Schmerz lass nach! Aber besser ohne Opioide: Bei Muskel-Skelett-Erkrankungen bringen sie keinen Vorteil

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

19. März 2018

Opioid-Analgetika zeigten gegenüber Nicht-Opioid-Analgetika keine besseren Effekte bei Patienten mit Rücken-, Hüft- oder Kniegelenksschmerzen. Zu diesem Ergebnis kommt Dr. Erin E. Krebs auf Basis einer randomisierten kontrollierten Studie [1]. Sie forscht am Center for Chronic Pain, Department of Medicine der University of Minnesota Medical School, USA.

Prof. Dr. Wolfgang Rüther, Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), kritisiert gegenüber Medscape mehrere Schwächen der Arbeit: „Hier wurde eine sehr heterogene Population untersucht: ganz unterschiedliche Patienten mit Rücken- oder Knieschmerzen“, sagt der Experte. „Dann wurden mehrere Opioide mit NSAR und Paracetamol verglichen. Außerdem ist die Patientenzahl mit weniger als 250 sehr gering.“

Der Experte ergänzt: „Ich käme niemals auf die Idee, solchen Patienten ein Opioid zu geben: in meinen Augen eine groteske Vorstellung.“ Als Beispiel nennt er eine Gonarthrose. Hier seien Opioide nicht leitliniengemäß. Es gibt jedoch Ausnahmen. Wie Medscape berichtet hat, sieht auch die Versorgungsleitlinie „nicht-spezifischer Kreuzschmerz“ nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) an erster Stelle. Unter strikten Indikationen kommen Opioide vor, jedoch nur als Ausnahme und nur kurzfristig. „Ich glaube, die Idee von Krebs und Kollegen war zu kategorisieren: Brauchen wir in dem Zusammenhang Opioide überhaupt oder brauchen wir sie nicht?“, so Rüther.

Studie vergleicht Analgetika anhand des individuellen Ansprechens

Krebs bewertet das Thema vor allem durch eine steigende Zahl ältere Menschen mit Muskel-Skelett-Erkrankungen als relevant. Dies liege an der demographischen Entwicklung. „Bislang war die Frage, ob Opioide im Vergleich zu Nicht-Opioid-Medikamenten Beschwerden bei Patienten mit mittelschweren bis schweren chronischen Rückenschmerzen, Hüft- oder Kniearthrose-Schmerzen besser kontrollieren, nicht ausreichend geklärt“, schreibt die Erstautorin.

 
Ich käme niemals auf die Idee, solchen Patienten ein Opioid zu geben: in meinen Augen eine groteske Vorstellung. Prof. Dr. Wolfgang Rüther
 

Sie hat 240 vorbehandelte Patienten mit entsprechenden Beschwerden aus Kliniken des US Department of Veterans Affairs in ihre Studie aufgenommen. Sie waren im Mittel 58,3 Jahre alt und litten vorrangig an Rückenschmerzen (156 Patienten, 65%) bzw. an Hüft- oder Knieschmerzen (84 Patienten, 35%).

Alle Teilnehmer wurden randomisiert einer Gruppe mit Opioid- und einer Gruppe mit Nicht-Opioid-Analgetika zugeordnet. Als Behandlungsziele definierten die Forscher neben der Analgesie auch Verbesserungen körperlicher Funktionen.

In der Opioid-Gruppe begannen Krebs und Kollegen mit nicht retardiertem Morphin, Oxycodon oder Hydrocodon plus Paracetamol. Reichte diese Pharmakotherapie nicht aus, folgten retardiertes Morphin bzw. retardiertes Oxycodon. Stellte sich kein Erfolg ein, wurde Fentanyl transdermal verabreicht.

Bei der Nicht-Opioid-Gruppe setzten Ärzte zu Beginn auf Paracetamol und auf NSAR, gefolgt von adjuvanten Arzneistoffen (Nortriptylin, Amitriptylin oder Gabapentin) beziehungsweise topischen Analgetika (Capsaicin oder Lidocain). Als letzte Maßnahme blieben Pregabalin, Duloxetin bzw. Tramadol. Medikamente wurden in beiden Gruppen entsprechend des individuellen Ansprechens geändert oder in der Dosierung angepasst.

 
Unsere Ergebnisse liefern keine Argumente für Opioid-Therapien bei mittelschweren bis schweren chronischen Rückenschmerzen, Hüft- oder Kniearthrose-Schmerzen. Dr. Erin E. Krebs
 

Opioide nicht überlegen

Primärer Endpunkt waren Änderungen schmerzbedingter funktionaler Einschränkungen. Der sekundäre Endpunkt bezog sich auf Änderungen der Schmerzstärke. Entsprechende Parameter erfasste Krebs anhand des Brief Pain Inventory (BPI) mit 0 bis 10 Punkten, wobei höhere Werte für stärkere Schmerzen bzw. Einschränkungen stehen. Klinisch relevante Effekte wurden als Änderung von mindestens 1 Punkt in den BPI-Skalen definiert. 

Nach 12 Monaten gab es zwischen beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich funktionaler Einschränkungen durch den Schmerz (3,4 Punkte bei Opioid-Analgetika versus 3,3 Punkte bei Nicht-Opioid-Analgetika). Allerdings war die Schmerzintensität in der Nicht-Opioid-Gruppe signifikant geringer als in der Opioid-Gruppe (3,5 versus 4,0 Punkte).

Durch Opioide traten signifikant mehr unerwünschte Ereignisse auf als in der Vergleichsgruppe (2,6 versus 1,8 in 12 Monaten). „Unsere Ergebnisse liefern keine Argumente für Opioid-Therapien bei mittelschweren bis schweren chronischen Rückenschmerzen, Hüft- oder Kniearthrose-Schmerzen“, fasst Krebs zusammen.

Stärken und Schwächen

Die Erstautorin betont, ihre randomisierte klinische Studie erlaube starke Rückschlüsse auf den Effekt. Dennoch sieht sie mehrere Einschränkungen:

  • Patienten berichten anhand von Skalen selbst über Ergebnisse der Pharmakotherapie. Das kann zu einem gewissen Bias führen.

  •  Die Kohorte entspricht hinsichtlich der Alters-, Geschlechts- und Krankheitsverteilung nicht Patienten aus dem klinischen Alltag.

  • Patienten mit Opioidabhängigkeit, bei denen Schmerztherapien deutlich schwieriger sind, wurden ausgeschlossen. 

  • Ob der analgetische Effekt zu Gunsten von Nicht-Opioid-Analgetika ausfällt, kann Krebs nicht sagen. Der Unterschied sei zwar statistisch signifikant, aber nicht unbedingt klinisch relevant..

 

REFERENZEN:

1. Krebs EE, et al: JAMA (online) 6. März 2018

 

Kommentar

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