Mannheim – Für Patienten mit Vorhofflimmern gibt es nur eine therapeutische Intervention mit nachgewiesenem Mortalitätsbenefit, und das ist die orale Antikoagulation. Deshalb sollte ihr neben der Therapie der Grundkrankheit oberste Priorität eingeräumt werden. Dieses Fazit zog Prof. Dr. Michael Näbauer, I. Medizinische Klinik der Universität München, aus den Registerdaten des deutschen Kompetenznetzes Vorhofflimmern (AFNET), die er bei der 84. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie vorstellte [1].
AFNET ist ein bundesweites interdisziplinäres Forschungsnetz von Wissenschaftlern und Ärzten aus Klinik und Praxis, das ein breites Programm aus klinischen, Register- und Grundlagenstudien betreibt.
Patienten mit Vorhofflimmern haben zweifellos ein etwa doppelt so hohes Sterberisiko wie Gesunde. Das haben Daten der Framingham-Studie schon vor 20 Jahren gezeigt und es gilt für Frauen und Männer gleichermaßen. Bemerkenswert ist, dass die Risikosteigerung sich vor allem in den ersten Jahren nach Diagnose bemerkbar macht, danach verlaufen die Kurven weitgehend parallel.
Die Hoffnung, die Prognose der Patienten zu verbessern, indem man ihr Herz in den Sinusrhythmus zurückbringt, ist bekanntlich mehrfach enttäuscht worden – zuerst im Jahre 2002 in der AFFIRM-Studie, später in weiteren Studien. Eine Metaanalyse kam 2012 zu dem Schluss, dass weder Gesamt- noch kardiovaskuläre Mortalität durch eine erfolgreiche Kardioversion gesenkt werden kann. Allerdings sei das Ergebnis weitgehend durch AFFIRM als größte eingeschlossene Studie bestimmt worden, gab Näbauer zu bedenken.
Rund 9.000 Patienten aus dem AFNET ausgewertet
Das AFNET bietet die Chance, solche Befunde anhand von Real-life-Patienten zu verifizieren und zu prüfen, welche Faktoren tatsächlich die Prognose bestimmen. Dazu wurden Daten von 9.582 Patienten herangezogen, die zwischen Februar 2004 und März 2006 in das Register eingeschlossen worden waren.
Die hohe Qualität der Registerdaten zeigt sich unter anderem daran, dass von 96,2% der Teilnehmer der Mortalitätsstatus bekannt war, sodass Resultate von über 8.800 Patienten zur Auswertung kamen. Jeweils ein Drittel der Patienten hatte bei Einschluss paroxysmales oder permanentes Vorhofflimmern gehabt, weitere 20% persistierendes Vorhofflimmern. Das Follow-up betrug median 6,5 Jahre.
Bei Auswertung waren 28% der Patienten verstorben, davon knapp 40% an kardiovaskulären Ursachen, vor allem an akuter Herzinsuffizienz und plötzlichem Herztod. Nicht-kardiovaskuläre Todesursachen kamen ebenso häufig vor, und bei jedem Vierten war die Todesursache nicht bekannt.
Flimmerlast beeinflusst das Sterberisiko nicht
Es lag nahe zu prüfen, ob die „Flimmerlast“ sich prognostisch auswirkt, ob es also einen Unterschied macht, ob ein Patient paroxysmales oder permanentes Vorhofflimmern hat. Das war nicht der Fall, wie Näbauer berichtete: Zwar waren nach 6 Jahren 4 von 10 Patienten mit permanentem oder persistierendem Flimmern tot – mehr als von denen mit paroxysmalem Flimmern oder der ersten Flimmerepisode.
Der Unterschied zwischen den Gruppen verschwand aber komplett nach Adjustierung für Risikofaktoren wie Alter oder Begleiterkrankungen. 70% der Mortalität ließen sich allein durch Alter und Geschlecht erklären: „Wenn wir alt werden, haben wir ein erhöhtes Sterberisiko, dass lässt sich nun einmal nicht ändern“, kommentierte Näbauer.
Bei eingehender Analyse zeigten auch ein andere mit dem Vorhofflimmern assoziierte anamnestische Parameter praktisch keinen Einfluss auf die Sterblichkeit – weder Ablation noch elektrische oder medikamentöse Kardioversion. Den größten Effekt hatten kardiale Erkrankungen und Parameter wie vorangegangener Myokardinfarkt, Ejektionsfraktion und NYHA-Klasse, gefolgt von nicht-kardiovaskulären Faktoren (Tumor in der Anamnese, BMI, Nierenerkrankung, Rauchen und Diabetes). Überraschend stark wirkte sich auch eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung oder einer periphere Verschlusskrankheit aus.
Das Vorhofflimmern sei wohl selbst prognostisch nicht so relevant, sondern als Symptom einer Grunderkrankung zu betrachten, die auch das weitere Schicksal des Patienten bestimme, folgerte Näbauer. „Ich glaube, dass wir Vorhofflimmern symptomgeleitet therapieren sollten. Für einen Versuch, die Prognose zu verbessern, haben wir, außer für die orale Antikoagulation zur Schlaganfallprävention, keine Daten.“
REFERENZEN:
1. 84. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, 5. bis 7. April 2018, Mannheim
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Vorhofflimmern: Nur die orale Antikoagulation senkt nachweislich das Risiko – für die Rhythmuskontrolle gilt das nicht - Medscape - 16. Apr 2018.
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