Mammografie-Screening für alle Frauen zwischen 45 und 75: Was spricht dafür und wie soll beraten werden?

Petra Plaum

Interessenkonflikte

15. März 2018

Düsseldorf – Sollte das Mammografie-Screening in Deutschland auf die Altersspanne 45 bis 75 Jahre ausgeweitet werden? Darüber wurde beim diesjährigen Fortbildungskongress der Frauenärztlichen BundesAkademie, kurz FOKO 2018, in Düsseldorf kontrovers diskutiert [1].

Pro erweiterter Screening-Zeitraum …

Für ein erweitertes Screening spricht u.a. ein soeben publizierter US-amerikanischer Review, dessen Kernergebnis lautet: "Verglichen mit allen anderen Screening-Regimes bringt das jährliche Mammografie-Screening, das mit 40 Jahren beginnt, die größte Mortalitätsreduktion in Hinblick auf gewonnene Lebensjahre."

Ein weiteres Argument für ein erweitertes Screening-Intervall sei die Tatsache, dass viele der Studien, die gegen eine Mammografie sprechen, veraltet oder von minderer Qualität seien, hieß es beim Kongress. Dagegen fänden vielzitierte Arbeiten – wie der schwedische Two-County Trial mit 133.000 Teilnehmerinnen zwischen 40 und 74 Jahren – einen erheblichen Überlebensvorteil für die gescreenten Frauen jeder Altersgruppe.

Pro erweitertes Screening spreche außerdem, dass bei Frauen vor der Menopause Brustkrebs oft besonders schnell wachse und metastasiere, so dass eine Früherkennung bei ihnen einen besonders großen Benefit bringen könnte.

Dafür spreche zudem der Umstand, dass viele asymptomatische Frauen unter 50 und über 70 zur Beruhigung eine Mammografie wünschten, aber ihre Ärzte ihnen dafür entweder (unter Umständen nicht vorhandene) Beschwerden attestieren oder die Patientinnen die Untersuchung selbst bezahlen müssten.

In Deutschland sei die Aussagekraft der Mammografien zudem hoch und werde immer besser, wie auch der letzte veröffentlichte Jahresbericht Qualitätssicherung zum Deutschen Mammografie-Screening-Programm 2015 belege.

Im Alter unter 50 Jahren hat man vor allem falsch positive Befunde, zum Beispiel durch harmlose Zysten

Dr. Karin Bock

Dennoch seien falsch-positive Befunde und Überdiagnosen nach wie vor ein Problem, räumte Dr. Karin Bock, Leiterin des Referenzzentrums Mammografie Südwest in Marburg, ein. "Im Alter unter 50 Jahren hat man vor allem falsch positive Befunde, zum Beispiel durch harmlose Zysten", informierte sie. "Bei Älteren hat man dafür das Problem der Überdiagnose – sie haben zwar wirklich Brustkrebs, wären aber unbehandelt an anderen Ursachen gestorben." Zu diesen Überdiagnosen gebe es keine klaren Angaben, man könne sie nur posthum ermitteln.

Ich bin dafür, dass man das Screening erweitert.

Dr. Karin Bock

Dennoch betonte Bock: "Ich bin dafür, dass man das Screening erweitert, man muss sich aber bewusst machen, dass man die Effekte der jetzigen Screenings nicht erreicht." Dies sollten die Patientinnen wissen, um mit dem Risiko für Folgeuntersuchungen bzw. Überdiagnosen umzugehen lernen und Entscheidungen fällen können, die zu ihren Wünschen und Bedürfnissen passen.

… und contra erweiterter Screening-Zeitraum

Gegen ein erweitertes Screening sprach – oder eher wetterte – der niedergelassene Gynäkologe Prof. Dr. Bernhard-Joachim Hackelöer aus Hamburg.

Dagegen spreche derzeit u.a. die neueste Studie aus den Niederlanden: Die Autoren errechneten für das dortige Screening-Programm für Frauen von 50 bis 75 Jahren eine sehr hohe Zahl an Überdiagnosen, vor allem in der Altersgruppe ab 70 Jahren. Hackelöer wies darauf hin, dass das niederländische Programm das Vorbild für das laufende deutsche Mammografie-Screening-Programm war.

