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Kinder, das juckt! Hautausschläge bei jungen Patienten sind manchmal schwierig zu diagnostizieren. Eine Anleitung von 2 Experten …

Dr. Charles P. Vega, Dr. Temitayo A Ogunleye

Interessenkonflikte

30. Mai 2018

In der hausärztlichen Praxis, beim Kinderarzt oder Dermatologen trifft man häufig auf junge Patienten mit den verschiedensten Hauterkrankungen, vor allem im Sommer, wenn auch Bisse und Stiche von Insekten die Ursachen von juckenden Rötungen sein können. Deshalb ist es interessant, sich noch einmal die Unterscheidungs-Merkmale der verschiedenen Krankheitsbilder bewusst zu machen.

Medscape sprach mit dem Hausarzt und Professor für Health Sciences und Family Medicine an der University of California in Irvine, Prof. Dr. Charles P. Vega und dem Dermatologen Prof. Dr. Temitayo A. Ogunleye, von der University of Pennsylvania Perelman School of Medicine in Philadelphia, Pennsylvania. Sie diskutieren mit Hilfe von 2 Fallgeschichten in diesem Experten-Gespräch, wie dermatologische Symptome in der Primär-Versorgung am besten diagnostiziert und behandelt werden können.

Vega: Obwohl das Thema virale Exantheme bei Kindern für viele Hausärzte und Pädiater ein vertrautes Thema ist, glaube ich, dass eine kleine Auffrischung immer gut tut: Auch aus Sicht der öffentlichen Gesundheit handelt es sich um ein wichtiges Thema, denn es geht hier um Infektionskrankheiten, von denen einige sehr gefährlich sein können. Deshalb sollten Ärzte sich darin auskennen.

Ich stelle eine kurze Fallgeschichte vor und übergebe dann an Sie, Tayo.

Ogunleye: Einverstanden.


Abbildung 1. Säugling mit Ausschlag.

Vega: Unser erster Fall handelt von einem fast 1-jährigen Mädchen, das seit 4 Tagen intermittierendes Fieber bis zu 39,2°C hatte und das auf Antipyretika ansprach. Das einzige weitere Symptom war eine seröse Rhinorrhö. Das Fieber war am Vortag zurückgegangen. Bei der Vorstellung hatte sie dann einen hellrosa makulopapulösen Ausschlag entwickelt, der auf ihrer Brust begann und sich nun auch an Hals und Armen zeigte. Ihre bisherige Krankengeschichte war im Wesentlichen unauffällig. Der Impfstatus war auf dem neuesten Stand, wobei die U6 mit den zugehörigen Impfungen noch ausstand.

Bei der körperlichen Untersuchung wirkte sie nicht krank, war fröhlich und verspielt. Außer dem Ausschlag fanden sich keine weiteren signifikanten Befunde bei der Untersuchung. Also, Tayo, was denken Sie, wenn Sie sich nur das Bild zu diesem Fall ansehen?

Ogunleye: Die beiden wichtigsten Differenzial-Diagnosen aus meiner Sicht sind ein Viren-Exanthem oder, wenn wir nicht die ganze Vorgeschichte kennen, ein Medikamenten-Exanthem. Es gibt ein paar Informationen, die uns noch zur weiteren Eingrenzung eines Viren-Exanthems fehlen. Ein wichtiger Faktor ist, dass sie ansonsten gesund aussieht und spielt. Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Beschreibung des Falles ist das hohe Fieber am Vortag, bevor sich der Ausschlag zeigte. All diese Dinge lassen mich an das Exanthema subitum bzw. das Dreitagefieber als mögliche Diagnose denken.

Vega: Das vom humanen Herpesvirus Typ 6 ausgelöste Dreitagefieber hat im Vergleich zu den Masern als der anderen differenzialdiagnostisch wichtigen Virus-Erkrankung die Tendenz zu einem gutartigen Verlauf. Viele von uns haben die Masern, die durch Impfung vermeidbar sind, vielleicht noch nie gesehen. Andererseits müssen wir durch die steigende Zahl von Impfverweigerungen jetzt wieder häufiger mit Ausbrüchen rechnen. Können Sie uns noch einmal die wichtigsten Unterschiede zwischen beiden Krankheiten erläutern?

Ogunleye: Das klassische klinische Bild beim Dreitagefieber ist ein Kind mit hohem Fieber, das nach dem Absinken des Fiebers einen Ausschlag entwickelt. Im Allgemeinen machen die Kinder keinen besonders kranken Eindruck, spielen und essen gut. Außer der Rhinorrhö und dem Fieber gibt es keine Symptome.

Im Gegensatz dazu sehen Patienten mit Masern eher krank aus. Typischerweise besteht die Krankheit bereits 3-4 Tage, bevor sich der Ausschlag entwickelt. Und die Patienten erscheinen in dieser Zeit immer noch krank. Bei Masern sind neben dem Fieber noch die drei Symptome Husten, Bindehaut-Entzündung und Schnupfen zu beachten (Abb. 2). Der Ausschlag beginnt in der Regel im Gesicht (Abb. 3) und schreitet dann innerhalb weniger Tage über den Hals voran und breitet sich dann über den gesamten Körper aus.


