Eine Myokarditis als unerwünschte Wirkung bei einer Behandlung mit Checkpoint-Inhibitoren könnte häufiger sein als bisher angenommen. Dies berichtet eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Tomas G. Neilan, Leiter des kardioonkologischen Programm am Massachusetts General Hospital, Boston, in einer online im JACC veröffentlichen Studie mit Dr. Syed Saad Mahmood, NewYork-Presbyterian Hospital, New York, USA, als Erstautor [1].
Anhand eines multizentrischen Registers fanden sie eine Myokarditis mit einer Prävalenz von 1,14%. Sie trat im Median 34 Tage nach Therapiebeginn auf, nahm in der Regel einen malignen Verlauf und sprach nur auf hochdosierte Glukokortikoide an. In 50% der Fälle war es die erste immunvermittelte Nebenwirkung unter der Therapie.
Es gibt bereits verschiedene publizierte Fallserien zur Myokarditis bei Behandlung mit Checkpoint-Inhibitoren. Dieses Register sei jedoch größer und enthalte viele interessante Beobachtungen, erläutern Prof. Dr. Carlo Gabriele Tocchetti und Kollegen, Universität von Neapel, Italien, im begleitenden Editorial im JACC [2].
So haben die Autoren diesmal gezeigt, dass die Nebenwirkung bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren und bei einer Kombinationstherapie mit Checkpoint-Inhibitoren häufiger ist. Schwere kardiovaskuläre Ereignisse (MACE), definiert als kardiovaskulärer Tod, plötzlicher Herzstillstand, kardiogener Schock oder hämodynamisch signifikanter Herzfehler, waren in dieser Studie bei Patienten mit Myokarditis häufiger als in allen anderen Fallserien, was – so die Kommentatoren – auf einen malignen Verlauf hindeute, der ein maßgeschneidertes und aggressives Vorgehen erfordere.
Troponinspiegel überwachen?
Aufgrund des frühen Eintritts der Myokarditis regen die Editorialisten an, über die Implementierung eines entsprechenden Überwachungsprotokolls nachzudenken. Wie bei der durch Anthrazykline vermittelten Kardiotoxizität habe sich auch bei der Checkpoint-Inhibitor induzierten Myokarditis die Messung des Troponinspiegels als nützlich erwiesen, so dass dies sinnvoller Bestandteil eines solchen Protokolls sein könnte.
Weniger sinnvoll sei die Messung der Auswurffraktion, weil sie bei 40% der Patienten mit einem MACE normal war. "Dieser Befund ist wichtig, weil eine Myokarditis bei normaler Auswurffraktion normalerweise als relativ gutartig und selbstlimitierend betrachtet wird. Dies gilt jedoch nicht für die Checkpoint-Inhibitor-vermittelte Myokarditis", so Tocchetti und seine Kollegen.
Eine Myokarditis bei normaler Auswurffraktion wird normalerweise als relativ gutartig und selbstlimitierend betrachtet. Dies gilt jedoch nicht für die Checkpoint-Inhibitor-vermittelte Myokarditis.
Sie fordern weitere Untersuchungen, um die Mechanismen der Checkpoint-Inhibitor vermittelten Toxizitäten ebenso wie die kardiotoxischen Effekte neuer, derzeit in klinischer Entwicklung befindlicher Krebstherapeutika besser zu verstehen. Zudem sollte untersucht werden, ob mit einer später auftretenden chronischen Kardiotoxizität gerechnet werden muss.
Multizentrisches Register mit 35 Fällen
Checkpoint-Inhibitoren führen zu einer Reihe immunvermittelter Nebenwirkungen, die sich neurologisch, endokrin, pulmonal, gastrointestinal und renal zeigen können. In neuerer Zeit wurde in kleinen Fallserien auch über Myokarditiden im Zusammenhang mit einer Checkpoint-Inhibitor-Behandlung berichtet. Genauere Daten hierzu fehlten jedoch bislang.
Daher richteten die Autoren ein retro- und prospektives multizentrisches Register ein, in dem Daten von 35 Patienten mit einer Myokarditis unter Checkpoint-Inhibitor-Therapie gesammelt und mit den Daten von 106 ebenfalls mit Checkpoint-Inhibitoren behandelten Patienten verglichen wurden, die jedoch keine Myokarditis entwickelt hatten.
Von den 35 Patienten wurden 12 mit einer Kombination meist aus Ipilimumab und Nivolumab (n = 9) behandelt, 23 erhielten eine Monotherapie mit Pembrolizumab (n = 11), Nivolumab (n = 7), Ipilimumab (n = 2), Tremelimumab (n = 1) oder Atezolizumab (n = 2). Häufigste Indikationen für die Behandlung mit den Checkpoint-Inhibitoren waren Melanom und Lungenkarzinom. Bei Auftreten der Myokarditis war die Behandlung abgebrochen worden.
In der Analyse trat die Myokarditis mit einer Prävalenz von 1,14% im Median 34 Tage nach Behandlungsbeginn auf. 66% der Betroffenen waren mit einer Monotherapie behandelt worden. Bei 94% der Patienten mit einer Myokarditis waren die Troponinspiegel erhöht, bei 89% war das EKG verändert und bei 51% war die linksventrikuläre Auswurffraktion (LVEF) normal.
Im Vergleich zur Kontrollgruppe trat eine Myokarditis bei Patienten unter einer Kombinationstherapie mit 34% signifikant häufiger auf als bei Patienten unter Monotherapie (2%, p < 0,001). Bei Patienten mit Diabetes mellitus war eine Myokarditis mit 34% ebenfalls häufiger als bei Patienten ohne Diabetes (13%, p = 0,01).
Während der Nachbeobachtungszeit von median 102 Tagen entwickelten 46% der Patienten ein MACE. 38% der MACE (n = 6) traten bei Patienten mit normaler LVEF auf. Bei einem Anstieg des Troponinspiegels auf 1,5 ng/ml oder höher nahm das Risiko für ein MACE um das 4-Fache zu.
Zur initialen Behandlung der Myokarditis erhielten 89% der Patienten Glukokortikoide. Bei hoher initialer Dosis waren MACE-Rate und Troponinspiegel niedriger.
REFERENZEN:
1. Mahmood SS, et al: J Am Coll Cardiol. (online) 19. März 2018
2. Tocchetti CG, et al: J Am Col Cardiol. (online) 19. März 2018
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Diesen Artikel so zitieren: Erfolgreiche Krebstherapie mit Risiko: Immer mehr Myokarditis-Meldungen unter Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren - Medscape - 29. Mär 2018.
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