Cochrane Review zur HPV-Impfung: „Wer Vorbehalte hatte, sollte diese nun über Bord werfen“

Anke Brodmerkel

Interessenkonflikte

18. Mai 2018

Rund 70% aller Fälle von Gebärmutterhalskrebs werden durch humane Papillomviren des Typs HPV16 und HPV18 verursacht, die überwiegend beim Geschlechtsverkehr übertragen werden. Lassen sich Mädchen und junge Frauen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren zumindest gegen diese beiden Virentypen impfen, sind sie mit hoher Gewissheit vor Krebsvorstufen geschützt. Zu diesem Ergebnis ist jetzt ein in der Cochrane Library veröffentlichtes Review gekommen, in das die Daten von mehr als 73.000 Studienteilnehmerinnen eingeflossen sind [1].

Keine Hinweise auf schwere Nebenwirkungen

Der schützende Effekt sei größer gewesen bei Mädchen und jungen Frauen, die vor der Impfung noch nie mit einem der beiden Hochrisiko-Virentypen infiziert worden seien, schreiben die Cochrane-Forscher um Dr. Marc Arbyn von der Abteilung für Krebsepidemiologie am belgischen Krebszentrum Sciensano in Brüssel. Zudem sei die Impfung sehr sicher, man habe keinerlei Hinweise auf schwere Nebenwirkungen gefunden, berichten die Wissenschaftler.

In welchem Ausmaß sich mit der HPV-Vakzine Fälle eines echten Zervixkarzinoms ­– und nicht nur von den Krebsvorstufen – verhindern lassen, konnten Arbyn und sein Team allerdings nicht ermitteln. Dazu war die Beobachtungszeit der analysierten Studien bislang zu kurz. Bei der Impfung werden Proteine der Virenhüllen in den Oberarmmuskel gespritzt, die die Produktion von Antikörpern anregen und so vor zukünftigen HPV-Infektionen schützen sollen.

Ausschließlich placebokontrollierte Studien berücksichtigt

„Dieses Cochrane-Review bestätigt die hohe Effektivität und Sicherheit der Impfung gegen humane Papillomviren“, kommentiert Dr. Andreas Kaufmann, Leiter der Arbeitsgruppe Gynäkologische Tumorimmunologie an der Klinik für Gynäkologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin.

Alle Cochrane-Reviews seien hochrangige Auswertungen von veröffentlichten Daten, die eine Übersicht über die verfügbare Evidenz zu einem Thema generierten. Arbyn und seine Kollegen hätten in ihrer Arbeit sämtliche hochrangigen und qualitativ sehr gut durchgeführten Studien zusammengefasst, in denen der HPV-Impfstoff mit einem Placebo verglichen worden sei.

 
Die Impfung ist sehr effektiv und sehr sicher. Prof. Dr. Karl Ulrich Petry
 

„Cochrane-Reviews sind eigentlich immer nützlich“, sagt auch Prof. Dr. Karl Ulrich Petry, Chefarzt der Frauenklinik am Klinikum Wolfsburg. Die aktuelle Übersichtsarbeit zur HPV-Impfung bestätige, was sich bereits in den vergangenen Jahren in Studien abgezeichnet habe: „Die Impfung ist sehr effektiv und sehr sicher.“ Petry geht sogar noch einen Schritt weiter. „Gegen HPV zu impfen, erweist sich als besser als all das, was sich selbst die kühnsten Befürworter der Impfung vorgestellt hatten“, sagt der Gynäkologe. „Wer Vorbehalte hatte gegenüber der HPV-Impfung, sollte diese nun über Bord werfen.“

Ernste Nebenwirkungen seien von der Impfung nicht zu erwarten, betont Petry. Das hätten insbesondere Langzeitdaten aus den skandinavischen Impfregistern gezeigt. „Geimpfte bekommen lediglich etwas häufiger erhöhte Temperatur oder haben typische Lokalreaktionen – also zum Beispiel, dass die Einstichstelle etwas gerötet ist oder man das Gefühl eines Muskelkaters hat für ein, zwei Tage.“ Doch das sei nicht schlimm und vergehe wieder.

