Der Kampf gegen die Uhr beim ST-Hebungsinfarkt: FITT-STEMI-Projekt liefert Daten zum optimalen Zeitmanagement

Julia Rommelfanger

Interessenkonflikte

3. Mai 2018

Mannheim – Rund 64% aller Patienten mit ST-Hebungsinfarkt (STEMI), die an einer großen Qualitätsstudie teilnahmen, erhielten innerhalb von 10 Minuten nach dem Erstkontakt mit dem Rettungsdienst ein EKG, wie es die neuen 2017 überarbeiteten ESC-Leitlinien fordern. Ein EKG innerhalb von 10 Minuten wirkt sich deutlich auf die Sterberate aus: Wurde ein solches gemacht, betrug die Sterberate 6%; anderenfalls 10,3%.

Prof. Dr. Karl Heinrich Scholz

Das berichtete Prof. Dr. Karl Heinrich Scholz, Chefarzt der Klinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin am St. Bernward Krankenhaus in Hildesheim, auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) [1].

Er präsentierte in der Leitliniensitzung zum ST-Hebungsinfarkt neueste Daten des bundesweiten, seit 2009 laufenden prospektiven FITT-STEMI-(Feedback-Intervention and Treatment-Times in ST-Elevation Myocardial Infarction)-Projekts.

Dabei handelt es sich um eine noch andauernde Qualitäts-Management-Studie zur Verbesserung der Prozessabläufe bei der Behandlung von Patienten mit akutem ST-Hebungs-Infarkt, an der bislang 55 Kliniken mit PCI (perkutaner Koronarintervention), inklusive Rettungsdiensten, Katheterlabors und Ärzten, in ganz Deutschland beteiligt sind. Bis Ende März 2018 wurden mehr als 82.000 STEMI-Patienten in die Studie aufgenommen. Weitere Kliniken können an dem Projekt teilnehmen.

Nach neuesten Erkenntnissen der Studie lag der Anteil der Patienten, bei denen vor dem Erreichen der Klinik ein EKG geschrieben werden konnte, bei 81%, berichtete Scholz. Spätestens 10 Minuten nach dem medizinischen Erstkontakt sollte ein 12-Kanal-EKG erfolgen, heißt es in den Leitlinien (Ib-Empfehlung).

Herzkatheter innerhalb von 90 Minuten

Bestätigt das EKG die Verdachtsdiagnose STEMI, hat die schnellstmögliche Wiedereröffnung des verschlossenen Gefäßes höchste Priorität. Innerhalb von weniger als 120 Minuten sollte eine perkutane Koronarintervention möglich sein – anderenfalls soll innerhalb von 10 Minuten nach der Diagnose STEMI eine Lysetherapie erfolgen, so die Leitlinienempfehlung.

„Idealerweise sollte die PCI innerhalb von 90 Minuten durchgeführt werden – das ist mit einer guten Schulung aller Beteiligten zu schaffen“, präzisierte Scholz nach seinen Erfahrungen im FITT-STEMI-Projekt. Dieses Projekt beinhaltet Feedback-Veranstaltungen mit allen an der Behandlung der Patienten beteiligten Akteuren sowie Schulungen. Das Zeitfenster wurde bei 57% der FITT-STEMI-Patienten erreicht, berichtete er. Oftmals sei es daher sinnvoll, mit einem STEMI-Patienten nicht das nächstgelegene Krankenhaus, sondern ein PCI-Zentrum anzusteuern.

Idealerweise sollte die PCI innerhalb von 90 Minuten durchgeführt werden – das ist mit einer guten Schulung aller Beteiligten zu schaffen.

In Deutschland werde kaum noch lysiert; in der Studie betrug die Lysequote nur rund 1%, ergänzte Scholz. Erste Ergebnisse der Studie zum Einfluss der Behandlungsdauer auf das Outcome der Patienten, insbesondere der Zeit vom medizinischen Erstkontakt bis zur erfolgreichen Drahtpassage, hatten Scholz und seine Kollegen im European Heart Journal veröffentlicht [2].

In der Analyse wurde die prognostische Relevanz dieses Behandlungsfensters bei 12.675 STEMI-Patienten evaluiert, die mit dem Rettungswagen zu einer PCI-Klinik gebracht und dort einer perkutanen Koronarintervention unterzogen wurden.

Bei Patienten, die innerhalb von 60 bis 180 Minuten nach dem medizinischen  Erstkontakt behandelt wurden, bestand eine „fast lineare Korrelation zwischen Kontakt-zu-Ballon-Dauer und Mortalität“, berichten die Autoren.

Bei Patienten, bei denen das Tür-zu-Drahtpassage-Intervall weniger als 90 Minuten betrug, lag die Sterblichkeitsrate bei 4,2%; bei denen, die 90 Minuten oder länger brauchten, bei 12,2%, berichtete Scholz.

Vor allem Hochrisiko-Patienten profitieren von Zeitersparnis

Am deutlichsten wirkten sich Verzögerungen aus bei Patienten mit Infarkt-bedingtem kardiogenem Schock, die vor der Einlieferung ins Krankenhaus keinen Herzstillstand erlitten hatten. Bei diesen Patienten resultierte jede 10-minütige Behandlungsverzögerung in 3,31 zusätzlichen Todesfällen je 100 behandelte PCI-Patienten.

Instabile Hochrisiko-Patienten profitierten am meisten von einer direkten PCI-Behandlung. „Daher sollte speziell bei diesen Patienten alles unternommen werden, um das Tür-zu-Ballon-Zeitfenster zu verkürzen“, schreiben die Autoren

Zudem sollten STEMI-Patienten nicht in die Notaufnahme, sondern an dieser vorbei direkt ins Katheterlabor gebracht werden.

„Unsere Empfehlung lautet gemäß den STEMI-Leitlinien: Regionale STEMI-Netzwerke bilden mit PCI-fähigen Zentren, die einen 24/7-Service gewährleisten!“, bemerkte Scholz auf dem DGK-Kongress. „Zudem sollten STEMI-Patienten nicht in die Notaufnahme, sondern an dieser vorbei direkt ins Katheterlabor gebracht werden.“

Die Umgehung der Notaufnahme bedeutet laut der Qualitätsanalyse eine Zeitersparnis von durchschnittlich 50 Minuten. Bei FITT-STEMI betrug die Tür-zu-Ballon-Zeit bei Direktübergabe im Schnitt 37 Minuten, ohne Direktübergabe 87 Minuten. 58% der FITT-STEMI-Patienten erreichten das Katheterlabor ohne Umweg über die Notaufnahme.

Idealerweise sollte das Katheterlabor vorab über die Ankunft eines STEMI-Patienten informiert werden, so Scholz weiter. Somit können bis zum Eintreffen des Patienten alle notwendigen Vorbereitungen getroffen werden, sodass die PCI sofort erfolgen könne,
„Dieses Optimum erreicht man bei einem STEMI, der 30 bis 35 Kilometer vom PCI-Zentrum entfernt passiert. Dieser Patient erfährt die bestmögliche Behandlung“, resümierte Scholz die ersten Erkenntnisse aus FITT-STEMI. Notwendig sei vor allem die Etablierung von Behandlungskonzepten zum optimalen Zeitmanagement in großen Städten, „damit der Patient in der Klinik nicht 50 Minuten lang auf eine PCI warten muss“.

 

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Kommentar

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