfe von Dupilumab steroidfrei bekämen, wäre ein wichtiges Ziel erreicht“, betont der Pneumologe.
Seit Dezember 2017 ist Dupilumab bereits zur Behandlung der schweren atopischen Dermatitis bei Erwachsenen zugelassen. Die Patienten können sich das Medikament selbst subkutan injizieren. Der vollständig humanisierte Antikörper heftet sich an die gemeinsame Alpha-Untereinheit des Interleukin-4- und des Interleukin-13-Rezeptors, sodass die beiden Zytokine ihre entzündungsfördernden Wirkungen im Körper nicht mehr ausüben können.
Dupilumab wirkt nicht nur, aber auch gegen eosinophiles Asthma
Zur Therapie des schweren Asthmas stehen bislang 4 Biologika bereit. Der IgE-Antikörper Omalizumab wird vor allem bei allergischem Asthma verordnet. Die gegen IL-5 beziehungsweise dessen Rezeptor gerichteten Wirkstoffe Mepolizumab, Reslizumab und Benralizumab kommen vor allem bei Patienten mit eosinophilem Asthma zum Einsatz. Bei ihnen ist die Zahl der Eosinophilen im Blut stark erhöht, wodurch vermehrt Interleukine gebildet werden und in die Lunge einströmen.
Auch Dupilumab hat bei Patienten mit höheren Werten an eosinophilen Granulozyten die besseren Ergebnisse erzielt. „Allerdings sahen wir, anders als bei den bisher zugelassenen Biologika, keine so starre Grenze, unterhalb derer das Medikament gar nicht mehr wirkt“, berichtet Rabe im Gespräch mit Medscape. „Auch bei Patienten mit weniger als 300 Eosinophilen pro cm3 Blut zeigte Dupilumab eine Wirkung“, sagt er.
Schwere Exazerbationen unter dem Antikörper deutlich seltener
Ziel der einen Studie namens Liberty Asthma Quest war es, die Effektivität und Sicherheit des neuen Antikörpers in 2 verschiedenen Dosierungen zu untersuchen. Dafür rekrutierte ein internationales Team um Prof. Dr. Mario Castro von der Washington University School of Medicine in St. Louis, USA, 1.902 Patienten mit unkontrolliertem Asthma, die sie verblindet und randomisiert in 4 Gruppen einteilten: Zusätzlich zu ihrer Standardtherapie erhielten die Teilnehmer ein Jahr lang alle 2 Wochen subkutan 200 oder 300 mg Dupilumab oder aber ein Placebo mit entsprechendem Volumen injiziert.
Primäre Endpunkte der Studie waren die jährliche Rate schwerer Exazerbationen und Änderungen des FEV1-Wertes zwischen Studienbeginn und Woche 12 vor dem Gebrauch eines Bronchodilators. Als FEV1 (Forced Expiratory Pressure in 1 Second) wird die größtmögliche Menge an Luft bezeichnet, die innerhalb von einer Sekunde forciert ausgeatmet werden kann. Ein sekundärer Endpunkt der Untersuchung war unter anderem die Änderung des FEV1-Wertes bei Patienten mit mehr als 300 Eosinophilen pro Kubikmillimeter Blut.
Wie Castro und seine Kollegen berichten, lag die jährliche Rate schwerer Exazerbationen unter 200 mg Dupilumab bei 46% und unter Placebo bei 87%. Der FEV1-Wert war in Woche 12 im Schnitt um 0,32 bzw. 0,18 Liter gestiegen. In der Untergruppe der Patienten mit mehr als 300 Eosinophilen pro cm3 Blut lag die jährliche Rate schwerer Exazerbationen sogar nur bei 37%. Ganz ähnliche Ergebnisse wurden jeweils mit 300 mg des Antikörpers und dem entsprechenden Placebo erzielt. Eine Eosinophilie trat im Verlauf der Studie bei 4,1% der Probanden aus den beiden Interventionsgruppen und bei 0,6% der Teilnehmer aus den Kontrollgruppen auf.
Glukokortikoid-Menge ließ sich spürbar reduzieren
In der 2. Studie namens Liberty Asthma Venture ermittelte ein Team um den deutschen Lungenexperten Rabe, inwieweit sich unter einer begleitenden Therapie mit Dupilumab die Dosis eines oral eingenommenen Glukokortikoids reduzieren lässt. Dazu rekrutierten die Forscher 210 Patienten, die auf ein solches Medikament angewiesen waren. Die eine Hälfte der Probanden erhielt 24 Wochen lang zusätzlich alle 2 Wochen 300 mg Dupilumab, die andere ein Placebo.
Die Randomisierung erfolgte nach einer 3- bis 10-wöchigen Phase, in der zunächst bei allen Probanden die niedrigste Dosis des Glukokortikoids ermittelt wurde, mit der das Asthma noch gut unter Kontrolle war. Anschließend wurde die Dosis alle 4 Wochen bis zur Woche 20 reduziert. Erlaubt waren den Patienten andere Asthma-Controller und bei Bedarf der Gebrauch von SABA (Short-Acting Beta-2-Agonists).
