Dicke Luft – Auto-Abgase und Ozon lassen eventuell auch bei Erwachsenen das Asthma-Risiko steigen

Dr. Ingrid Horn

Interessenkonflikte

20. April 2018

Dass Außenluft-Verschmutzung die Atemwege schädigt, ist anerkannt. Die Assoziation zu Asthma ist vor allem bei Kindern vielfach untersucht. Anders verhält es sich bei Erwachsenen. Eine im European Respiratory Journal veröffentlichte Studie aus Frankreich legt Indizien vor, dass erwachsene Personen, die in der Nähe ihrer Wohnung ständig über lange Zeit hoher Verkehrsbelastung ausgesetzt sind, eine höheres Risiko besitzen, an Asthma zu erkranken [1].

„Unsere Studie liefert außerdem erstmals den Nachweis, dass bei Erwachsenen eine Beziehung zwischen ständiger Außenluft-Verschmutzung, der ausgeatmeten Konzentration des Biomarkers 8-Isoprostan und Asthma besteht“, hebt Studienleiterin Anaïs Havet vom Französischen Institut für Gesundheit und Medizinische Forschung am INSERM in Villejuif hervor.

Für die Auswertung hatte das Forscherteam die Kohorten-Daten aus einer französischen epidemiologischen Studie über Asthma-auslösende Gen- und Umweltfaktoren herangezogen und 608 Personen ausgewählt. Von diesen litten 240 an einer aktiven Form von Asthma, gekennzeichnet durch Atembeschwerden, Asthmaanfälle oder entsprechend hoher Medikamenteneinnahme während der letzten 12 Monate.

 
Ein besonders wichtiges Ergebnis dieser Studie ist das deutlich höhere Asthma-Risiko durch Ozon. Prof. Dr. Joachim Heinrich
 

Noch keine ausreichende Evidenz für kausalen Zusammenhang

Die Querschnittsstudie von Havet und ihren Mitautoren sorge nicht für ein klareres Bild, was Feinstaub und Stickoxide anbelangt, stellt der Mathematiker Prof. Dr. Joachim Heinrich vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, gegenüber Medscape fest.

Nach wie vor ist die Evidenz für einen kausalen Zusammenhang zwischen verkehrsabhängigen Luftschadstoff-Expositionen wie PM2,5-Feinstaub und Stickstoffdioxid und der Entwicklung von Asthma im Erwachsenenalter nicht ausreichend belegt. Die jüngsten Auswertungen großer europäischer Kohorten zeigen zwar geringfügig erhöhte Risiken für die Neuerkrankung von Asthma im Erwachsenenalter, diese sind aber nicht statistisch signifikant. Das trifft auch auf die französische Studie zu“, führt Heinrich aus.

Außerdem falle diese Studie qualitativ hinter die Langzeitbeobachtungen von Kohorten zurück und stütze sich auf einen deutlich kleineren Stichprobenumfang als die bereits publizierten Kohortenstudien, so das Urteil des Leiters der Einheit Globale Umweltmedizin.

 
Die Rolle von Ozon für Asthma ist in der öffentlichen Diskussion im Zusammenhang mit der Debatte um die Diesel-Abgase so gut wie verloren gegangen. Prof. Dr. Joachim Heinrich
 

Zweifelsohne erkranken jedoch immer mehr Erwachsene an Asthma. „Die letzten beiden für Deutschland repräsentativen Surveys aus den Jahren 1997 bis 1998 und 2008 bis 2011 zeigen für Erwachsene im Alter von 20 bis 79 Jahren eine Zunahme der Lebenszeitprävalenz von Asthma von 5,7 Prozent auf 8,6 Prozent“, berichtet Heinrich. Eine ähnliche Zunahme habe man auch in anderen europäischen Ländern beobachtet. In Deutschland war am stärksten die Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen betroffen.