Die besten Ergebnisse bei Frauen, die noch nie mit HPV infiziert waren

Arbyn und seine Kollegen von der Cochrane Gynaecological, Neurooncology and Orphan Cancer Group berücksichtigten für ihre Analyse 26 Studien mit insgesamt 73.428 jugendlichen Mädchen und Frauen. Alle Studien bewerteten die Impfstoffsicherheit über einen Zeitraum von 0,5 bis 7 Jahren. 10 der Untersuchungen mit einer Nachbeobachtungszeit zwischen 3,5 und 8 Jahren ermittelten den Schutz vor Krebsvorstufen.

Ob Gebärmutterhalskrebs auftrat, wurde wegen der langen Entwicklungszeit solcher Tumoren nicht als Studienendpunkt erfasst. Die meisten Teilnehmerinnen waren jünger als 26 Jahre. An 3 Studien nahmen Frauen zwischen 25 und 45 Jahren teil. Sämtliche Studien verglichen den HPV-Impfstoff mit einer Scheinvakzine.

 
Gegen HPV zu impfen, erweist sich als besser als all das, was sich selbst die kühnsten Befürworter der Impfung vorgestellt hatten. Prof. Dr. Karl Ulrich Petry
 

Wie die Forscher berichten, konnte die HPV-Impfung bei Mädchen und jungen Frauen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren, die sich noch nie mit Papillomviren infiziert hatten, das Risiko für eine mit HPV 16 oder HPV 18 assoziierte Krebsvorstufe von 164 auf 2 pro 10.000 Frauen senken. Zudem verminderte sie das Risiko für jegliche Arten von Vorstufen eines Zervixkarzinoms von 287 auf 106 pro 10.000 Frauen. Die Qualität der Evidenz bezeichnen die Forscher um Arbyn als hoch.

Als nächstes wurden diejenigen Mädchen und jungen Frauen analysiert, die sich zwar schon einmal mit Papillomviren, nicht aber mit den Hochrisiko-Virentypen HPV 16 oder 18 angesteckt hatten. Bei ihnen wirkten sich die HPV-Impfstoffe je nach Altersgruppe unterschiedlich aus. Bei jüngeren Frauen bis 25 Jahren reduzierten sie das Risiko für eine mit HPV 16 oder 18 assoziierte Krebsvorstufe von 113 auf 6 pro 10.000 Frauen. Das Risiko für jegliche Arten von Krebsvorstufen senkten sie von 231 auf 95 pro 10.000 Frauen.

Auch hier bewerten die Forscher die Qualität der Evidenz als hoch. Bei Frauen, die älter als 25 Jahre waren, reduzierten die Impfstoffe die Anzahl der Frauen mit HPV 16/18-assoziierten Krebsvorstufen von 45 auf 14 pro 10.000. Die Qualität der Evidenz wird in diesem Fall als moderat angegeben.

Bei Frauen über 25 Jahren ist der Effekt der HPV-Impfung am geringsten

Schließlich analysierten die Forscher noch alle Studienteilnehmerinnen – unabhängig davon, ob sie schon einmal mit HPV infiziert gewesen waren oder nicht. Dieser Teil der Untersuchung schloss somit auch all jene Mädchen und jungen Frauen ein, bei denen der Infektionsstatus unbekannt war.

 
Wer Vorbehalte hatte gegenüber der HPV-Impfung, sollte diese nun über Bord werfen. Prof. Dr. Karl Ulrich Petry
 

Auch hier war der Effekt der Vakzine wieder altersabhängig. Wurde die HPV-Impfung zwischen 15 und 26 Jahren durchgeführt, verminderte sie das Risiko für HPV16/18-assoziierte Krebsvorstufen von 341 auf 157 pro 10.000 Frauen und für jegliche Arten von Vorstufen von 559 auf 391 pro 10.000. In beiden Fällen wird die Qualität der Evidenz als hoch bezeichnet.

Bei älteren Frauen, die zwischen 25 und 45 Jahren geimpft worden waren, war die Wirkung des HPV-Impfstoffs geringer. Dies könnte auf einen früheren Kontakt mit HPV zurückzuführen sein, mutmaßen die Forscher. Das Risiko für HPV16/18-assoziierte Krebsvorstufen werde wahrscheinlich von 145 auf 107 pro 10.000 Frauen vermindert, heißt es in einer Pressemitteilung von Cochrane.