Primärer Endpunkt der Studie war die Reduktion der Glukokortikoid-Dosis in % nach 24 Wochen. Wichtige sekundäre Endpunkte waren die jeweiligen Anteile an Patienten, die nach 24 Wochen ihre Cortison-Dosis auf mindestens 50% beziehungsweise auf weniger als 5 mg täglich reduziert hatten. Ebenfalls gemessen wurde die Rate schwerer Exazerbationen und der FEV1-Wert.
Fast die Hälfte der Probanden konnte vollständig auf Cortison-Tabletten verzichten
Wie Rabe und sein Team berichten, ließ sich die Glukokortikoid-Dosis in der Dupilumab-Gruppe um 70,1% und in der Placebo-Gruppe um 41,9% reduzieren. 80% bzw. 50% der Patienten konnten ihre Dosis mindestens halbieren. 69% bzw. 33% kamen mit einer Dosis von weniger als 5 mg täglich zurecht. Und 48% bzw. 25% der Probanden konnten sogar komplett auf die Einnahme des Glukokortikoids verzichten.
Trotz Reduzierung der Cortison-Dosis führte die Behandlung mit Dupilumab zu einer Exazerbationsrate, die gegenüber der Scheintherapie um 59% verringert war, und zu FEV1-Werten, die um 0,22 l erhöht waren. „Der positive Effekt von Dupilumab auf die Lungenfunktion war oft schon nach 2 Wochen zu sehen“, berichtet Rabe.
Eine vorübergehende Eosinophilie wurde bei 14% der Probanden aus der Interventionsgruppe und bei 1% der Teilnehmer aus der Placebogruppe beobachtet. Reaktionen an der Einstichstelle waren bei 9% bzw. 4% der Patienten zu verzeichnen.
Vergleichende Studien zwischen den verschiedenen Antikörpern nötig
Rabe ist sich sicher, dass die neuen Antikörper die Asthma-Therapie langfristig und nachhaltig verändern werden. „Bei allen 5 Biologika handelt es sich um höchst effektive und zugleich sichere Medikamente“, sagt er. Offen sei allerdings noch, welcher der 4 gegen Interleukine oder deren Rezeptoren gerichtete Antikörper für den einzelnen Patienten jeweils der beste sei. Denn keines dieser Medikamente konnte in den Zulassungsstudien bei allen Probanden die Zahl der Exazerbationen senken. Während die einen Patienten von der Antikörper-Therapie stark profitierten, zeigte die Behandlung bei einigen, wenn auch wenigen, kaum einen Effekt.
Der Chefredakteur des NEJM, Prof. Dr. Jeffrey Drazen vom Department of Biostatistics der Harvard T.H. Chan School of Public Health in Boston, USA, fordert aus diesem Grund Studien, in denen die 4 Antikörper bei verschiedenen Patientengruppen untereinander verglichen werden. Zudem müsse man – neben der Zahl der Eosinophilen, dem NO-Gehalt in der Atemluft und dem Vorliegen viraler Infektionen – weitere Biomarker entdecken und überprüfen, anhand derer sich die optimale Therapie für jeden einzelnen Patienten vorhersagen lasse, schreibt Drazen in einem Editorial im NEJM [3].
„Wir stellen uns eine Studie vor, in der Patienten mit spezifischen Asthma- und Biomarker-Kriterien randomisiert einen der 4 Antikörper erhalten“, so der Wissenschaftler. Exazerbationen und Nebeneffekte müssten dabei mindestens ein Jahr lang registriert werden.
„Wir glauben, dass die Hersteller der Antikörper all jenen Asthma-Patienten etwas schulden, die ein Risiko eingehen, um diese neuen Behandlungsformen zu testen“, schreibt Drazen. Natürlich riskierten die Pharmafirmen bei Head-to-Head-Studien, als Folge der Ergebnisse wirtschaftliche Verluste hinnehmen zu müssen, räumt der NEJM-Chefredakteur ein. Aber angesichts der jährlichen Kosten einer Antikörper-Therapie, die das Jahresgehalt eines US-Arbeiters, der den Mindestlohn erhält, deutlich übersteige, verdiene man es zu wissen, ob zwischen den einzelnen Behandlungsformen klinisch wichtige Unterschiede bestünden oder nicht.
Rabe stimmt Drazen zu: „Auch wenn solche vergleichenden Studien allein aus finanziellen Vorbehalten seitens der Hersteller vermutlich nur schwer zu realisieren sein werden, ist es die einzige Möglichkeit, dass ein Arzt ein bestimmtes Präparat nicht nur deshalb verordnet, weil vielleicht der Außendienstmitarbeiter der Pharmafirma besonders nett zu ihm war“, sagt er.
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Vielseitiger Antikörper: Das für Neurodermitis zugelassene Dupilumab zeigt bei schwerem Asthma „phänomenale Ergebnisse“ - Medscape - 8. Jun 2018.
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