
Jens Spahn
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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will dem Personalmangel mit ausländischen Pflegekräften und Ärzten begegnen. „Pflegekräfte aus unseren Nachbarländern einzuladen, ist die nächstliegende Option“, sagte der CDU-Politiker vor Kurzem. Innerhalb der EU gebe es die Arbeitnehmer-Freizügigkeit. Spahn mahnte, dass „wir bei der Anerkennung von Abschlüssen für Pflegekräfte und Ärzte noch schneller werden müssen.“
Manchmal seien Ärzte und Pflegekräfte über Monate, teils sogar über Jahre im Land und könnten nicht arbeiten, weil sich das Anerkennungsverfahren so ziehe, kritisierte er. „Selbstverständlich muss die ausländische Qualifikation gleichwertig mit der deutschen sein, das gehört gründlich geprüft. Wir sollten aber mit den Bundesländern die Überprüfungen deutlich beschleunigen“, so Spahn.
Beim Landesverband des Marburger Bundes NRW/RLP und beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) trifft der Vorschlag auf wenig Begeisterung. Keinen „Schnellschuss“ sondern die echte Integration ausländischer Ärzte, fordern Dr. Hans-Albert Gehle und Michael Krakau, die beiden Vorsitzenden des Marburger Bundes NRW/RLP in einer Stellungnahme.
„Die Idee ist wahrlich nicht neu – und bisher ist solchen Anstrengungen nur ein äußerst mäßiger Erfolg beschieden gewesen“, kommentiert Johanna Knüppel, Referentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe, gegenüber Medscape das Vorhaben des Bundesgesundheitsministers.
Und via Twitter legte SPD-Gesundheitspolitiker Prof. Dr. Karl Lauterbach nach: „Wir sollten nicht anderen Ländern Pflegekräfte weg kaufen, dort fehlen sie auch bereits“, schrieb er bei Twitter. Lauterbach mahnte stattdessen eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte an. „Einfach nur den Koalitionsvertrag umsetzen, nicht ständig Neues“, so Lauterbach.
Marburger Bund sieht ein spätes Eingeständnis des politischen Scheiterns
Die Idee, über beschleunigte Verfahren mehr ausländische Ärzte und Pflegekräfte zu gewinnen, wertet der Marburger Bund NRW/RLP als sehr spätes Eingeständnis des politischen Scheiterns. „Es ist ein Trauerspiel, dass in einem der wohlhabendsten Länder der Erde nach über eineinhalb Jahrzehnten des Ärztemangels an den deutschen Universitäten keine annähernd ausreichende Zahl an Absolventen des Fachs Humanmedizin ausgebildet werden, obwohl jedes Jahr tausende Studierwillige abgewiesen werden“, kritisieren Gehle und Krakau.
„Die Zahl der Medizin-Studienplätze hierzulande hätte bereits vor über einem Jahrzehnt um mindestens 10 Prozent erhöht werden müssen“, erinnern sie. Entscheidend sei auch nicht die Schnelligkeit, sondern die Einhaltung der in Deutschland üblichen hohen Qualifikationsstandards für Ärzte. Noch dazu sei es ethisch höchst fragwürdig, Ärzte aus den Ländern abzuwerben, in denen die medizinische Versorgung der Bevölkerung zumeist weit schlechter als hierzulande ist und dadurch noch weiter geschwächt werde.
„Ohne jede Frage fehlen uns hierzulande Zehntausende Pflegekräfte sowie Ärztinnen und Ärzte“, betonen Gehle und Krakau. Zeitgleich steige der Bedarf an Ärzten in Folge einer älter und multimorbider werdenden Bevölkerung. „All diese Fakten sind den verantwortlichen Politikern seit vielen Jahren bekannt. Gehandelt wurde bisher weder ausreichend noch zeitnah“, kritisieren die Vorsitzenden.
Sie sehen weniger in der zögerlichen Anerkennung von Ärzten aus dem Ausland das Problem, sondern in den sprachlichen Barrieren: „Derzeit bestehen nur gut die Hälfte aller Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland die fachsprachlichen Prüfungen bei den zuständigen Landesärztekammern. Nur solche gründlichen Sprachprüfungen gewährleisten unseren Patienten, dass sie mit ihren behandelnden Ärzten eine adäquate Kommunikation führen können“, erklären Gehle und Krakau.
