Blaues Licht in der Nacht – erhöhtes Risiko für Brust- und Prostatakrebs? Fall-Kontrollstudie findet Assoziation

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

11. Mai 2018

Firmen setzen im Bereich der Außenwerbung sowie bei der innerstädtischen Beleuchtung Leuchtdioden (LEDs) mit Blauanteilen im Spektrum ein. Doch: Die nächtliche Exposition mit blauem Licht steht mit einem 1,5-fach erhöhten Mammakarzinom- und einem 2-fach erhöhten Prostatakarzinom-Risiko in Verbindung. So das Ergebnis einer Fall-Kontroll-Studie, über die Dr. Ariadna Garcia-Saenz vom ISGlobal (Barcelona Institute for Global Health), Barcelona, in einer Publikation berichtet [1].

„Die Internationale Agentur für Krebsforschung IARC der WHO hat bereits früher Nacht-Schichtarbeit als wahrscheinlich karzinogen für den Menschen eingestuft“, erinnert Coautor Dr. Manolis Kogevinas von ISGlobal in einer Meldung. Diese sei in Gruppe 2A gemäß IARC-Klassifikation zu finden. Darüber befindet sich nur noch Gruppe 1 („krebserregend für den Menschen“).

Kogevinas ergänzt: „Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen nächtlichem künstlichem Licht, Störungen im zirkadianen Rhythmus und Brust- sowie Prostatakrebs sind bereits länger bekannt.“ Andere Wissenschaftler fanden Assoziationen zwischen Schichtarbeit und Typ-2-Diabetes bzw. kardiovaskulären Erkrankungen, wie Medscape berichtet hat. Welchen Einfluss die nächtliche Lichtexposition selbst hat, war bislang unbekannt.

Blaues Licht als mögliches Krebsrisiko

Jetzt hat Garcia-Saenz Daten von mehr als 4.000 Teilnehmern im Alter von 20 und 85 Jahren aus 11 spanischen Regionen analysiert. Die Exposition von Innenräumen mit künstlichem Licht beim Schlafen wurde über Fragebögen erfasst, während die künstliche Beleuchtung im Freien anhand von Nachtaufnahmen der Astronauten an Bord der Internationalen Raumstation ISS für Madrid und Barcelona ausgewertet wurde.

 
Wir vermuten, dass LED-Leuchten den 24-Stunden-Zyklus des Körpers stören können, … der wiederum Hormone beeinflusst. Dr. Ariadna Garcia-Saenz
 

„Derzeit sind die Aufnahmen der Astronauten auf der Raumstation die einzige Möglichkeit, die Farbe der Außenbeleuchtung und die Verbreitung von Blaulicht emittierenden weißen LEDs in unseren Städten zu bestimmen“, kommentiert Dr. Alejandro Sánchez de Miguel. Er forscht am Instituto de Astrofísica de Andalucía (IAA) – Consejo Superior de Investigaciones Científicas (CSIC), Granada. Blaue LEDs werden als energiesparende Variante immer häufiger eingesetzt. Gleichzeitig erfassten Forscher in ihrer Kohorte Risiken wie Nikotin- oder Alkoholkonsum, einen erhöhten Body-Mass-Index (BMI) bzw. Krebserkrankungen in der Familie.

Die Forscher verglichen 1.219 Brustkrebsfälle zwischen 2008 und 2013 mit 1.385 Kontrollen und 623 Prostatakrebsfälle mit 879 Kontrollen. Für Madrid und Barcelona ergab sich bei nächtlicher Exposition mit blauem Licht eine Assoziation mit einem rund 1,5- bzw. 2-fach höheren Risiko für Brust- bzw. Prostatakrebs. Garcia-Saenz verglich dabei Daten von Probanden im höchsten und niedrigsten Tertil der Lichtexposition. Andere Lichtfarben führten zu keinen statistisch signifikanten Unterschieden hinsichtlich der untersuchten Krebserkrankungen.

Stärken und Schwächen der Studie

Über die genauen Mechanismen lassen sich nur Vermutungen aufstellen. „Es ist wenig darüber bekannt, wie sich Umweltfaktoren auf Brust- und Prostatakrebs auswirken“, konstatiert die Erstautorin. „Wir vermuten, dass LED-Leuchten den 24-Stunden-Zyklus des Körpers stören können, der als zirkadianer Rhythmus bekannt ist, der wiederum Hormone beeinflusst.“

Sowohl Brust- als auch Prostatakrebs sind hormonell beeinflusst. Dr. Martin Aubé vom Département de physique, Cégep de Sherbrooke, Kanada, ergänzt: „Wir wissen, dass künstliches Licht, insbesondere im blauen Spektrum, abhängig von seiner Intensität und Wellenlänge die Melatonin-Produktion und -sekretion verringern kann.“  

 
Angesichts der Allgegenwärtigkeit von künstlichem Licht in der Nacht ist es ein Problem der öffentlichen Gesundheit, zu bestimmen, ob das Krebsrisiko steigt oder nicht. Dr. Ariadna Garcia-Saenz
 

Die Studie zeigt zwar Assoziationen, aber keine Kausalitäten auf. Stärken der Arbeit sind die recht große Kohorte mit rund 2.000 Krebsfällen und die präzisen spektralphotometrischen Messungen von Lichtfarben.

Probanden mussten Fragebögen zur Expositionsdauer ausfüllen, was immer mit Fehlern verbunden ist. Die Forscher haben anhand von Abfragen versucht, ihre Daten um andere Einflussfaktoren auf Brust- oder Prostatakrebs zu korrigieren. Auch hier liegt eine mögliche Schwäche der Arbeit.

Welche Konsequenzen lassen sich aus den Ergebnissen ziehen? Garcia-Saenz schreibt: „Angesichts der Allgegenwärtigkeit von künstlichem Licht in der Nacht ist es ein Problem der öffentlichen Gesundheit, zu bestimmen, ob das Krebsrisiko steigt oder nicht.“

An diesem Punkt sollten weitere Studien mehr individuelle Daten umfassen, die beispielsweise Lichtsensoren verwenden, die das Messen von Innenlichtniveaus ermöglichen. Es wäre auch wichtig, diese Art von Forschung bei jungen Menschen zu betreiben, die Blaulicht emittierende Bildschirme verwenden.

 

Kommentar

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