Morbus Waldenström: Ibrutinib plus Rituximab mit „großartigen“ Ansprechraten – 80 Prozent weniger Progredienz oder Tod

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

7. Juni 2018

Chicago – Die zusätzliche Gabe des oralen Bruton-Tyrosinkase-Hemmers Ibrutinib zu Rituximab verlängert das progressionsfreie Überleben (PFS) bei Patienten mit Morbus Waldenström hochsignifikant: Das relative Risiko für Progression und Tod sinkt im Vergleich zur alleinigen Rituximab-Therapie um 80%.

Dies hat eine vorgeplante Zwischenanalyse der Phase-3-Studie iNNOVATE ergeben, die Prof. Dr. Meletios A. Dimopoulos, Medizinische Fakultät der Universität Athen, bei der Jahrestagung 2018 der ASCO (American Society of Clinical Oncology) vorgestellt hat [1]. Parallel wurden die Ergebnisse im New England Journal of Medicine publiziert [2]. „Diese Kombination hat eine bemerkenswerte Aktivität und sollte ein neuer Therapiestandard bei Morbus Waldenström werden“, so das Fazit des griechischen Onkologen.

Diskutant Prof. Dr. Craig C. Hofmeister, Emory University School of Medicine, Atlanta, ergänzte auf dem ASCO-Kongress: „Die Ansprechraten waren großartig und es gab keine eine unerwarteten Toxizitäten“. Hofmeister wies darauf hin, dass das Ansprechen auf Ibrutinib bei Patienten mit nachgewiesenen MYD88-Mutationen besonders gut war und folgert: „Ibrutinib plus Rituximab ist ein Gewinn bei MYD88-mutierten Patienten.“ Unerwünschte Wirkungen wie Vorhofflimmern und Infektionen erforderten jedoch eine enge Überwachung.

Seltenes B-Zell-Lymphom

Die Waldenström-Makroglobulinämie (Morbus Waldenström) ist eine seltene Erkrankung, die zu den indolenten Lymphomen gehört. Die Ursachen der Erkrankung sind weitgehend unbekannt. Es erkranken vor allem ältere Menschen, Männer etwas häufiger als Frauen.

Die klinische Symptomatik beruht vor allem auf den Folgen der Infiltration des Knochenmarks durch das lympho-plasmozytische Lymphom mit Verdrängung der normalen Hämatopoese und der Hypersekretion von monoklonalem Immunglobulin M (IgM). Eine Therapie wird normalerweise bei Patienten eingeleitet, die unter Anämie, Hyperviskosität, Fatigue oder anderen Symptomen leiden.

BTK-Inhibitor Ibrutinib als Add-on

Bei bis zu 90% der Patienten konnte in jüngerer Zeit eine MYD88-L265P-Mutation nachgewiesen werden, die konstitutiv den NF-kB-Stoffwechselweg über die Bruton-Tyrosinkinase (BTK) aktiviert. Mit Ibrutinib (Imbruvica®) steht seit 2014 erstmals ein oral applizierbarer Inhibitor der BTK zur Verfügung, der in Europa u.a. für die Behandlung des Morbus Waldenström nach Vorbehandlung oder in der Erstlinientherapie zugelassen ist, wenn die Patienten für eine Chemoimmuntherapie ungeeignet sind.

In Phase-2-Studien führte eine Ibrutinib-Monotherapie zu hohen und anhaltenden Ansprechraten bei vorbehandelten Patienten mit Morbus Waldenström. Der CD20-Inhibitor Rituximab gehört seit längerer Zeit zur Standardtherapie der Erkrankung.

In der Phase-3-Studie iNNOVATE verglichen nun Dimopoulos und seine Kollegen randomisiert die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Ibrutinib plus Rituximab mit Placebo plus Rituximab bei 150 Patienten mit Morbus Waldenström in der Erstlinien-Therapie oder bei rezidivierter Erkrankung. Die beiden Gruppen waren in den demographischen Parametern vergleichbar.

 
Diese Kombination hat eine bemerkenswerte Aktivität und sollte ein neuer Therapiestandard bei Morbus Waldenström werden. Prof. Dr. Meletios A. Dimopoulos
 

Alle Patienten erhielten über 4 Wochen einmal wöchentlich 375 mg/m² Rituximab i.v. Diese 4 Gaben wurden nach 3 Monaten wiederholt. Randomisiert wurden alle Patienten zudem kontinuierlich mit Ibrutinib 420 mg/Tag (n = 75) oder Placebo (n = 75) behandelt. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Zu den sekundären Endpunkten gehörten u.a. die Ansprechraten und die anhaltende hämatologische Besserung, die mediane Zeit bis zur nächsten Behandlung und das Gesamtüberleben.

Dimopoulos präsentierte in Chicago die Ergebnisse einer vordefinierten Zwischenanalyse, die nach 50 Progressionsereignissen oder Todesfällen vorgesehen war.

Risikosenkung um 80 Prozent

Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 26,5 Monaten verbesserte die zusätzliche Gabe von Ibrutinib das PFS signifikant von 20,3 Monaten unter Rituximab allein auf einen derzeit noch nicht bekannten Wert (Hazard-Ratio: 0,20, p < 0,0001). Dies bedeutet eine Senkung des relativen Risikos für Progression oder Tod um 80%.

Nach 30 Monaten waren mit Ibrutinib 82% der Patienten ohne Progression, ohne Ibrutinib waren es lediglich 28%. Das PFS wurde durch Ibrutinib im Vergleich zur Rituximab-Monotherapie in allen Subgruppen deutlich verbessert, und zwar bei therapienaiven Patienten (HR: 0,34), bei rezidivierter Erkrankung (HR: 0,17) und bei Patienten mit MYD88-L265P- und CXCR4-WHIM-Mutationen (HR: 0,24).

Die Gesamt-Ansprechraten waren unter der Kombination mit 92% signifikant höher als mit 47% unter Rituximab-Monotherapie (p < 0,0001). Es kam mit Ibrutinib zu einem rascheren Abfall der IgM-Spiegel im Serum. Außerdem besserte sich der Hämoglobin-Wert bei 73% der Patienten unter Ibrutinib/Rituximab anhaltend, unter Rituximab allein nur bei 41% (p < 0,001), „ein sehr wichtiger Faktor für das Wohlbefinden der Patienten“, so Dimopoulos.

Nach 30 Monaten lebten noch 94% der Patienten in der Ibrutinib-Gruppe und 92% in der Rituximab-Gruppe. Zum Zeitpunkt der Zwischenanalyse führten 75% der Patienten die Ibrutinib-Rituximab-Behandlung fort.

Schwere unerwünschte Wirkungen vom Grad 3 oder höher traten bei ähnlich vielen Patienten in beiden Gruppen auf: bei 60% unter Ibrutinib/Rituximab und bei 61% unter Rituximab, wobei die Patienten im Median 25,8 Monate mit Ibrutinib und 15,5 Monate mit Placebo behandelt worden waren.

Im Ibrutinib-Arm kam es zu keiner tödlichen Nebenwirkung, im Rituximab-Arm starben 3 Patienten infolge von Nebenwirkungen. 15% der Ibrutinib-Patienten entwickelten Vorhofflimmern, in der Vergleichsgruppe waren es 3%. Nur 5 bzw. 4% der Patienten brachen im Ibrutinib- bzw. Rituximab-Arm die Studie wegen Nebenwirkungen ab.

 

Kommentar

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