Erfurt – Etwas ganz Neues sei entstanden, sagte Dr. Franz Bartmann, Vorsitzender des Weiterbildungsgremiums der Bundesärztekammer (BÄK), auf dem 121. Deutschen Ärztetag in Erfurt, als er den 250 Delegierten die Novellierung der Muster-Weiterbildungsordnung (MWBO) vorstellte [1]. „Was wir heute beschließen, müssen wir nun den Assistenten vor Ort und den Weiterbildern weitergeben“, sagte Bartmann.
Seit dem Ärztetag in Nürnberg haben sich der Ausschussvorsitzende Bartmann und die Bundesärztekammer, die Landesärztekammern unter Beteiligung von Fachgesellschaften, Berufsverbänden und anderen ärztlichen Organisationen nun 6 Jahre lang über die neue MWBO gebeugt.
Die ur-ärztliche Haltung ist gefragt
Die Väter der Reform haben die ur-ärztlichen Werte mit in die Präambel der Reform-WBO aufgenommen: „Im Interesse der Patienten werden die in der Ausbildung geprägten ärztlichen Kompetenzen und Haltungen während der Weiterbildung vertieft“, heißt es da. Damit zieht ein neuer Ton in die Weiterbildungsordnung ein.
Ein bisher wesentlicher Parameter der Weiterbildung dagegen soll abgeschafft werden – die Beurteilung der Qualität nach Zeiten. Künftig soll nicht mehr protokolliert werden, wie lange oder wie oft ein Weiterbildungsinhalt vollzogen wurde, sondern in welcher Qualität. „Die Kernfrage lautet nicht mehr, wie oft und in welcher Zeit wurden Inhalte erbracht, sondern wie und in welcher Form werden Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erworben“, sagte Bartmann.
In diesen Kategorien bekommen die Assistenten künftig ihr Know-how bescheinigt – in Inhalten, die sie beschreiben können sollen und in Inhalten, die sie korrekt beschreiben und systematisch einordnen können sollen, außerdem für Fertigkeiten, die sie entweder unter Supervision oder eigenständig durchführen können.
Darüber hinaus haben die Delegierten über übergreifenden Kompetenzen entschieden, die jede Ärztin und jeder Arzt erwerben muss – wenn auch je nach Fachgebiet unterschiedlich. Hier geht es um die ärztliche Haltung und Rolle, Gesprächsführung, Genderaspekte, Betreuung von Menschen mit Behinderungen, Managementaufgaben, um die interkollegiale und die interprofessionelle Zusammenarbeit.
Im vergangenen Jahr hatte der 120. Deutsche Ärztetag in Freiburg bereits über die Facharzt- und Schwerpunktkompetenzen, die Titel, Gebietsdefinitionen und Weiterbildungszeiten entschieden. Blieben die Zusatz-Weiterbildungen.
Die Delegierten beschlossen nun in Erfurt, welche Zusatz-Weiterbildungen es künftig geben soll (Abschnitt C der Muster-Weiterbildungsordnung). Zur Abstimmung standen 68 Bezeichnungen, davon waren 21 erstmals aufgenommen. Gleichwohl blieb die MWBO unfertig. Denn zwar wurde darüber entschieden, welche Zusatz-Weiterbildungen es in die MWBO geschafft haben. Zum Beispiel die Immunologie, Transplantationsmedizin oder die Krankenhaushygiene.
Allerdings entschieden die Abgeordneten nicht aber über deren Inhalt. Vorstand und Weiterbildungsgremium der BÄK sollen dies zusammen mit den Fachgesellschaften nachholen. Gar nicht erst aufgenommen wurden etwa die Sexualmedizin, Chinesische Medizin oder die spezielle Sozialpädiatrie.
Elektronisches Logbuch verzeichnet Lernfortschritt
Ein Kernstück der Reform dürfte das elektronische Logbuch sein, das über die Weiterbildung der Assistenten geführt wird. „Ein Papierlogbuch würde am Schluss mehr als 1.000 Seiten haben“, sagte Bartmann. „Deshalb brauchen wir das elektronische Logbuch.“
Allerdings soll es einheitlich auf Bundesebene geführt werden, weil die einzelnen Ärztekammern sehr unterschiedlich mit IT ausgestattet sind. Mit der zentralen Lösung müsse dann nur für funktionierende Schnittstellen zu den Landes-Ärztekammern gesorgt werden. Welche Software für das Logbuch schließlich genutzt werden soll, will der BÄK-Vorstand nach einer Europa-weiten Ausschreibung im Juni entscheiden.
Fast 6 Stunden und mehr als 50 Anträge lang debattierten die Delegierten des Ärztetages die MWBO. Dabei beschlossen sie z.B., dass die Zusatz-Weiterbildung Palliativmedizin berufsbegleitend absolviert werden kann (Antrag VII-72). „Niemand wird mehr Hausarzt, wenn das nicht möglich ist!“, erklärte ein Redner. „Beschneiden Sie den Hausarzt nicht noch mehr, sonst kippt uns die Versorgung weg!“
Die beschlossene Regelung bedeutet nun zwar, dass z.B. Hausärzte diese Zusatzbezeichnung parallel zum Praxisbetrieb erwerben können. Aber sie bedeutet auch, dass die ursprünglich zusätzlich vorgesehene 6-monatige hauptberufliche Ausbildungszeit wegfällt und damit die Tiefe der Ausbildung leidet.
Auch die Phlebologie bleibt – anders als vorgesehen – als Zusatz-Weiterbildung erhalten. Die Durchsetzung dieser Forderung war offenbar unter den Verfechtern abgesprochen. Allein 7 Anträge forderten den Erhalt, beziehungsweise die berufsbegleitende Weiterbildung in Phlebologie. Alle 7 wurden schließlich angenommen, z.B. Antrag VII-21.
5 Niedersächsische Abgeordnete forderten, die berufsbegleitende Weiterbildung Psychotherapie – auch sie erhielten Zustimmung (Antrag VIII-56). Auch die Verfechter der speziellen Viszeralchirurgie konnten sich durchsetzen (Antrag VIII-50). Schließlich beschlossen die Delegierten die Novellierung der (Muster-)Weiterbildungsordnung (Antrag VIII-13).
Allerdings ist der Prozess der Novellierung nicht abgeschlossen. So bemängelt der Beschlussantrag, dass trotz der neuen Regelung an vielen Stellen immer noch Zeiten und Richtzahlen als Kriterium festgeschrieben sind.
Dies zeige, „dass hier der neue Weg nicht komplett durchgehalten wurde“, heißt es in der Begründung zu dem Antrag. „Die Bundesärztekammer und die Landesärztekammern werden daher aufgefordert, in den nächsten 2 Jahren die Zeiten sowie Richtzahlen auf ihre didaktische und versorgungsrelevante Notwendigkeit bzw. Evidenz zu überprüfen und im weiteren Prozess zugunsten des nun möglichen echten Kompetenznachweises auf das wirklich didaktisch notwendige Maß zu reduzieren und dem medizinischen Fortschritt anzupassen.“
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Diesen Artikel so zitieren: Besinnung auf ur-ärztliche Haltung: Ärztetag beschließt eine neue Muster-Weiterbildungsordnung - Medscape - 28. Mai 2018.
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