Verkehrsbelastung und Ozon sind Risikofaktoren

Unter Verwendung zusätzlicher Daten aus ESCAPE (European Study of Cohorts for Air Pollution Effects) und von IFEN (Institute Francaise pour Environment) suchten die Wissenschaftler nach Assoziationen zwischen

  1. Langzeitexposition und Asthma,

  2. ausgeatmeter 8-Isoprostan-Konzentration und Asthma sowie

  3. Außenluft-Verschmutzung und ausgeatmeter 8-Isoprostan-Konzentration.

Als Schadstoffe standen dabei Feinstaub PM10 und PM2,5, Stickoxide und Ozon im Mittelpunkt.

Zwischen Asthma und Stickoxiden sowie Feinstaub ließ sich statistisch kein Zusammenhang erkennen. Ein anderes Bild zeigt sich, wenn die Wissenschaftler allein das steigende Verkehrsaufkommen betrachteten. Hier stieg bei einem täglichen Zuwachs der Verkehrsdichte pro 5.000 Fahrzeugen das Risiko, an Asthma zu erkranken, signifikant an (adjusted Odds Ratio 1,09; 95%-Konfidenzintervall 1,00–1,18; p⩽0,05). Gleiches galt für die Ozon-Exposition (a OR 2,04; 95%-KI 1,27–3,29; pro 10 μg/m3 Zunahme).

 
Unseren Ergebnissen zufolge könnte oxidativer Stress eine Rolle bei der Entstehung von Asthma spielen und solcher durch Außenluft-Verschmutzung ausgelöst werden. Anaïs Havet und Kollegen
 

„Ein besonders wichtiges Ergebnis dieser Studie ist das deutlich höhere Asthma-Risiko durch Ozon“, hebt Heinrich hervor. Das sei zwar auch nicht neu, trage aber dazu bei, den Blick wieder für eine ausgewogenere Betrachtungsweise hinsichtlich der Bedeutung von verschiedenen Luftschadstoff-Risiken für Asthma zu öffnen. „Die Rolle von Ozon für Asthma ist in der öffentlichen Diskussion im Zusammenhang mit der Debatte um die Diesel-Abgase so gut wie verloren gegangen“, bedauert er.

Oxidativer Stress als möglicher Mitspieler

Um dem biologischen Mechanismus, der hinter der Assoziation zwischen Außenluft-Verschmutzung und Asthma stecken könnte, näher zu kommen, untersuchten die französischen Wissenschaftler, wie es sich mit dem Ausstoß von 8-Isoprostan im Atem verhält. Die Substanz gilt als Biomarker für die Schädigung von Lungengewebe infolge oxidativen Stresses.

Bei Personen mit Asthma ließen sich – bezogen auf Personen ohne Asthma – eindeutige Trends zu höheren Konzentrationen von ausgeatmeten 8-Isoprostan feststellen (a OR 1,50; 95%-KI 1,06–2,12; pro 1 pg/ml Zunahme). Bei Personen ohne Asthma stieg die Konzentration signifikant an, wenn sie Feinstaub-Partikel mit einem Durchmesser von ⩽2,5 μm ausgesetzt waren, und sank in Gegenwart von Ozonbelastung.

„Unseren Ergebnissen zufolge könnte oxidativer Stress eine Rolle bei der Entstehung von Asthma spielen und solcher durch Außenluft-Verschmutzung ausgelöst werden“, schlussfolgern die Autoren.

„Eine Interpretation von 8-Isoprostan als Frühindikator lässt die Studie jedoch nicht zu“, äußert Heinrich zu dem Befund. Die Autoren wiesen selbst deutlich darauf hin, dass nicht unterschieden werden könne, ob 8-Isoprostan ein höheres Risiko für ein späteres Asthma anzeigt oder ob Asthma tatsächlich mit höheren 8-Isoprostan-Konzentrationen einhergeht. Aufschluss könnten hier und für all die anderen Aspekte nur umfangreichere epidemiologische Langzeitstudien liefern.

 

REFERENZEN:

1. Havet A, et al: Eur Respir J 2018;50:PA3513

 

Kommentar

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