Bevor der Zug abgefahren ist – Ärztetag erlaubt Fernbehandlung

Christian Beneker

Interessenkonflikte

14. Mai 2018

Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery

Erfurt – Wie weit sich Ärzte zukünftig in die digitale Patientenberatung und Diagnostik vorwagen dürfen, darüber beschloss der 121. Deutsche Ärztetag: ein wenig [1]. Allerdings stimmten die Delegierten offenbar nicht aus Neigung dem entsprechenden Antrag zu, sondern auf den Druck von außen, wie die Aussprache zur Reform des Fernbehandlungsverbotes zeigte. Kurz: Wenn die Ärzte nicht auch online beraten und behandeln, dann tun es andere. „Wir haben viel zu spät gehandelt“, sagte BÄK-Präsident Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery. „Jetzt versuchen wir, die verlorene Zeit wieder einzuholen.“

So beschlossen die Delegierten, das Fernbehandlungsverbot der Musterberufsordnung zu lockern. Danach ist nun eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien (z.B. Telefon oder PC) im Einzelfall erlaubt. Vorausgesetzt, sie ist ärztlich vertretbar und die ärztliche Sorgfalt bleibt gewahrt. Der Arzt fällt die letzte Entscheidung über die Fernbehandlung.

 
Wir haben viel zu spät gehandelt. Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery
 

Außerdem muss er die Patientinnen und Patienten über die Besonderheiten der Online-Konsultation aufklären. Krankschreibungen oder Rezepte indessen dürfen nicht fernmündlich oder online ausgestellt werden, wie die Delegierten mit dem Beschluss IV-03 unterstrichen. Die neue Regelung wird als Unterstützung des persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts verstanden, der Goldstandard bleiben soll. Das betonten die Delegierten auf dem Ärztetag in zahlreichen Wortmeldungen.

Fernbehandlung nur innerhalb bestehender Versorgungsstrukturen

Der Hausarzt und Delegierte Dr. Thomas Stiller aus Göttingen erklärte. „Die Fernbehandlung darf nur in bestehende Versorgungsstrukturen eingebunden werden.“ „Andernfalls würde eine weitere Versorgungssäule mit vollkommerziellen Call-Centern nach dem Modell des Schweizer Fernbehandlungsangebotes „Medgate“ entstehen.“

Mit dieser Meinung setzt sich der Ärztetag deutlich ab von der Haltung etwa der BARMER-Ersatzkasse zu einer 3. Versorgungssäule. Die Fernbehandlung „eröffnet große Chancen für eine weitere Säule der Versorgung“, äußerte sich etwa Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER, in einer Reaktion auf den Ärztetags-Beschluss. In dem Antrag IV-09 sprachen sich die Delegierten aber dafür aus, die Fernbehandlung im vertragsärztlichen Sektor zu halten.

 
Ernstlich Erkrankten und chronisch kranken Patienten bringt sie (die Online-Konsultation) nichts! Ein Diskussionsteilnehmer
 

Deutlich formulierten die Delegierten auch ihre Vorbehalte des rein telefonischen oder Video-Kontaktes zu ihren Patienten. Manche wollten die Lockerung des Verbotes nicht beschließen, sondern weiter diskutieren. Sie bezweifeln, dass Patienten das Angebot überhaupt annehmen werden. Bei bestehenden Projekten wie etwa „Patientus“ gebe es viele technische Problem und eine geringes Patientenaufkommen, hieß es.

Eine Video-Sprechstunde löse „keine Versorgungsprobleme sondern nur Komfortprobleme“, so eine weitere Stimme aus dem Plenum. Zudem diene die Online-Konsultation nur den jungen und weitgehend gesunden Patienten, hieß es. „Ernstlich Erkrankten und chronisch kranken Patienten bringt sie nichts!“ Zudem würde den überdies belasteten Ärzten die Zeit fehlen, auch noch Video-Konsultationen anzubieten.

Der Deutsche Hausärzte-Verband begrüßte die Entscheidung des Ärztetages. Er könne „ein Element einer dringend notwendigen Digitalisierungsoffensive im deutschen Gesundheitswesen sein“, so der Verband in einer Stellungnahme. Allerdings dürfe die Diskussion nicht davon ablenken, dass die sprechende Medizin besser zu vergüten sei.

Vergütung „lächerlich“?

Die Frage der Honorierung von Fernbehandlungsangeboten erörterten die Delegierten des Ärztetages naturgemäß nicht. Allerdings gilt derzeit die Regelung des E-Health Gesetzes. Danach wird die Video-Sprechstunde mit einem Technikzuschlag von 4,21 Euro vergütet. Darauf haben sich der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) schon 2017 im Bewertungsausschuss geeinigt.

 
Es ist an uns, es besser zu machen als ein Call-Center und sensibel zu entscheiden, wann wir die Patienten sehen müssen. Dr. Christoph von Ascheraden
 

Allerdings ist das Ganze gedeckelt – und zwar auf 50 Anwendungen im Quartal. Das sind rund 210 Euro. Eine Vergütung, die der Delegierte Dr. Gisbert Vogt aus Niedersachsen auf dem Ärztetag schlicht „lächerlich“ nannte.

Die KBV weist noch darauf hin, dass Video-Sprechstunden eine persönliche Vorstellung in der Praxis ersetzen sollen. Die Konsultation sei deshalb Inhalt der Versicherten- beziehungsweise Grundpauschale und somit nicht gesondert berechnungsfähig. Für Fälle, bei denen der Patient in einem Quartal nicht die Praxis aufsucht, wurde eine analoge Regelung zum telefonischen Arzt-Patienten-Kontakt vereinbart: Seit dem 1. April können Ärzte einmal pro Behandlungsfall 9,27 Euro erhalten.

Voraussetzung ist, dass der Patient in den vorangegangenen 2 Quartalen mindestens einmal persönlich in der Praxis war und die Verlaufskontrolle durch dieselbe Praxis erfolgt wie die Erstbegutachtung. Diese Vorgabe war laut KBV notwendig, weil Ärzte sonst gegen das Fernbehandlungsverbot verstoßen hätten. Das hat sich allerdings nun geändert – vorausgesetzt die Landesärztekammern übernehmen den Beschluss des Ärztetages. .

Geld ist mit der Telemedizin derzeit demnach nicht zu verdienen – zumindest nicht für die Ärzte. Aber mit der nun beschlossenen Regelung habe die Ärzteschaft das Heft des Handelns in die Hand genommen, hieß es. „Die Patienten haben jetzt die Wahl, an welchen Anbieter sie sich wenden wollen, sagte Dr. Christoph von Ascheraden. „Und es ist an uns, es besser zu machen als ein Call-Center und sensibel zu entscheiden, wann wir die Patienten sehen müssen.“

 

Kommentar

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