MEINUNG

Wie geht es Ihrer Leber heute? Hausärzte sollen unerkannte HCV-Infektionen aufspüren – und sogar therapieren

Dr. Klaus Fleck

Interessenkonflikte

21. März 2018

Viele mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) infizierte Patienten wissen nicht, dass sie den Erreger in sich tragen. Sie riskieren damit langfristig Leberzirrhose und hepatozelluläres Karzinom. Dabei können insbesondere Hausärzte und Allgemeinmediziner dazu beitragen, die Infektion früher zu entdecken und zu behandeln.

Dr. Silke Heldwein

Wie, erklärt die in einer infektiologischen Schwerpunktpraxis in München niedergelassene Internistin und Infektiologin Dr. Silke Heldwein im Interview mit Medscape. Die mit der HCV-Therapie verbundenen Herausforderungen sind eines der zentralen Themen der 17. Münchner Aids und Hepatitis Tage 2018, die in dieser Woche in Berlin stattfinden.

Medscape: Bisher lag die Therapie ja eher in den Händen von Ärzten, die mit Hepatitis-Infektionen große Erfahrung haben. Wie können Hausärzte und Allgemeinmediziner nun erfolgreich dazu beitragen, Patienten mit HCV zu identifizieren und geeignet zu behandeln?

Dr. Heldwein: Vor allem bei der Früherkennung der Hepatitis C können Hausärzte und Allgemeinmediziner eine zentrale Rolle spielen. Sie sind für einen Großteil aller Patienten die erste Anlaufstelle. Das bietet die Chance, HCV-Infizierte unselektioniert aus der Patientengesamtheit herauszufiltern.

Es wäre enorm viel gewonnen, wenn bei allen Patienten einer hausärztlichen oder allgemeinmedizinischen Praxis im Rahmen einer sowieso angesetzten Blutuntersuchung einmalig eine Bestimmung von HCV-Antikörpern stattfinden könnte. Die Testung auf Hepatitis C wie B fällt unter die EBM-Ausnahme-Indikationen und belastet daher nicht das Budget.

Eine positive Antikörpertestung sollte im zweiten Schritt die Bestimmung der HCV-Viruslast nach sich ziehen, um zwischen einer bestehenden Infektion und einem Zustand nach Infektion, also einer nicht behandlungsbedürftigen Ausheilung der Hepatitis-C-Infektion, zu unterscheiden. Die meisten der an Hepatitis C erkrankten Patienten könnten auf diese Weise früher als jetzt identifiziert werden, um ihnen umgehend eine geeignete Therapie zu ermöglichen.

Medscape: Warum werden so viele chronische HCV-Infektionen erst gar nicht erkannt?

Dr. Heldwein: Hauptgrund dafür ist, dass die chronische Hepatitis C meist jahrzehntelang symptomfrei verläuft. Dazu kommt, dass auch im Rahmen hausärztlicher Routine-Untersuchungen – etwa beim Check-up 35 – kaum Blutuntersuchungen veranlasst werden, die auch die Transaminasen (AST/GOT, ALT/GPT und Gamma-GT) einschließen. Es gibt allerdings auch Hepatitis-C-Infektionen ohne eine Erhöhung der Transaminasen.

Viele Infektionen werden zudem nicht erkannt, da kein erhöhtes Risiko für eine Hepatitis-C-Infektion angegeben oder angenommen wird.

 
Man vermutet eine sehr hohe Dunkelziffer, die teilweise auf bis zu auf 40-50% geschätzt wird. Dr. Silke Heldwein
 

HCV-Prävalenz in Deutschland

Während in der WHO-Region Europa insgesamt etwa 1,5% der Bevölkerung als HCV-infiziert gelten, wird die in der deutschen Allgemeinbevölkerung festgestellte HCV-Antikörper-Prävalenz vom Robert Koch-Institut mit 0,3% angegeben. „Man vermutet eine sehr hohe Dunkelziffer, die teilweise auf bis zu auf 40-50% geschätzt wird“, sagt Dr. Silke Heldwein, „daher dürften die tatsächlichen Zahlen deutlich höher liegen.“

Manche Schätzungen gehen von mehr als einer Viertelmillion betroffenen Patienten aus. Zu den wichtigsten Risikogruppen zählen intravenöse Drogen-Konsumenten, Gefängnisinsassen, Empfänger von Blutprodukten und Männer, die Sex mit Männern haben.

„Frappierend ist allerdings, dass nur etwa ein Viertel der neu entdeckten HCV-Infizierten einer Risikogruppe zugeordnet werden kann“, so Heldwein. Bei knapp drei Vierteln von ihnen sei kein risikobehaftetes Verhalten erkennbar. Möglicherweise wird ein solches von einigen von ihnen bei der Anamnese aber auch einfach vergessen oder etwa aus Scham nicht angegeben.

