„Ein großer Schritt vorwärts“ in der Therapie des frühen Pankreaskarzinoms: FOLFIRINOX zeigt erstaunliche Wirksamkeit

Sonja Boehm

Interessenkonflikte

8. Juni 2018

Chicago – Das Pankreaskarzinom ist für seine schlechte Prognose berüchtigt. Jetzt haben Onkologen aus Frankreich und Kanada bei der Tagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago „einen großen Schritt vorwärts“ – so zumindest die Einschätzung des Moderators der Pressekonferenz, ASCO Chief Medical Officer Prof. Dr. Richard L. Schilsky – bei dieser Erkrankung vermeldet.

Sie haben in einer randomisierten Phase-3-Studie bei Patienten mit einem resezierten duktalen Adenokarzinom des Pankreas eine Alternative zur herkömmlichen postoperativen adjuvanten Chemotherapie mit Gemcitabin getestet. Und dies mit großem Erfolg: Mit einem modifizierten FOLFIRINOX-Regime konnten sie das erkrankungsfreie Überleben (Diesease Free Survival = DFS) der Patienten im Median nahezu verdoppeln.  

 
Das ist das längste Gesamtüberleben, das je in einer Studie bei diesem Karzinom erreicht worden ist! Dr. Thierry Conroy
 

Die mediane Überlebenszeit der Patienten, ein sekundärer Studienendpunkt, wurde von 35 Monaten unter Gemcitabin auf 54,4 Monate unter mFOLFIRINOX gesteigert. „Das ist das längste Gesamtüberleben, das je in einer Studie bei diesem Karzinom erreicht worden ist!“, betonte der Präsentator der Ergebnisse und Studienleiter Dr. Thierry Conroy, Direktor am Institut de Cancérologie de Lorraine in Nancy, Frankreich. Die Ergebnisse hätten die Erwartungen der Wissenschaftler beim Start der Studie noch deutlich übertroffen.

Bei aller Euphorie über die Ergebnisse goss Moderator Schilsky dann aber doch auch noch etwas Wasser in den Wein: „Die Ergebnisse gelten nur für eine ausgesuchte Population“, betonte er. Wahrscheinlich weniger als die Hälfte aller Pankreaskarzinome seien bei Diagnose noch resezierbar – und die Studienteilnehmer waren danach ausgesucht worden, dass sie einen guten Performance-Status (0-1) hatten.

Der gute Allgemeinzustand war auch wichtig, um das relativ toxische FOLFIRINOX-Regime gut vertragen zu können. In der in der Studie angewandten „modifizierten“ Version war auf den i.v.-Bolus Fluorouracil verzichtet worden, berichtete Conroy. „So hatten wir weniger hämatologische Toxizität und eine niedrigere Diarrhoe-Rate bei erhaltener Wirksamkeit.“

 
Ein großer Schritt vorwärts für Patienten mit resezierbarem Pankreaskarzinom. Prof. Dr. Richard L. Schilsky
 

Insgesamt waren zwischen 2012 und 2016 knapp 500 Patienten für die Studie rekrutiert worden. Bei ihnen waren nach der Resektion des Pankreaskarzinoms keine Tumorresiduen im postoperativen CT-Scan sichtbar und sie mussten einen guten Performance-Status haben. Üblicherweise, so Conroy, erhalten diese Patienten nach der OP über 6 Monate eine zusätzliche Chemotherapie mit Gemcitabin und/oder Fluoropyrimidin. Trotzdem kommt es in der Regel in den folgenden 2 Jahren bei 3 von 4 dieser Patienten zu einem Tumorrezidiv.

In der Studie hatten nun die Patienten randomisiert entweder 6 Zyklen Gemcitabin erhalten oder das mFOLFIRINOX-Regime (Oxaliplatin, Leukovorin, Irinotecan plus Fluorouracil). Wie erwartet litten die FOLFIRINOX-Patienten unter mehr toxischen Nebenwirkungen wie Diarrhoe (18,6 vs 3,7%), Fatigue (11,0 vs 4,6%), Erbrechen (5,0 vs 1,2%), periphere Neuropathie (9,3 vs 0%) und Mukositis (2,5 vs 0%).