Abbildung 2. An Masern erkranktes Kind mit Rhinitis und Bindehaut-Entzündung (Abb. Medscape).


Abbildung 3. Makulopapulöses Exanthem bei Masern (mit freundlicher Genehmigung von DermNet NZ).

Vega: Die Schlüssel zur Diagnose sind also das allgemeine Wohlbefinden des Kindes und der Verlauf des Fiebers. Das Fieber im Rahmen der Masern wird wahrscheinlich noch mindestens ein paar Tage nach dem Auftreten des Ausschlages andauern. Während das Fieber beim Exanthema subitum in der Regel nur noch sehr leicht oder bereits ganz verschwunden ist, wenn der Ausschlag in Erscheinung tritt.

Des Weiteren ist eine gute oropharyngeale Untersuchung immer wichtig. Denn Koplik-Flecken, die als grauweiße Papeln mit eventuell erythematöser Basis an der Wangen-Schleimhaut auftauchen, sind für Masern pathognomonisch (Abb. 4). Wenn ich Koplik-Flecken finde, muss ich stets in Erfahrung bringen, wer noch betroffen sein könnte und das Gesundheitsamt informieren.


Abbildung 4. Koplik-Flecken (Abb. Medscape).

Ogunleye: Genau! Die Qualität des Ausschlags ist nicht unbedingt spezifisch. Aber das Wohlbefinden des Kindes, der Zeitpunkt des Fiebers und andere Ergebnisse können hilfreich sein.

Die letzte denkbare Differenzialdiagnose sind die Röteln (Abb. 5). Gelegentlich können diese Kinder am weichen Gaumen und an der Uvula unspezifische kleine Petechien aufweisen, weil auch die Schleimhaut im Sinne eines Enanthems betroffen ist. Dieser Befund ist jedoch nicht pathognomonisch für Röteln. Im Allgemeinen haben die Röteln einen kürzeren Verlauf, und der Ausschlag erscheint schneller. Beim klassischen Verlauf der Masern werden Sie erleben, dass der Ausschlag am 3.-4. Tag auftritt. Während er bei Röteln typischerweise bereits nach dem ersten Tag mit Symptomen auftritt.


Abbildung 5. Exanthematöse Eruption im Zusammenhang mit einer Röteln-Infektion (mit freundlicher Genehmigung von DermNet NZ).

Vega: Sie haben erwähnt, dass ein Medikamenten-Exanthem in Betracht gezogen werden sollte. Die Anamnese ist dabei das Wichtigste. In diesem Fall hatte das Kind lediglich fiebersenkende Mittel erhalten. Aber es ist gut, daran zu denken, dass diese Klinik nicht zwangsläufig nur durch eine Infektion hervorgerufen wird.

Aber lassen Sie uns weiter über das Thema Virus-Exantheme sprechen. Könnte es Ihre Interpretation der bisherigen Befunde ändern, wenn das Kind sehr hellrote Wangen aufweist?

Ogunleye: Auf jeden Fall! Das Erste, an das man dann denken sollte, wären die Ringelröteln bzw. das Erythema infectiosum, das früher auch als „fünfte Krankheit“ bezeichnet wurde. Die Ringelröteln werden durch das Parvo-Virus B19 verursacht. Solche Kinder wirken nicht krank, präsentieren sich aber mit einem nicht erhabenen, leuchtend roten oder rosigen Ausschlag auf den Wangen, der etwa 1-3 Tage andauert. Es folgt dann ein „girlandenförmiges“ Exanthem auf ihrem Körper (Abbildung 6).


Abbildung 6. Leuchtend rote Wangen (a) und retikulärer/girlandenförmiger Ausschlag (b) an den Streckseiten der Extremitäten bei Erythema infectiosum (mit freundlicher Genehmigung von DermNet NZ).

Vega: Serologisch ist etwa jedes fünfte Kind positiv auf das Parvo-Virus B19. Aber die Rate der Kinder, die dieses Krankheitsbild entwickeln, ist viel geringer. Die Erkrankung tritt in der Regel im Winter oder Frühjahr auf und in der Regel als Ausbruch. Wenn Sie also ein Kind mit Erythema infectiosum sehen, gibt es wahrscheinlich noch viel mehr Betroffene.

Schulkind mit vesikulärem Ausschlag

Vega: Kommen wir zum zweiten Fall. Dabei handelt es sich um ein 6-jähriges Mädchen mit leichtem Fieber und Unwohlsein seit 2 Tagen. Am Tag des Praxisbesuchs hatte sie einen Ausschlag im Gesicht entwickelt, der aus Vesikeln auf einer erythematösen Basis bestand. Wir alle haben ein Bild vor Augen, wenn wir „Vesikel auf erythematöser Basis“ hören. Ich sehe nicht mehr viel Varizellen, aber meine erste Frage galt dem Impfstatus. Es stellte sich heraus, dass die Eltern diesem Kind die Impfung aus persönlichen Gründen vorenthalten haben. Ansonsten war das Kind gesund (Abb. 7).


