Additiv Atezolizumab zur Chemo verzögert beim fortgeschrittenen Plattenepithel-Karzinom der Lunge die Progression

Sonja Boehm

Interessenkonflikte

4. Juni 2018

Chicago – Das Krebs-Immuntherapeutikum Atezolizumab (Tecentriq®, Roche) scheint auch in der Kombination mit einer Platin-basierten Chemotherapie die Prognose von Lungenkrebs-Patienten zu verbessern. Diesen Schluss lässt die bei der Jahrestagung der ASCO (American Society of Clinical Onkology) in Chicago nun vorgestellte IMpower131-Studie zu. Sie hat den humanisierten PD-L1(Programmed Death Ligand 1)-Antikörper bei Patienten mit fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Plattenepithelkarzinom der Lunge (NSCLC) getestet [1].

Einer der primären Endpunkte der Studie ist das Überleben ohne Progression der Erkrankung (Progression Free Survival = PFS). Dieses wurde in der Studie durch die Kombination mit Atezolizumab im Vergleich zur Chemotherapie allein signifikant verlängert (mediane Zeit bis zur Progression 6,3 statt 5,6 Monate). 29% der Patienten hatten laut Studiendaten ein vermindertes Risiko für eine Progression der Erkrankung (Hazard Ratio: 0,71; 95%-Konfidenzintervall: 0,6-0,85, p = 0,0001).

Nach einem Jahr doppelt so viele Patienten ohne Progression

Wie bereits in früheren Lungenkrebs-Studien mit Atezolizumab sei in allen Subgruppen, also auch solchen mit niedriger oder nicht nachweisbarer PD-L1-Expression, ein Nutzen – in diesem Fall der Kombination mit dem PD-L1-Antikörper – beobachtet worden, berichtete Studienleiter Dr. Robert M. Jotte, Rocky Mountain Cancer Centers, Denver, Colorado, bei einer Pressekonferenz während des ASCO-Kongresses. Allerdings profitierten diejenigen mit einer höheren PD-L1 Expression stärker. Insgesamt waren nach 12 Monaten unter der Kombi doppelt so viele Patienten progressionsfrei, nämlich 24,7% im Vergleich zu 12%.

 
Die Forschung … zeigt zunehmend, dass die Chemotherapie dazu beitragen kann, die Immunantwort auf den Tumor zu triggern und der Immuntherapie sogar zu mehr Wirkung verhilft. Dr. Robert M. Jotte
 

2 Aspekte strich Jotte als Besonderheit der Studie heraus. Zum einen: „Wir dachten bislang, dass die Chemotherapie das Immunsystem des Patienten ausknockt und es daher wenig Sinn macht, sie mit einer Immuntherapie zu kombinieren“, sagte er. „Aber die Forschung, einschließlich dieser Studie, zeigt zunehmend, dass die Chemotherapie dazu beitragen kann, die Immunantwort auf den Tumor zu triggern und der Immuntherapie sogar zu mehr Wirkung verhilft.“ So hätten kürzlich mehrere Studien den Nutzen einer Kombination von Chemo- und Immuntherapie gezeigt. Er erwarte aufgrund dessen eine rasche Veränderung der klinischen Praxis.

Zum anderen gebe es bislang nur wenige Therapieoptionen für Patienten mit einem fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen Plattenepithelkarzinom der Lunge. Diese machten rund 25 bis 30% der NSCLCs aus und seien sehr schwer zu behandeln. „Mit dem bisherigen Firstline-Standard der Platin-basierten Chemotherapie beträgt das mediane progressionsfreie Intervall nur 5,6 Monate und das mediane Überleben 10,7 Monate“, so Jotte. Weniger als 15% der Patienten mit solch einem fortgeschrittenen Tumor überlebten die Diagnose länger als 1 Jahr; nach 5 Jahren lebten sogar nur noch 2%.

Plattenepithel-Karzinom: schwierig zu behandeln, schlechte Prognose

Auch der ASCO-Experte Prof. Dr. David Graham, Levine Cancer Institute in Charlotte, North Carolina, kommentierte die Studie bei der Pressekonferenz ähnlich: „Dies ist ein weiteres Beispiel, wie wir mit der Immuntherapie bei verschiedenen Krebsarten immer weitere Fortschritte machen“, sagte er. Die Immuntherapie habe sich bereits bei anderen Formen des Bronchialkarzinoms als wirksam erwiesen. „Nun sehen wir ermutigende Ergebnisse beim fortgeschrittenen Plattenepithel-Karzinom der Lunge, das sich in der Vergangenheit als sehr schwierig zu behandeln erwiesen hat.“

 
Nun sehen wir ermutigende Ergebnisse beim fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinom der Lunge, das sich in der Vergangenheit als sehr schwierig zu behandeln erwiesen hat. Prof. Dr. David Graham
 

In einer ersten Interimsanalyse zum Gesamtüberleben in der Studie ließ sich allerdings kein signifikanter Effekt der Kombination auf die Überlebenszeit nachweisen, berichtete Jotte. Nach dieser Analyse beträgt die mediane Überlebenszeit in der Kombinationsgruppe bislang 14 Monate und unter alleiniger Chemotherapie 13,9 Monate (HR: 0,96; p = 0,69). Nach einem Jahr waren in den beiden Gruppen noch 56 bzw. 57% der Patienten am Leben, nach 2 Jahren waren es unter der Kombination noch 32% und unter alleiniger Chemo 24%. „Wir werden dies weiter verfolgen“, kündigte Jotte an, eine weitere Analyse zum Gesamtüberleben sei noch 2018 geplant.