Außerdem ist laut dieser Studie die verringerte Rate an Brustkrebs-Todesfällen unter den gescreenten Patientinnen womöglich verbesserten Therapien zu verdanken und nicht der früheren Entdeckung der Tumoren.

Der Umstand, dass im Durchschnitt 40% aller Frauen eine Brustdichte von ACR 3 und 10% sogar von ACR 4 haben, spricht auch gegen eine Erweiterung des Screening-Zeitraums. Diese Patientinnen haben mehr Drüsen- und Bindegewebe in der Brust als Fettgewebe und dadurch auch ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs. Je jünger die Patientin, desto höher die Dichte, was die Aussagekraft der Mammografie stark vermindere. Hackelöer verwies auf jene US-Bundesstaaten, in denen Patientinnen vor der Teilnahme am Screening-Programm ihre eigene Brustdichte erfahren, um eine informierte Entscheidung treffen zu können.

Ein Argument gegen ein erweitertes Screening sind auch Gesundheitsrisiken durch wiederholte Mammografien: "Warum redet hier kein Mensch darüber, dass ionisierende Strahlung auch Schaden anrichten kann?", fragte Hackelöer. "Vor allem bei jüngeren Frauen, da ist die Brust strahlensensibler."

Warum redet hier kein Mensch darüber, dass ionisierende Strahlung auch Schaden anrichten kann?

Prof. Dr. Bernhard-Joachim Hackelöer

Außerdem kämen vor lauter Diskussionen um "Mammografien ja/nein" und "wenn ja, in welcher Alterskohorte" viele andere Möglichkeiten der Brustkrebs-Früherkennung zu kurz.

Hackelöer schlussfolgerte: "Der Mamma-Screening-Bus hat einen Platten." Er forderte, über einen Stopp des laufenden Programmes nachzudenken statt über eine Ausweitung auf andere Altersgruppen. Auch sei wünschenswert, dass ein "den individuellen Bedürfnissen der Frauen angepasstes multimodales Früherkennungssystem ab 35 Jahren" eingeführt werde – nicht nur, aber durchaus auch mit Mammografien.

Der Mamma-Screening-Bus hat einen Platten.

Prof. Dr. Bernhard-Joachim Hackelöer

Tastuntersuchung nicht vergessen

Eine Frauenärztin aus dem Publikum wies darauf hin, dass Patientinnen sich nicht in falscher Sicherheit wiegen dürften, nur, weil ab 50 Jahren alle 2 Jahre eine Mammografie ansteht. Anleitungen zur Tastuntersuchung zuhause und zum Achten auf andere Symptome, z.B. ein verändertes Aussehen einer Brust, dürften nicht vernachlässigt werden.

Ein Gynäkologe berichtete, gute Erfahrungen damit gemacht zu haben, die Ultraschall-Untersuchung der Brust als IGeL-Leistung zur Früherkennung ebenfalls anzubieten.

Neue Studienergebnisse erwartet

In der anschließenden Diskussion verwies Bock darauf, dass demnächst 2 Studien Antworten darauf geben sollen, inwiefern Mammografie-Screening-Programme erweitert beziehungsweise verbessert werden könnten.

Eine der Studien, TMIST (Tomosynthesis Mammographic Imaging Screening Trial), rekrutiert gerade Amerikanerinnen im Alter von 45 bis 74 Jahren, die ihr geplantes Screening entweder mit einer normalen Mammografie oder der Tomosynthese (3D-Mammografie) erhalten, die vor allem bei Frauen mit dichtem Drüsengewebe Vorteile bringen soll.

Die 2. Studie ist in Deutschland geplant, verantwortlich wird u.a. Prof. Dr. Alexander Katalinic sein, Direktor des Instituts für Sozialmedizin und Epidemiologie der Universität zu Lübeck. Frauen mit extrem hoher Brustdichte sollen ihr Screening zusätzlich mit Ultraschall bekommen. Dadurch könnte deutlicher werden, ob die Kombination Mammografie und Sonografie für diese Patientinnen sinnvoll ist.

 

REFERENZEN:
1. Fortbildungskongress der Frauenärztlichen BundesAkademie FOKO 2018, 1. bis 3. März 2018, Düsseldorf

 

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Kommentar

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