Abbildung 7. Typisches Bild bei Varizellen (Windpocken; mit freundlicher Genehmigung von DermNet NZ).

Aber nicht bei jedem vesikulären Ausschlag sind es die Windpocken. Also, welche Differenzialdiagnosen gibt es für dieses 6-jährige Mädchen noch?

Ogunleye: Auch ich sehe heute auch nicht mehr oft Patienten mit Varizellen. Es gibt mehrere wichtige Dinge, die bei der Beurteilung dieses Kindes zu beachten sind. Hat sie noch andere Symptome, vor allem Juckreiz? War sie in der freien Natur unterwegs? Dann würde ich vielleicht in Richtung einer bullösen oder klassischen Reaktion auf Arthropoden-Bisse denken (Läuse, Flöhe, Wanzen, Milben usw.; Abbildung 8).


Abbildung 8. Bullöse Reaktion auf Arthropoden-Bisse. Man beachte, dass diese Läsionen in der Regel größer und weniger diffus verteilt sind als die Varizellen (mit freundlicher Genehmigung von DermNet NZ).

Wie sieht es mit ihrer Vorgeschichte aus? Gibt es anamnestische Zeichen für Ekzeme, die ein Hinweis auf ein Eczema herpeticatum sein könnten? (Abb. 9)?


Abbildung 9. Eczema herpeticatum. Man beachte die ausgestanzten Läsionen an den ekzematösen Stellen, welche diese von Varizellen unterscheiden (mit freundlicher Genehmigung von DermNet NZ).

Schließlich ist es wichtig, sich bei einem vesikulären Ausschlag das Verteilungsmuster sorgfältig anzuschauen. So kann etwa die Hand-Fuß-Mund-Krankheit Bläschen ausbilden, doch ist das Verteilungsmuster dabei dem Namen entsprechend ein ganz anderes als bei dem Kind aus unserem Beispiel.

Vega: In diesem Fall begann der Ausschlag im Gesicht und breitete sich dann aus. Bei der Hand-Fuß-Mund-Krankheit, die durch das Coxsackie-Virus verursacht wird, beginnt der Hautausschlag meist an der Handfläche und/oder an den Fußsohlen. Dann breitet er sich auf den Oropharynx aus. Das Prodromalstadium ist gewöhnlich durch leichtes Fieber und Unwohlsein gekennzeichnet. Eigentlich erinnert mich das sehr an Varizellen. Also, wie gesagt, es geht um die Verteilung, aber auch die Art der Läsionen.


Abbildung 10. Beteiligung von Hand (a), Fuß (b) und Mund (c) bei der Hand-Fuß-Mund-Krankheit (mit freundlicher Genehmigung von DermNet NZ).

Ogunleye: Bei Varizellen sieht man meist Läsionen in verschiedenen Stadien, wobei papulöse, vesikuläre und verkrustete Läsionen gleichzeitig erkennbar sind. Das galt als einer der wichtigsten Befunde zur Unterscheidung zwischen Varizellen und Pocken, als diese lebensbedrohliche Krankheit noch ein Thema war.

Vega: Lassen Sie mich noch einmal kurz auf die beiden anderen von Ihnen erwähnten Differenzialdiagnosen zurückkommen: Arthropoden-Bisse und Ekzeme. In den meisten Fällen von Varizellen, die ich gesehen habe, sind die Läsionen bereits ziemlich weit verbreitet. Sieht man das bei Arthropoden-Bissen oder Ekzemen auch so?

Ogunleye: Das kommt darauf an. In den meisten Fällen einer sehr diffusen Arthropoden-Eruption (Abb. 11) wissen die Eltern, dass ihr Kind draußen gespielt hat und etwa mit Ameisen, Flöhen von einem Haustier oder in einem sumpfigen Gebiet mit vielen Mücken in Kontakt waren.


Abbildung 11. Multiple Arthropoden-Bisse (mit freundlicher Genehmigung von DermNet NZ).

Es ist ungewöhnlich, dass jemand mit Arthropoden-Bissen hereinkommt und nicht in der Lage ist, eine Beschreibung der Tierchen zu liefern, außer vielleicht im Falle von Bettwanzen. Das Eczema herpeticatum verursacht oft eine konzentriertere Verteilung. Wenn also der Patient ein Ekzem im Gesicht hat, wie es bei vielen Kindern vorkommt, dann entwickelt sich das Eczema herpeticatum eben gerade im Gesicht.

Vega: Meine Patienten schieben viele Hautveränderungen auf Arthropoden-Bisse. Aber ich muss da die Insekten- und Spinnentierwelt ein wenig in Schutz nehmen. Denn ich glaube, dass sie zu oft für Dinge verantwortlich gemacht werden, bei denen es sich eigentlich um eine Kontaktdermatitis oder eine der vielen anderen Ursachen für Haut-Erscheinungen handelt. Aber es ist wichtig, sich diese große Diskrepanz vor Augen zu führen. Vielen Dank, Tayo, für dieses aufschlussreiche Gespräch.

 

Kommentar

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