Medscape: Kann die Behandlung auch durch hausärztliche Praxen erfolgen?

Dr. Heldwein: Momentan wird die chronische HCV-Infektion vor allem von Gastroenterologen, Infektiologen und Suchtmedizinern und nur selten von Hausärzten therapiert. Dabei wäre es aus meiner Sicht wünschenswert, wenn mehr Hausärzte für das Thema sensibilisiert und vor allem in die Früherkennung der Infektion eingebunden werden könnten. Einfache Fälle ohne schwere Folge- oder Begleiterkrankungen, die ja den Großteil aller HCV-Infektionen darstellen, könnten sie auch selbst behandeln.

Gegebenenfalls stellt sich der Patienten auch bei einem Spezialisten vor, der mit dem Hausarzt die geplante Therapie anschließend diskutieren kann. Liegen bereits Spätfolgen oder Begleiterkrankungen wie eine Hepatitis-B- oder HIV-Erkrankung vor, sollte möglichst immer eine Mitbetreuung durch spezialisierte hepatologische oder infektiologische Kollegen erfolgen.

Medscape: Wie effektiv ist die Hepatitis-C-Therapie?

Dr. Heldwein: Die meisten Patienten, die noch keine Spätfolgen wie Leberzirrhose oder hepatozelluläres Karzinom (HCC) oder andere schwerwiegende Begleiterkrankungen haben, kann man mit den seit 2014 verfügbaren direkt antiviral wirksamen Substanzen (DAA) sehr gut behandeln. Mittlerweile können hier 5 verschiedene Regime in fixer Kombination und einige Einzelsubstanzen eingesetzt werden.

Die Effektivität einer solchen weitgehend nebenwirkungsfreien 8- bis 12-wöchigen Therapie liegt in HCV-Patientengruppe meist bei mehr als 95%.

Medscape: Worauf sollte der Hauarzt bei der Behandlung unbedingt achten?

Dr. Heldwein: Auch bei einer unkomplizierten chronischen Hepatitis C gilt es, eventuell bestehende Begleiterkrankungen und deren Medikation im Hinblick auf Arzneimittel-Interaktionen im Auge zu behalten. Man sollte zum Beispiel stets die Kreatinin-Clearance und glomeruläre Filtrationsrate zur Beurteilung der Nierenfunktion beobachten.

 
Der Preis-Dschungel ist oft nicht zu überblicken. Dr. Silke Heldwein
 

Auch hier erscheint es günstig, sich als Hausarzt von Zeit zu Zeit die Zweitmeinung eines Spezialisten zum jeweils betreuten Patienten einzuholen.

Medscape: Belasten die hohen Therapiekosten das Budget?

Dr. Heldwein: Je nach Regime kann ein einzelner Behandlungszyklus mit Kosten zwischen 32.000 und 66.000 Euro verbunden sein. Dies sollte man jedoch vor dem Hintergrund sehen, dass die Nichtbehandlung einer chronischen Hepatitis-C-Infektion schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen hervorrufen kann. Die Therapie wäre langfristig für das Gesundheitssystem noch deutlich teurer.

Strukturverträge mit gesetzlichen Krankenkassen, die es allerdings noch nicht in allen Bundesländern gibt, ermöglichen eine extrabudgetäre Honorierung der Betreuung von Hepatitis-C-Patienten. Sie erhöhen die Regresssicherheit für vertragskonform handelnde Ärzte. Hier empfehle ich unter Umständen eine Nachfrage bei der jeweiligen Krankenkasse.

Für einen guten Regressschutz rät z.B. der Berufsverband niedergelassener Gastroenterologen eine strikte Einhaltung des Zulassungslabels, die Anwendung der deutschen Leitlinien zur Hepatitis-C-Therapie und die Einhaltung des Wirtschaftlichkeits-Gebotes unter Berücksichtigung des Apotheken-Abgabepreises.

Medscape: Wie lässt sich erkennen, welche Therapie gleichzeitig wirksam und wirtschaftlich ist?

Dr. Heldwein: Leider ist das selbst für spezialisierte Behandler im Einzelfall schwer zu entscheiden. Der Preis-Dschungel ist oft nicht zu überblicken. Er entsteht durch uneinheitliche Preisangaben mittels Lauer-Taxe, Herstellerrabatte und nicht durchschaubarer Rabatt-Verträge mit einzelnen Krankenkassen auf regionaler Ebene.

Zur Beseitigung dieses Dilemmas wäre es dringend nötig, dass etwa die Krankenkassen oder der G-BA für eine bessere Preis-Transparenz sorgen.

 

REFERENZEN:

1. 17. Münchner Aids und Hepatitis Tage 2018 (23. bis 25. März 2018, Berlin)

 

Kommentar

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