Brite bringt hoch resistente Gonorrhoe aus Südasien mit – Gesundheitsbehörden alarmiert

Tim Locke

Interessenkonflikte

23. April 2018

Britische Gesundheitsexperten untersuchen einen Fall von Gonorrhoe, der möglicherweise der erste mit einer High-Level-Resistenz gegen Erstlinien-Therapeutika ist. Schon im Juli 2017 hatte die WHO anhand von Daten aus 77 Ländern mitgeteilt, dass Antibiotika-Resistenzen die Behandlung der Gonorrhoe „zunehmend erschweren und mitunter unmöglich machen“.

Der männliche Patient, um den es aktuell geht, hat sich laut Public Health England (PHE) bei einer Frau mit Neisseria gonorrhoeae infiziert, die er bei einer Reise im südlichen Asien getroffen hatte. Nach seiner Rückkehr nach Großbritannien zu Beginn des Jahres suchte er in einer urologischen Klinik um ärztliche Hilfe nach.Dr. Gwenda Hughes, wissenschaftliche Beraterin und Leiterin der Abteilung für sexuell übertragbare Erkrankungen am PHE, wird in einer Pressemitteilung zitiert: „Die Erstlinienbehandlung der Gonorrhö besteht aus einer Kombination der beiden Antibiotika Azithromycin und Ceftriaxon. Dies ist jedoch das erste Mal, dass ein Fall eine so hohe Resistenz gegen diese beiden Medikamente und die meisten anderen gebräuchlichen Antibiotika aufweist."

Letzte Rettung Ertapenem?

Der Patient wird jetzt mit Ertapenem i.v. behandelt. Die minimale Hemmkonzentration (MHK) für Ertapenem war niedrig, was darauf hindeutet, dass dieses Antibiotikum in letzter Instanz wirksam sein könnte. Ob die Behandlung tatsächlich anschlägt, wird jedoch noch eine Weile unklar bleiben.

In einer Verlautbarung der britischen Gesundheitsbehörden hieß es, dass bei einem Intimpartner des Patienten in Großbritannien bislang keine Infektion nachgewiesen werden konnte. Zur Koordinierung der Untersuchungen wurde ein Incident Management Team eingerichtet, das weitere Sexualkontakte verfolgen und die Ausbreitung der Gonorrhoe eindämmen soll.

Hughes weiter: „Wir verfolgen diesen Fall, um sicherzustellen, dass die Infektion mit anderen Optionen effektiv behandelt wurde und das Risiko einer weiteren Übertragung und Verbreitung minimiert wird. PHE überwacht aktiv die Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen bei Gonorrhoe sowie ein mögliches Therapieversagen und hat eine verbesserte Überwachung eingeführt, um resistente Infektionsstämme rechtzeitig zu identifizieren und zu managen, damit die weitere Ausbreitung gebremst werden kann.“

Dr. Olwen Williams, Präsident der British Association for Sexual Health and HIV (BASHH), äußert sich zur Entstehung dieser multiresistenten Gonorrhoe in einer Erklärung: „Die Entstehung dieses neuen Stammes hochresistenter Gonorrhoe verdient größte Aufmerksamkeit und markiert eine signifikante Entwicklung.“

 
Wir verfolgen diesen Fall, um sicherzustellen, dass … das Risiko einer weiteren Übertragung und Verbreitung minimiert wird. Dr. Gwenda Hughes
 

„Die Ärzte arbeiten eng mit Public Health England und weiteren Partnern zusammen, um die Ausbreitung der Krankheit einzudämmen. Der Erfolg dieser Bestrebungen hängt von einem vernünftigen Antibiotika-Einsatz, einer effektiven Mitbetreuung der Partner und gründlichen Laboruntersuchungen ab, die alle im Einklang mit den BASHH-Leitlinien stehen.“

Fall kommt nicht unerwartet

Obwohl der Fall für große Aufmerksamkeit gesorgt hat, kam er für Dr. Richard Stabler, Dozent für molekulare Bakteriologie an der London School of Hygiene & Tropical Medicine, nicht gänzlich unerwartet: „Es wurde weltweit von einigen Fällen einer Azithromycin- und Ceftriaxon-Resistenz berichtet, sodass uns klar war, dass es irgendwann passieren würde. Es kommt nicht ganz überraschend“, sagt er gegenüber Medscape.

„Dass es im Zusammenhang mit einer Fernreise steht, durfte erwartet werden, denn diese Dinge werden heute sehr schnell und sehr leicht um den Globus getragen, wie wir bereits bei vielen anderen Antibiotika-Resistenzen beobachten konnten.“

Positiv dabei sei „die Tatsache, dass die Infektion registriert werden konnte. Das ist sehr beruhigend, denn wenn solche Erreger zu uns gelangen und unentdeckt bleiben, können sie sich ausbreiten, bevor eine wirksame Infektionskontrolle greift.“ Es könne wichtig sein, Patienten mit Verdacht auf Gonorrhoe nach Fernreisen vor allem im südostasiatischen Raum zu befragen, um zusätzliche Kontrollmöglichkeiten zu bekommen.

Experten warnen seit einiger Zeit vor der wachsenden Bedrohung durch Antibiotika-Resistenzen. Großbritanniens oberste Gesundheitsbeamtin, Prof. Dr. Dame Sally Davies, hat es als „antibiotische Apokalypse“ bezeichnet. Offizielle Schätzungen gehen davon aus, dass es in England jährlich zu mindestens 5.000 Todesfällen aufgrund von Antibiotika-Resistenzen kommt. Ein Review zur Antibiotika-Resistenz aus dem Jahr 2016 prognostizierte, dass in etwas mehr als 30 Jahren die Antibiotika-Resistenz in England zu mehr Todesopfern führen wird als die derzeitige Zahl von Krebs- und Diabetesopfern zusammen beträgt

 
Die Entstehung dieses neuen Stammes hochresistenter Gonorrhoe verdient größte Aufmerksamkeit und markiert eine signifikante Entwicklung. Dr. Olwen Williams
 

Eine Antibiotika-Resistenz sei nichts Neues, so Stabler: „Schon Fleming stellte fest, dass seit es Penicillin gibt, es bei Missbrauch zu Arzneimittel-Resistenzen kommt. Wenn ein Antibiotikum neu auf dem Markt ist, entwickelt sich auch eine Resistenz. In manchen Fällen geschieht das sehr schnell. Beim Methicillin war es nach meiner Erinnerung das gleiche Jahr, in dem es zugelassen wurde. Bei anderen wie etwa dem Vancomycin hat es länger gedauert. Bakterien sind einem sehr hohen Selektionsdruck ausgesetzt. Da heißt es, sich entwickeln oder sterben.“

Public Health England (PHE) weist ihre Hausärzte darauf hin, dass Verdachtsfälle von Gonorrhoe zur Behandlung an die GUM-Einrichtungen (genitourinary medicine) überwiesen werden sollen. PHE nutzte den Fall auch, um die Botschaft des Safer Sex, der die Verwendung von Kondomen bei neuen oder gelegentlichen Sexualpartnern fördert, wieder stärker ins Bewusstsein zu bringen. Im vergangenen Winter startete PHE zudem einen Werbespot mit „singenden Pillen“, um die Öffentlichkeit zu warnen, dass „Antibiotika nicht gegen alles wirken“ und dass ihre unnötige Einnahme Menschen der Gefahr aussetzt, schwerere oder längere Infektionen zu erleiden.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.de bersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

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