Doch zahlte sich das toxischere Regime auch aus: Nach einem medianen Follow-up von 33,6 Monaten war die mediane Zeit bis zum Wiederauftreten des Krebses in der mFOLFIRINOX-Gruppe nahezu verdoppelt (21,6 vs 12,8 Monate; Hazard Ratio: 0,58; p < 0,0001). Nach 3 Jahren waren nach mFOLFIRINOX-Chemotherapie noch knapp 40% der Patienten rezidivfrei, nach Gemcitabin-Chemo waren es 21,4%. Dabei wurde ein Nutzen des mFOLFIRINOX-Regimes über alle analysierten Subgruppen beobachtet, berichtete Conroy.

 
Es ist ein großer Gewinn herauszufinden, dass ein neues Behandlungsregime das Überleben von Patienten mit dieser Erkrankung so dramatisch verlängern kann. Prof. Dr. Andrew Epstein
 

Die Überlebensrate nach 3 Jahren betrug 63,4% nach mFOLFIRINOX und 48,6% unter Gemcitabin. „Das sind aufregende Ergebnisse“, betonte Schilsky. „Ein großer Schritt vorwärts für Patienten mit resezierbarem Pankreaskarzinom.“ Doch stärke diese Studie auch die Bedeutung einer frühen rechtzeitigen Diagnose – so lange das Karzinom noch vollständig zu entfernen ist und die Patienten einen guten Allgemeinzustand aufweisen.

Als eine „sehr willkommene Nachricht“ für diese selektierten Patienten, wertete auch Kommentator und ASCO-Experte Prof. Dr. Andrew Epstein, Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York City, die Ergebnisse bei der Pressekonferenz. „Pankreaskrebs ist notorisch aggressiv und hat typischerweise eine schlechte Prognose“, betonte er. „So ist es ein großer Gewinn herauszufinden, dass ein neues Behandlungsregime das Überleben von Patienten mit dieser Erkrankung so dramatisch verlängern kann.“      

Studie zur kombinierte Strahlen-Chemo-Therapie

Eine weitere bei der ASCO-Jahrestagung vorgestellte randomisierte Phase-3-Studie hat bei Patienten mit Pankreaskarzinom präoperativ eine kombinierte Strahlen-Chemo-Therapie geprüft. Das Ergebnis: Im Prinzip ließ sich auch damit das erkrankungsfreie Intervall nach dem Eingriff verlängern.

Und auch hier war die 2-Jahres-Überlebensrate – nach noch vorläufigen Daten – mit der Chemo-Radiotherapie besser (42% vs 30%). „Es handelt sich um die erste randomisierte klinische Studie, die gezeigt hat, dass eine präoperative Behandlung das Outcome von Menschen in frühen Stadien des Pankreaskarzinoms verbessert”, sagte Studienleiter Prof. Dr. Geertjan Van Tienhoven, Radioonkologe am Academic Medical Centre in Amsterdam, Niederlande.  

An der PREOPANC-1 Studie hatten 246 Patienten mit operablem Pankreaskarzinom teilgenommen. Eine Einschränkung bei diesem Studiendesign war, so Tienhoven, dass Patienten mit diesen sehr aggressiven und schnell wachsenden Tumoren, zunächst für 10 Wochen die Chemo-Radiotherapie erhielten und erst später operiert werden konnten. So waren die Resektionsraten in diesem Studienarm geringer (60 vs 72%), wenn aber reseziert wurde, gelang öfter eine R0-Resektion (63 vs 31%). Eine weitere Einschränkung: Sowohl die prä- als auch die postoperative Chemotherapie nutzte herkömmliche Schemata.

Im Median überlebten in dieser Studie die Patienten 17,1 Monate nach präoperativer Chemo-Radiotherapie und 13.7 Monate, wenn sie sofort operiert wurden (p = 0.074). Nach präoperativer Therapie dauerte es länger bis der Krebs wiederkam (9,9 vs 7,9 Monate, p = 0,023). Besonders groß war der Überlebensvorteil für die Patienten, bei denen es gelungen war, den Tumor vollständig zu resezieren (medianes Überleben 42,1 vs 16,8 Monate).

Nun wollen die Studienautoren in einem nächsten Schritt die präoperative Strategie mit alternativen möglicherweise wirksameren Therapieregimen wie FOLFIRINOX und stereotaktischer Radiotherapie (SBRT) testen.

 

Kommentar

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