Erste Penis- und Skrotum-Transplantation in USA – Chance auch für Patienten mit Krebserkrankungen

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

26. April 2018

Chirurgen der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore haben erstmals einen vollständigen Penis samt Skrotum transplantiert [1]. Empfänger war ein US-Veteran mit kriegsbedingten Verletzungen. Von der Erfahrung könnten Patienten etwa nach Amputationen infolge von Krebserkrankungen profitieren.

„Wir sind zuversichtlich, dass unser Eingriff langfristig dazu beitragen wird, dem jungen Mann nahezu normale harnableitende und sexuelle Funktionen zurückzugeben“, wird Prof. Dr. Andrew Lee in einer Pressemeldung zitiert. Er hatte den 14-stündigen Eingriff geleitet. Insgesamt waren 9 plastische Chirurgen und 2 urologischen Chirurgen beteiligt. Sie transplantierten von einem gestorbenen Spender den gesamten Penis, Hodensack ohne Hoden und die partielle Bauchwand.

Häufige Kriegsverletzung

Der Empfänger ist ein Veteran, der beim Einsatz in Afghanistan Verletzungen erlitten hatte und anonym bleiben möchte. Er hat sich vom Eingriff, der am 26. März stattfand, gut erholt und kann voraussichtlich bald aus dem Krankenhaus entlassen werden.

 
Wir sind zuversichtlich, dass unser Eingriff langfristig dazu beitragen wird, dem jungen Mann nahezu normale harnableitende und sexuelle Funktionen zurückzugeben. Prof. Dr. Andrew Lee
 

Bei solchen Einsätzen sind derartige Verletzungen nicht so selten. Zwar sind vor allem Narben oder verlorene Gliedmaßen, die durch Explosionen von improvisierten Sprengkörpern oder Sprengsätzen, entstanden sind, in der Öffentlichkeit bekannt. Aber auch der Penis werde häufiger als angenommen in Mitleidenschaft gezogen, konstatiert Lee.

„Die Zahl der potentiellen Kandidaten für Hand- und Gesichtstransplantationen hat sich in den letzten Jahren rasant erhöht“, ergänzt der Experte. Neu sei dabei auch die Möglichkeit, Penis und Skrotum zu übertragen. „Der Bedarf hat sich, speziell in den USA, auch deshalb erhöht, weil immer mehr Soldaten von Auslandseinsätzen mit schweren Verletzungen zurückkommen.“

Transplantation Alternative zu Rekonstruktion

Die Operation umfasste die Transplantation von Haut, Muskeln und Sehnen, Nerven, Knochen und Blutgefäßen. Wie bei jeder Transplantationschirurgie ist die Abstoßung von Gewebe ein Problem. Der Patient erhält daher Immunsuppressiva, um eine Abstoßung zu verhindern. Lees Team hat ein Immunmodulationsprotokoll entwickelt, das darauf abzielt, die Menge an Medikamenten zu minimieren. Alles sei nach Plan verlaufen, so Lee weiter.

 
Der Bedarf hat sich, speziell in den USA, auch deshalb erhöht, weil immer mehr Soldaten von Auslandseinsätzen mit schweren Verletzungen zurückkommen. Prof. Dr. Andrew Lee
 

Er gibt zu bedenken, dass es zwar generell möglich sei, einen Penis aus körpereigenem Gewebe zu rekonstruieren. Allerdings seien Prothesenimplantate notwendig, um eine Erektion zu erreichen. Lee verweist zudem auf deutlich mehr Infektionen, sollten Ärzte mit diesem Verfahren arbeiten. Auch hätten Soldaten aufgrund weiterer Verletzungen oft nicht genug vitales Gewebe, um daraus einen Penis aufzubauen.

Zu reinen Penis-Transplantation liegen mittlerweile 2-Jahres Ergebnisse vor. Wie Medscape berichtet hat, entsprechen sexuelle und urologische Funktionen den ärztlichen Erwartungen. Dr. André van der Merwe vom Tygerberg Academic Hospital in Kapstadt, Südafrika, verweist ergänzend auf die Bedeutung psychologischer Aspekte. Patienten müssten ausreichend stabil sein, erklärte er in einer Veröffentlichung.

Je nach kulturellem Hintergrund kommen Transplantationen der männlichen Geschlechtsorgane in unterschiedlichen Settings zum Einsatz. Während van der Merwe Patienten behandelt, bei denen rituelle Beschneidungszeremonien zu Komplikationen geführt haben, sieht Lee vor allem den Einsatz bei kriegsbedingten Verletzungen. Nicht zuletzt spielen Krebserkrankungen eine Rolle. Auch Patienten mit Peniskarzinom werden nicht immer leitliniengerecht versorgt. Nach Amputationen haben Ärzte aber deutlich mehr Spielraum.

Dem stehen allerdings 2 Probleme gegenüber: Spenderorgane sind rar, und Empfänger müssen ein Leben lang Medikamente zur Immunsuppression anwenden.

 

Kommentar

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