Mannheim – Der Verschluss des Vorhofohrs senkt das Schlaganfallrisiko von Patienten mit Vorhofflimmern – bei denen Antikoagulation kontraindiziert ist – signifikant und verlängert zudem das Gesamtüberleben. Das belegen Studiendaten, die Prof. Dr. Horst Sievert, CardioVasculäres Centrum Frankfurt (CVC), auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim präsentierte [1]. „Nicht-valvuläres Vorhofflimmern ist eine der Hauptursachen für Schlaganfälle“, so Sievert. Und 90% dieser Schlaganfälle werden durch Thromben hervorgerufen, die sich im linken Vorhofohr bilden und in die Blutbahn verschleppt werden.
Zur Schlaganfallprophylaxe werden Patienten mit Vorhofflimmern üblicherweise antikoaguliert. Derzeit eingesetzte Antikoagulanzien sind vornehmlich Vitamin-K-Antagonisten (z.B. Phenprocoumon, Warfarin) und Neue orale Antikoagulanzien (NOAK) wie der direkte Thrombinhemmer Dabigatran oder direkte Faktor-Xa-Inhibitoren wie Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban. Die Antikoagulation sei in der Praxis allerdings schwierig, meint Sievert. Das gelte sowohl für das in Deutschland häufig verordnete Phenprocoumon als auch für die NOAK. „Thromben findet man im Herzen eigentlich ausschließlich im Vorhofohr. Deswegen ist der Verschluss des Vorhofohrs eine logische Behandlung“, sieht Sievert den interventionellen Vorhofohrverschluss als ein vernünftiges therapeutisches Vorgehen.
Okkluder war im Langzeitverlauf der Antikoagulation überlegen
Seine Begründung basiert – im Falle des Watchman-Okkluders – auf der PROTECT-AF-Studie. An der Studie hatten 707 Patienten teilgenommen. Im Verhältnis 2:1 wurde entweder interventionell das linke Vorhofohr verschlossen oder sie erhielten zur Antikoagulation einen Vitamin-K-Antagonisten (Warfarin). „Als wir die Studie geplant haben, wollten wir mit dem Okkluder gar nicht besser sein als die Antikoagulation“, berichtete Sievert. Im Studienverlauf zeigt sich dann auch, dass der interventionelle Vorhofohrverschluss nach drei Jahren im Vergleich zur Antikoagulation nicht unterlegen war. „Im Langzeitverlauf wurden alle Erwartungen übertroffen“, berichtete der Frankfurter Kardiologe weiter.
Im primären Endpunkt (Schlaganfall, systemische Embolie sowie kardiovaskulärer Tod oder Tod ungeklärter Ursache) zeigte sich nach 5 Jahren bei den Patienten mit dem Okkluder eine Risikoreduktion um 39% – im Vergleich zu den Patienten unter Antikoagulation. Bei Schlaganfällen jedweder Ursache lag die Risikoreduktion bei 32%. Bei den kardiovaskulären Todesfällen war die Reduktion mit 54% noch ausgeprägter. Sievert: „Wenn anstelle der Antikoagulation das Vorhofohr interventionell verschlossen wird, werden nach der PROTECT-AF-Studie nicht nur Schlaganfälle verhindert. Auch das Leben der Patienten verlängert sich.“
PREVAIL liefert abweichende Ergebnisse
Konterkariert wurden die Ergebnisse jedoch – zumindest auf den ersten Blick – durch die PREVAIL-Studie, wie Sievert berichtete. Die Studie hat ein ähnliches Design wie PROTECT-AF. Hier wurden 407 Patienten rekrutiert. Studienziel: PREVAIL sollte zeigen, dass der Eingriff im Verlauf zunehmend sicherer zu handhaben ist, auch wenn neue Operateure nach einem Trainingsprogramm die Intervention vornahmen. Darüber hinaus sollte sie die Ergebnisse aus PROTECT-AF bestätigen.
Es konnte gezeigt werden, dass viel weniger Komplikationen aufgetreten waren, als in PROTECT-AF. „Wir alle hatten zu dem Zeitpunkt mit dem Eingriff mehr Erfahrung“, sagte Sievert. Allerdings konnte PREVAIL die Ergebnisse hinsichtlich des reduzierten Schlaganfallrisikos nicht bestätigen. Die Nicht-Unterlegenheit des interventionellen Vorhofohrverschlusses im Vergleich zur Antikoagulation konnte nicht gezeigt werden. „Das lag daran, dass die Kontrollgruppe mit dem Vitamin-K-Antagonisten in dieser Studie extrem gut abgeschnitten hat – besser als alle Gruppen in den NOAK-Studien und auch in allen anderen Studien“, erklärte Sievert. „Wenn wir das Ergebnis nicht als zufällig interpretieren würden, dürften wir keine NOAK mehr verordnen, sondern nur noch Vitamin-K-Antagonisten, weil die in dieser Studie viel besser waren“.
Meta-Analyse: Weniger hämorrhagische Insulte mit dem Okkluder
Eine Metaanalyse von PROTECT-AF und PREVAIL liefert zumindest einen Trend hin zu einem etwas besseren Ergebnis mit dem interventionellen Vorhofohrverschluss. Zwar gäbe es, wie Sievert analysierte, mehr ischämische Insulte nach Vorhofohrverschluss, aber deutlich weniger hämorrhagische Insulte. „In dieser Datenanalyse ist der Vorhofohrverschluss der Antikoagulation nicht unterlegen“, sagte Sievert.
Registerdaten sehen Vorhofohrverschluss im Vorteil
Eine weitere Auswertung der Studien PROTECT-AF, PREVAIL und der Registerstudie CAP zeigt, dass der Verschluss des Vorhofohrs die Schlaganfallrate reduzierte. Sievert: „Wenn wir die Ergebnisse mit denen von Patienten vergleichen, die nicht mit Antikoagulanzien behandelt werden können, so liegt die Schlaganfallreduktion bei 79 Prozent (PROTECT-AF), 67 Prozent (PREVAIL) und 83 Prozent (CAP).“ Diese Erkenntnisse decken sich mit der klinischen Praxis, so das Ergebnis der prospektiven Multicenter-Register-Studie EWOLUTION mit 47 Zentren in Europa, im Mittleren Osten und in Russland. Das Schlaganfallrisiko war hier nach einem Jahr Nachbeobachtung um 81% gesenkt, das Blutungsrisiko um 52%.
„Bei Patienten, die Antikoagulation hätten nehmen können, war das Risiko um 83 Prozent und 65 Prozent reduziert“, berichtete Sievert. „Gegenüber Vitamin-K-Antagonisten verringert der Vorhofohrverschluss die Zahl der Langzeitblutungen sowie hämorrhagischen Schlaganfälle und senkt die kardiovaskuläre Mortalität. Im Vergleich zu nicht-behandelten Patienten reduziert er das Schlaganfallrisiko um 60 bis 80 Prozent.“
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Diesen Artikel so zitieren: Schlaganfall: Vorhofohrverschluss senkt Risiko bei Patienten mit Vorhofflimmern deutlich – „alle Erwartungen übertroffen“ - Medscape - 7. Mai 2018.
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