Orlando – Wenn die Tagestemperatur Schwankungen von mehr als 10 °C aufweist, werden mehr Patienten mit einem STEMI (ST-Hebungs-Infarkt) ins Krankenhaus eingeliefert. Dies ist das Ergebnis einer Beobachtungsstudie an Patienten im US-Bundesstaat Michigan. Außerdem war der Effekt an heißen Tagen deutlicher ausgeprägter, berichteten Dr. Hedvig Bille Andersson und ihr Team von der Universität von Michigan in Ann Arbor, USA, während der Jahrestagung des American College of Cardiology (ACC) [1].
„Die Tagesschwankungen der Temperatur scheinen mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkte in Verbindung zu stehen und dieser Effekt ist an Tagen mit einer höheren Durchschnittstemperatur noch ausgeprägter“, sagte Co-Autor Dr. Hitinder S. Gurm, ebenfalls Universität von Michigan, während eines Presse-Briefings.
Mechanismus noch unbekannt
Es ist zu erwarten, dass die globale Erwärmung mehr Extrem-Wetterereignisse mit sich bringen wird, was dann zu einer erhöhten Anzahl von Herzinfarkten führen könnte. Aber der Klimawandel wird auch zu geringeren Temperaturschwankungen im Tagesverlauf führen, was wiederum eine Abmilderung dieses Effektes bedeuten würde, ordnete Andersson die Befunde gegenüber Medscape ein.
Auf jeden Fall sei es wichtig, darauf hinzuweisen, dass der zugrunde liegende Mechanismus dieses Zusammenhangs zwischen der täglichen Temperaturschwankung und dem STEMI-Risiko unbekannt bleibe. Es seien weitere Untersuchungen erforderlich, „um die kausalen Zusammenhänge darüber, wie Temperaturschwankungen das Infarktrisiko erhöhen können, besser zu verstehen, woraus sich vielleicht ein erfolgreicher Präventionsansatz ableiten lässt“.
„Da wir immer noch relativ wenig über die Wirkung externer Stressoren auf das Herz wissen, bleibt es in der Zwischenzeit wichtig, sich auf die klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren wie Rauchen und Bluthochdruck zu konzentrieren, um das Infarktrisiko zu senken“, betonte Andersson.
Dr. David A. Alter von der Universität von Toronto in Kanada, der an dieser Untersuchung nicht beteiligt war, stimmt zu, dass „solche Befunde bestätigt und in anderen Studien reproduziert werden müssen“. „Wenn sie jedoch zutreffend sein sollten“, erklärte er gegenüber Medscape, „sind die Ergebnisse nicht nur interessant, sondern auch hinsichtlich der Frage bedeutsam, wie viele Menschen – also in absoluten Zahlen – aufgrund moderater Temperaturschwankungen einem erhöhten Infarktrisiko ausgesetzt sein könnten“.
Temperaturschwankungen als Risikofaktor für einen Infarkt
„Es ist bekannt, dass Umweltstress einen Myokardinfarkt triggern kann und Menschen erleiden mehr Infarkte, wenn es Erdbeben, Terroranschläge, Tsunamis“ und andere große Stressoren gibt, wozu auch die Kälte gehört, sagte Gurm, aber es war bislang nicht klar, ob auch plötzliche Temperaturveränderungen dazugehören.
Um dem nachzugehen, untersuchten die Forscher 30.404 Fälle von Patienten, die sich zwischen 2010 und 2016 in 45 Kliniken in Michigan aufgrund eines STEMI einer perkutanen Koronarintervention unterzogen hatten. Dabei betrachteten sie die Temperaturveränderungen am Tag des STEMI und adjustierten die Ergebnisse hinsichtlich der Niederschlagsmengen, der Wochentage und saisonaler Trends.
Im Vergleich zu Tagen mit konstanter Temperatur, definiert als Tage, an denen die Differenz zwischen der niedrigsten und der Höchsttemperatur nur 0 bis 5 °C betrug, stieg die Zahl der STEMI-Ereignisse an Tagen, an denen die Temperatur um 5 bis 10 °C schwankte, um 1,2 %. Bei Temperaturschwankungen von 10 bis 15 °C bzw. von über 15 °C stieg die Zahl der STEMI um 6,9% bzw. 11,1%.
Auf der Grundlage dieser neuen Ergebnisse „würde ich zögern, Temperaturschwankungen als Risikofaktor für einen Infarkt zu bezeichnen“, warnte Alter. „Selbst wenn die Ergebnisse an anderer Stelle reproduzierbar wären, impliziert ein Risikofaktor eine Kausalität. Doch bisher haben wir nur eine Assoziation oder einen Hinweis."
„Dennoch bedeutet diese Studie einen weiteren Fingerzeig in Richtung der bereits recht stabilen Evidenzlage, wonach Umweltfaktoren bei Fragen der Gesundheit (oder Krankheit) des Einzelnen potenziell bedeutsam sind“, sagte er, „die Ergebnisse kommen also nicht völlig unerwartet“.
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
REFERENZEN:
1. 67th Scientific Session of the American College of Cardiology (ACC 2018), 10. bis 12. März, Orlando/USA
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Temperatur-Achterbahn schlecht fürs Herz? Je mehr die Außentemperatur schwankt, umso eher drohen Infarkte - Medscape - 20. Mär 2018.
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