Paris – Auch in Deutschland nimmt der Anteil an Menschen mit einer nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung (non-alcoholic fatty liver disease, NAFLD) und einer nicht-alkoholischen Steatohepatitis (non-acoholic steatohepatitis, NASH) zu. Damit steigt auch der Anteil der NAFLD/NASH-Patienten, die im weiteren Verlauf eine kompensierte Zirrhose mit schlechter Prognose entwickeln. Nun zeigen Daten aus Deutschland, dass vor allem im ersten Jahr nach Bestehen der kompensierten Zirrhose die Kosten für das Gesundheitssystem durch die vielen stationären Aufnahmen aufgrund der hohen Morbidität explodieren [1].

Prof. Dr. Ali Canbay
„Wir brauchen für diese Patienten dringend neue Therapieoptionen, sonst wird es in Zukunft sehr viele NAFLD/NASH Patienten mit einer Lebererkrankung im Endstadium geben“, betonte Prof. Dr. Ali Canbay, Direktor der Universitätsklinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie Magdeburg. Diese Daten seien eine gute Grundlage, um politische Entscheidungsträger zu überzeugen, dass Präventionsstrategien notwendig sind. Er verwies z.B. auf Programme in Schulen.
Datenbank mit mehr als 6 Millionen Versicherten ausgewertet
Canbay stellte auf dem europäischen Leberkongress in Paris eine große retrospektive Kohortenstudie vor, die die anonymisierten Abrechnungsdaten von rund 6,3 Millionen gesetzlich Versicherten aus etwa 60 Krankenkassen genutzt hat [2].
In dieser Datenbank des Instituts für angewandte Gesundheitsforschung (InGef) wurden zwischen 2011 und 2016 insgesamt 800 NAFLD/NASH-Patienten mit kompensierter Leberzirrhose identifiziert. Für die Auswertung der Morbidität, Mortalität und Kosten wurde das Jahr vor der Diagnose der kompensierten Leberzirrhose mit dem Jahr nach dieser Diagnose verglichen. Die Patienten waren durchschnittlich 67,8 Jahre alt und 58% waren Männern.
Signifikanter Anstieg der stationären Aufenthalte
Insgesamt 245 (30,6%) Patienten entwickelten im ersten Jahr nach der Zirrhose-Diagnose eine Lebererkrankung im Endstadium wie dekompensierte Zirrhose, hepatozelluläres Karzinom oder Lebertransplantation (Progressoren) und bei 555 (69,4%) blieb die Lebererkrankung in diesem Zeitraum stabil (Non-Progressoren). Die Progressoren waren mit durchschnittlich 72 Jahren signifikant älter als die Non-Progressoren mit 66,1 Jahren (p < 0,05).
Bereits ein Jahr vor der Diagnosestellung der Zirrhose war die Komorbidität der Patienten hoch: Am häufigsten war Bluthochdruck (78,8%) gefolgt von Typ-2-Diabetes (52,6%), dann folgten kardiovaskuläre Erkrankungen (48,9%) und Hyperlipidämie (47,5%), Übergewicht (36,9%) und renale Insuffizienz (32,3%). In dem Jahr vor dem Fortschreiten zu einer Zirrhose wurden 40,9% der Patienten und im Jahr nach der Diagnose 66,9% stationär behandelt (Anstieg um 63,6%; p < 0,05) – die Anzahl der Krankenhausaufenthalte betrug pro Patient durchschnittlich 0,78 bzw. 1,49 (Anstieg um 91%; p<0,05) und die Dauer der stationären Aufnahme durchschnittlich 8,83 bzw. 14,82 Tage.
Auch die Anzahl der Patienten mit Behandlung auf der Intensivstation stieg von 22,4% auf 41,5% (Anstieg um 85,3%; p < 0,05) und die Anzahl der Intensivstations-Aufenthalte pro Patient von 3,54 auf 7,32 (Anstieg um 106,8%; p < 0,05). Im ersten Jahr nach der Diagnose der Zirrhose starben 19,4% der Patienten und zwar signifikant mehr „Progressoren“ als „Non-Progressoren“ (46,1% vs 7,6%; p < 0,0001).
Kostensteigerung um bis zu 411 Prozent
Stationäre Aufnahmen hätten sich als hauptsächliche Kosten-Treiber herausgestellt. Dies habe der Vergleich der jährlichen Gesamtkosten pro NAFLD/NASH-Patient ein Jahr vor und ein Jahr nach der Zirrhose-Diagnose ergeben, berichtete Canbay. Die Gesamtkosten stiegen von 6.146 Euro auf 11.877 Euro (Anstieg um 93%). Davon fielen 2.583 Euro bzw. 8.126 Euro auf die Krankenhaus-Kosten (Anstieg um 214%), 1.222 Euro bzw. 1.191 Euro auf ambulante Behandlungen und 1.853 Euro bzw. 2.016 Euro auf die Medikamente. Die jährlichen Kosten waren für die Progressoren sehr viel höher als für die Non-Progressoren.
Dies betraf sowohl das Jahr vor der Zirrhose mit Gesamtkosten von 5.759 Euro versus 7.023 Euro und Krankenhauskosten von 2.378 Euro versus 3.047 Euro als auch das Jahr nach der Diagnose mit Gesamtkosten von 8.474 Euro versus 19.586 Euro und Krankenhauskosten 4.839 Euro versus 15.571 Euro. Die Kostensteigerung betrug bei den Progressoren 179% für die Gesamtkosten (versus 47% Non-Progressoren) und 411% für die Krankenhausaufenthalte (versus 103% Non-Progressoren).
Die kumulativen Kosten für die NAFLD/NASH-Patienten mit kompensierter Zirrhose stiegen im Verlauf von 5 Jahren um 143% bis 169% für Progressoren und 132% für Non-Progressoren.
REFERENZEN:
1. Canbay A, et al: J Hepatol 2018;68:S32; Abstract PS-057
2. The International Liver Congress™ (EASL) 2018, 11. bis 15. April 2018, Paris/Frankreich
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Diesen Artikel so zitieren: Nicht-alkoholische Fettleber: Bei kompensierter Zirrhose hohe Komorbidität und explodierende Kosten, zeigen deutsche Daten - Medscape - 23. Apr 2018.
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