Die fachsprachlichen Prüfungen aber müssten bleiben, sonst könnten Patienten ärztliche Diagnose und Therapien nicht verstehen. „Auch die bereits aus dem Ausland integrierten Kolleginnen und Kollegen bestätigen dies. Von den zugewanderten Ärzten und Pflegekräften werden nicht die von Jens Spahn kritisierten zögerlichen Verfahren zur Anerkennung ausländischer Ärzte beklagt, sondern vielmehr die ihnen fehlende Unterstützung bei ihrer Eingliederung – zum Beispiel beim Erwerb von Sprach- und Systemkenntnissen“, berichten Gehle und Krakau.
BÄK mahnt eine schnellere Verschärfung der Zulassung ausländischer Ärzte an

Prof. Dr. Frank Ullrich Montgomery
Zur von Spahn geforderten schnelleren Anerkennung von ausländischen Ärzten nimmt die Bundesärztekammer keine Stellung. Unlängst aber hatte BÄK-Präsident Prof. Dr. Frank Ullrich Montgomery auf eine schnellere Verschärfung der Zulassung ausländischer Ärzte gepocht. Ärzte aus Nicht-EU-Staaten sollten eine Prüfung auf Niveau des 2.und 3. deutschen Staatsexamens ablegen müssen, um in Deutschland eine Zulassung zu erhalten.
Montgomery hält es für nicht tragbar, Zulassungen oder Approbationen nur nach alleiniger Prüfung der Papierform und nach Sprachprüfungen zu erteilen. Es müsse ausgeschlossen werden, dass Menschen als Arzt tätig würden, die sich in ihren Heimatländern Zertifikate gekauft haben, ohne jemals die Universität besucht zu haben.
Das Qualitätsniveau einiger Drittstaatler sei so schlecht, dass sich die Eignung mit der alleinigen Dokumentenprüfung und durch Kenntnisprüfungen nicht ausreichend feststellen ließe. Der Ärztemangel dürfe hierzulande nicht zu einer Absenkung des Qualitätsniveaus führen.
Für ausländische Pflegekräfte ist Deutschland nur mäßig attraktiv
Ausländische Pflegekräfte können den Pflegemangel in Deutschland nur sehr bedingt lindern, das hatte der DBfK schon vor Jahren klar gestellt. Oberstes Prinzip müsse vielmehr sein, den Bedarf an Fachpersonen im eigenen Land zu decken: „Das bedeutet Investitionen in die Qualifizierung und den Berufsverbleib sowie eine kurz-und mittelfristige Bedarfsplanung mit davon abgeleiteter Anpassung der Ausbildungskapazität. Zudem müssen die Arbeitsbedingungen deutlich attraktiver werden, denn nur so kann die Bindung des in Deutschland oder im Ausland ausgebildeten Pflegefachpersonals gelingen.“
Die Anwerbung von im Ausland qualifizierten Pflegefachpersonen werde nur zu einem geringen Teil den Fachkräftemangel in der Pflege vermindern, denn insgesamt sei Deutschland als Zielland für Pflegefachpersonen wenig attraktiv. Das sei durch schlechte Rahmenbedingungen in der Pflege, z.B. hohe Arbeitsbelastung, begrenzte Handlungsautonomie, geringe Aufstiegs-und Karrieremöglichketen sowie die niedrige Vergütung begründet.
„Dem ist auch heute nichts hinzuzufügen. Weltweit besteht ein zunehmender Mangel an Pflegefachkräften – warum sollten Migrationswillige ausgerechnet nach Deutschland kommen, wo sie nicht nur eine schwierige Sprache erlernen, sondern auch unter hoher Belastung arbeiten und Tätigkeiten ausführen müssen, die deutlich unter ihrem Ausbildungsniveau (weltweite Norm: Bachelor, medizinisch ausgerichtet) liegen? Da bieten europäische Länder wie Skandinavien, Niederlande, Schweiz u.a. deutlich mehr und bessere Perspektiven“, fasst Knüppel zusammen.
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Diesen Artikel so zitieren: Ausländische Ärzte und Pflegekräfte gegen den Personalmangel? Spahns Idee trifft auf wenig Gegenliebe - Medscape - 18. Apr 2018.
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