Das Risiko für jegliche Arten von Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs sei zwischen nicht geimpften und geimpften Frauen wahrscheinlich ähnlich (343 versus 356 pro 10.000). Die Qualität der Evidenz ist den Forschern zufolge jeweils nur moderat.

Offenbar kein Einfluss auf die Rate an Fehlgeburten

Das Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen war in den Interventions- und Kontrollgruppen ähnlich. Demnach erhöhen HPV-Impfstoffe weder das Risiko für eine Fehlgeburt noch für einen Schwangerschaftsabbruch. Allerdings habe man nicht genug Daten, um bezüglich des Risikos für Totgeburten und Neugeborene mit Fehlbildungen sicher zu sein, heißt es in der Pressemitteilung weiter.

Todesfälle traten bei 14 pro 10.000 Frauen in den Interventionsgruppen und 11 pro 10.000 Frauen in den Kontrollgruppen auf. Die Sterblichkeit war bei älteren Frauen größer als bei jüngeren. Die Forscher konnten allerdings kein Muster bezüglich der Todesursache oder des Todeszeitpunktes feststellen. Im Hinblick auf die Sterblichkeit wird die Qualität der Evidenz als niedrig eingestuft.

Impfquote in Deutschland aktuell bei etwa 50%

Hierzulande wird die HPV-Impfung von der Ständigen Impfkommission (Stiko) für alle Mädchen und jungen Frauen im Alter zwischen 9 und 14 Jahren mit zwei Impfdosen und zwischen 15 und 17 Jahren mit drei Impfdosen empfohlen.

„Die Impfquoten in Deutschland betragen aber nur etwa 50 Prozent und der Impfzeitpunkt liegt eher im Alter über 14 Jahre, was die Effektivität der Impfung beeinträchtigt und die Kosten erhöht“, bedauert der Charité-Mediziner Kaufmann.

„In einer 2012/13 vom Robert Koch-Institut durchgeführten Online-Befragung unter jungen Frauen mit Wohnsitz in Deutschland im Alter von 18 bis 25 Jahren gaben ungeimpfte Frauen als häufigsten Grund für eine Nicht-Impfung Sicherheitsbedenken und Angst vor Nebenwirkungen an“, berichtet Dr. Thomas Harder vom Fachgebiet Impfprävention des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin.

Für jene Frauen, die sich allerdings für die Impfung entschieden haben und sich auch gegen HPV haben impfen lassen, war der wichtigste Faktor die aktive Empfehlung durch den behandelnden Arzt beziehungsweise die behandelnde Ärztin.“

Ärzte sollten die Impfung aktiv anbieten, zum Beispiel im Rahmen der J1

Harder empfiehlt Ärzten daher, Sicherheitsbedenken gegenüber der HPV-Impfung bei den Mädchen und deren Eltern anzusprechen und den entsprechenden Altersgruppen die Impfung auch aktiv anzubieten. „Da die HPV-Impfung für Mädchen im Alter von 9 bis 14 Jahren empfohlen ist, bietet sich – sofern die Impfung nicht schon früher erfolgt ist – insbesondere die J1-Vorsorgeuntersuchung zur Information beziehungsweise Impfung gegen HPV an“, sagt der RKI-Experte.

 
Zur Information beziehungsweise Impfung gegen HPV bietet sich besonders die J1-Vorsorgeuntersuchung an. Dr. Thomas Harder
 

Um möglichst hohe HPV-Impfquoten zu erzielen, sei zudem zu erwägen, deutschlandweit Schulimpfprogramme einzurichten, um möglichst auch jene Kinder zu erreichen, die im Alter von 9 bis 14 Jahren keinen Arzt besucht oder nicht an der J1-Untersuchung teilgenommen hätten oder denen vom Arzt die HPV-Impfung bisher nicht angeboten worden sei, so Harder. Schulimpf-Programme existierten beispielsweise in Australien, Kanada und Großbritannien – und führten dort in der Regel zu hohen Impfquoten von mehr als 70%.

 

Kommentar

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