Ärztetag in Erfurt eröffnet: Blickrichtung neue GOÄ und Aufhebung des strikten Fernbehandlungsverbots

Christian Beneker

Interessenkonflikte

9. Mai 2018

Erfurt – Telematik-Infrastruktur, Fernbehandlungsverbot, Pflicht-Sprechstundenzahl – der 121. Deutsche Ärztetag ist am Dienstag mit großen Themen und großen Worten in Erfurt eröffnet worden [1].

Prof. Dr. Frank-Ulrich Montgomery

Kritik kam gleich von Prof. Dr. Frank-Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, auf der Eröffnungsveranstaltung – und zwar an der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Erhöhung der vorgeschriebenen wöchentlichen Sprechstundenzahl: Dies verändere nur die Stimmung der Ärzte, nicht die Versorgung, sagte er. Die langen Wartezeiten seien ein gefühltes Problem und keines der Versorgungswirklichkeit. Er ergänzte – auch im Hinblick auf die Notfallversorgung: „Man muss die Patienten steuern, damit das knapp gewordene Gut „Arztstunde“ denen zugutekommt, die es wirklich benötigen. Da sind Sachverstand und Ideen gefordert.“

GOÄ bald umsetzen

Mit der Forderung, sowohl der EBM als auch die Gebührenordnung für Ärzte müsse reformiert werden, rennt dagegen die Koalition offene Türen ein, wie seine Worten deutlich machten. „Wir sind weit gekommen!“, sagte der Präsident zum Stand der GOÄ-Novelle. „Wir haben inzwischen eine mit den ärztlichen Verbänden und der PKV weitgehend konsentierte GOÄ fertiggestellt.“ Da sei nun eine wissenschaftliche Begleitung unnötig. „Man könnte die GOÄ jetzt wirklich bald umsetzen. Und das ist natürlich auch unsere Forderung!“ Auch der Ärztetag in Erfurt wird dieses Thema wie schon die Ärztetage zuvor mit einem eigenen Tagesordnungspunkt verhandeln.

 
Man muss die Patienten steuern, damit das knapp gewordene Gut „Arztstunde“ denen zugutekommt, die es wirklich benötigen. Prof. Dr. Frank-Ulrich Montgomery
 

Lob vom Präsidenten erhielt die Koalition zudem, weil sie die Bürgerversicherung nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen hat. Sie sei in Wahrheit eher die Krankheit als deren Therapie sie sich ausgebe, so Montgomery. Nun müsse man dafür sorgen, dass „die ollen Kamellen“ nicht die Diskussionen über ein modernes Vergütungssystem erstickten.

Hausarzt Dr. Jens Wagenknecht aus Varel in Niedersachsen mahnte jedoch in Richtung Montgomery: „Es gibt viele Kolleginnen und Kollegen, die zur Bürgerversicherung anders denken als der Präsident. Herr Montgomery, das haben sie in ihrer Rede unterdrückt!“

Änderung der Berufsordnung zur Fernbehandlung

Wie bereits berichtet, wird auch das Fernbehandlungsverbot von den Delegierten des Ärztetages debattiert werden. Dazu wird der Vorstand der Bundesärztekammer einen Vorschlag zur Berufsordnung vorlegen, die die ausschließliche Fernbehandlung bisher verbietet. Montgomery warnte aber. Bereits jetzt gebe es EU-ausländische Internetportale, die deutschsprachige Ärzte rekrutierten, um deutsche Patienten online zu beraten. „Wenn wir nicht diese Behandlungsformen gestalten, wird sie auf Basis des EU-Rechts wohl dennoch zu uns kommen.“ Hier müsse eine Lösung her – mit „Augenmaß und Handgewicht“, wie Montgomery sagte.

 
Man könnte die GOÄ jetzt wirklich bald umsetzen. Und das ist natürlich auch unsere Forderung! Prof. Dr. Frank-Ulrich Montgomery
 

Jens Spahn
© Stephan Baumann

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte ebenfalls, wie wichtig eine Entscheidung des Ärztetages zur Fernbehandlung sei. „Denn die Frage ist, ob Google oder Amazon die Angebote machen werden oder wir es tun und zwar mit unseren Qualitätsstandards!“ Allerdings dürfe die Fernbehandlung nicht die Begegnung von Arzt und Patient ersetzen. „Die 5 Sinne bleiben für den Arzt wichtig!“, mahnte Spahn.

Zankapfel Mindest-Sprechstundenzeiten

Spahn verteidigte auch die Forderung des Koalitionsvertrages nach erhöhten Mindest-Sprechstundenzeiten. Dies sei „kein Generalverdacht“, sagte Spahn. Sondern man wolle vor allem diejenigen „ermuntern“, die nicht ohnehin schon längere Sprechstunden anbieten. „Wer einen vollen Arztsitz nicht voll ausfüllt, schafft auch Probleme zu Lasten der Kollegen!“, sagte Spahn. Daher sei diese Forderung durchaus im Interesse der Ärzte

 
Wer einen vollen Arztsitz nicht voll ausfüllt, schafft auch Probleme zu Lasten der Kollegen! Jens Spahn
 

Bei der ersten Aussprache der Delegierten erntete im übrigen Montgomery auch Widerspruch. „Wir müssen uns auch fragen wo wir selbst nicht Teil der Lösung, sondern Teil der Probleme sind“, sagte Dr. Christoph von Ascheraden aus St. Blasien im Schwarzwald. „Wir können uns dem Vorwurf der langen Wartezeiten nicht immer verweigern und sollten endlich positive Gegenvorschläge bringen!“ Ähnlich Hausarzt Wagenknecht: „Wir müssen uns konstruktiv an dem politischen Prozess beteiligen und sehen, was wir besser machen können, statt dauernd zu betonen, wie toll wir sind!“

Die 250 Abgeordneten des 121. Deutschen Ärztetages werden neben der Novelle der Musterweiterbildungsordnung und der Gebührenordnung für Ärzte auch die Versorgung psychisch kranker Patienten debattieren „Die Abgeordneten werden sich gemeinsam mit namhaften Referenten den Möglichkeiten ärztlicher Psychotherapie im Hinblick auf Diagnostik, Therapie und Prävention widmen und Versorgungskonzepte diskutieren“, kündigte Montgomery an.

 

Kommentar

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