Nur 2 der 3 Therapiearme im Direktvergleich

Die Studie im Einzelnen: An IMpower131 nahmen 1.021 Patienten mit einem fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinom der Lunge teil (Stadium IV). Die Tumore wurden zwar auf die PD-L1 Expression getestet – doch dann unabhängig vom Ausgang der Testung in die Studie aufgenommen. Patienten mit EGFR- oder ALK-Genmutationen erhielten im Vorfeld eine zielgerichtete („targeted“) Therapie.

Insgesamt gab es 3 Therapie-Gruppen, auf die die Chemotherapie-naiven Patienten randomisiert wurden. In der Präsentation beim ASCO wurde allerdings nur der Vergleich von 2 der Gruppen vorgestellt:

  • Atezolizumab plus Chemotherapie (Carboplatin und nab-Paclitaxel) mit 343 Teilnehmern und

  • Chemotherapie allein (Carboplatin und nab-Paclitaxel) mit 340 Patienten.

Die dritte Gruppe hatte Atezolizumab mit einer leicht unterschiedlichen Chemotherapie erhalten (Carboplatin plus Paclitaxel) – Daten zu diesem Studienarm stellte Jotte jedoch nicht vor. In allen Armen erhielten die Patienten 4 bis 6 Therapiezyklen.

Wie Jotte sagte, ist dies die erste Phase-3-Studie, die eine Progressionsverzögerung bei Patienten mit fortgeschrittenem Plattenepithelkarzinom der Lunge unter einer Immuntherapie-Kombination gezeigt hat. Den primären Behandlungseffekt – die Verlängerung der medianen Zeit bis zur Progression von 5,6 auf 6,3 Monate – stufte er als „moderat“ ein – doch insgesamt habe sich gezeigt, dass die Patienten von der zusätzlichen Immuntherapie profitierten.

Die Rate an ernsten Nebenwirkungen (Grad 3 und 4) war unter der Kombination ebenfalls höher (68% vs 57%), doch sei das Nebenwirkungsprofil „beherrschbar“, so Jotte. Es seien keine bislang unbekannte Nebenwirkungen aufgetreten. Unter Atezolizumab sind bekannte unerwünschte Wirkungen vor allem Hautausschläge, Kolitis und niedrige Spiegel der Schilddrüsenhormone.

Wer hat am meisten profitiert? Tumor-Mutationslast wird geprüft

In einem nächsten Schritt wollen die Autoren nun untersuchen, welche Patienten in der Studie am meisten von der Kombination profitierten. Neben der PD-L1 Expression sollen auch andere Biomarker, etwa die Tumor-Mutationslast (TMB, Tumor Mutational Burden), daraufhin analysiert werden.

Die Zahl der Mutationen ist gerade für die Immuntherapie oft ein guter Response-Marker, erläuterte Prof. Dr. Christoffer Gebhardt, Leiter des Hauttumorzentrums am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), im Gespräch mit Medscape. So haben etwa Melanome, die vor allem UV-Licht induziert sind, in der Regel eine hohe Mutationslast und sprechen relativ gut auf eine Immuntherapie an. Eine höhere Mutationslast sei wahrscheinlich auch der Grund, warum etwa Bronchialkarzinome bei Rauchern oft besser auf die Therapie ansprechen als bei Nichtrauchern.

Atezolizumab hat derzeit die Zulassung für die Monotherapie bei lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Urothel- und nicht kleinzelligen Lungenkarzinomen (NSCLC) nach vorheriger Chemotherapie oder als Ersatz, wenn diese nicht möglich ist.

Erst in der vergangenen Woche hat, wie berichtet, das CHMP eine Beschränkung beim Einsatz von Atezolizumab (und Pembrolizumab) als Erstlinien-Therapie bei Urothelkarzinomen empfohlen, weil neue Daten darauf hindeuteten, dass diese bei einigen Patienten mit niedrigen PD-L1-Werten nicht so gut wirksam sind wie eine Chemotherapie.

In 2 aktuellen Studien war das Überleben reduziert, wenn Patienten mit niedrigen PD-L1-Werten in der Erstlinie mit einer der beiden Substanzen behandelt worden waren. Pembrolizumab und Atezolizumab sollen dementsprechend in der Erstlinie nun nur noch bei Patienten mit hohen PD-L1-Werten eingesetzt werden.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....