Der neue Tyrosinkinase-Inhibitor Larotrectinib führte in 3 prospektiven Studien mit 55 Patienten bei 17 unterschiedlichen TRK-fusionspositiven Krebserkrankungen zu lang anhaltenden Remissionen. Die Gesamtansprechrate lag bei 75%. Nach einem Jahr sprachen noch 71% der Patienten auf die Therapie an. Dies zeigt die von Dr. Alexander Drilon, Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, im New England Journal of Medicine publizierte Analyse [1]. Erste Ergebnisse dieser gepoolten Analyse wurden bereits 2017 bei der ASCO-Jahrestagung vorgestellt (wie Medscape berichtete).
Sie deuten darauf hin, dass Larotrectinib eine potenziell gut wirksame neue Therapie für Patienten mit diesen Tumorformen sein könnte. In den Studien wurde der Tyrosinkinase-Inhibitor sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen untersucht. „Die Behandlung von Tumoren anhand der genetischen Signatur erlaubt es, Forschungen voranzutreiben, ohne dass Kinder außen vor bleiben, wie das so oft der Fall ist,“ betont Koautor Dr. Ramamoorthy Nagasubramanian, Leiter der pädiatrischen Onkologie am Nemours Children's Hospital, Orlando, USA, in einer Pressemitteilung.
TRK-Fusion als Ursache von Krebserkrankungen
Eine Schlüsselkomponente für den Erfolg von Studien anhand der genetischen Signatur sei der geeignete diagnostische Test, so Prof. Dr. Fabrice André, Abteilung für Medizinische Onkologie, Institut Gustave Roussy, Université Paris Süd, Villejuif, Frankreich, im begleitenden Editorial im New England Journal of Medicine [2].
Die sogenannten Basket-Studien, in denen Patienten mit unterschiedlichen Tumoren, aber den gleichen molekularen Veränderungen eingeschlossen werden, erforderten jedoch die Entwicklung neuer statistischer Tools, um den Anspruch zu untermauern, dass eine Substanz bei verschiedenen Tumortypen wirkt, sowie für ein tieferes Verständnis für das Scheitern einiger Modelle. Ist eine solche klinische Entwicklung erfolgreich, „führt dies zur Schaffung neuer Diagnosen und Subgruppen von Erkrankungen, die nach ihren Biomarkern definiert sind und nicht länger anhand der histologischen Klassifikation“, so André.
Die neurotrophen Rezeptor-Tyrosinkinasegene NTRK1, NTRK2 und NTRK3 kodieren für die Tropomyosin-Rezeptorkinase(TRK)-Proteine TRKA, TRKB und TRKC. Nach der Embryogenese findet die TRK-Expression normalerweise nur noch im Nervensystem statt. Die Kinasen sind dann an der Regulation von Schmerzen, Propriozeption, Appetit und Gedächtnis beteiligt. Bei verschiedenen Krebserkrankungen von Erwachsenen und Kindern wurden jedoch chromosomale Fusionen an der carboxyterminalen Kinasedomäne der TRK nachgewiesen. Diese TRK-Fusionen führen zur Überexpression von chimären Proteinen, die Signalwege dauerhaft aktivieren. Derzeit wird vermutet, dass TRK-Fusionen bei etwa 1% aller soliden Tumoren beteiligt sind.
Oraler TKI Larotrectinib
Mit Larotrectinib befindet sich ein hoch selektiver kleinmolekularer Inhibitor aller 3 TRK-Proteine in klinischer Entwicklung. Das von Drilon und seinen Kollegen vorgestellte Studienprogramm umfasste 3 klinische Studien, und zwar eine Phase-1-Studie mit 8 Erwachsenen, die Phase 1/2-Studie SCOUT mit 12 Kindern und die Phase-2-Studie NAVIGATE mit 35 Jugendlichen und Erwachsenen mit TRK-Fusionsgen-positiven Tumoren. Die insgesamt 55 Patienten litten an 17 unterschiedlichen Krebserkrankungen. In der Phase-2-Studie erhielten sie oral 100 mg Larotrectinib 2-mal täglich. Die Therapie dauerte bis zur Progression, bis zum Studienabbruch durch den Patienten oder bis zum Auftreten inakzeptabler Nebenwirkungen.
Bei der ersten Datenanalyse im Juli 2017 konnte bei der unabhängigen Beurteilung eine Gesamtansprechrate von 75% festgestellt werden. 13 % der Patienten zeigten ein komplettes, 62 % ein partielles Ansprechen. Bei 13% lag eine stabile Erkrankung vor und bei 9% war es zur Progression gekommen. Die Auswertung durch die Untersucher ergab ähnliche Werte (siehe Tabelle).
Bis zum Ansprechen dauerte es im Median 1,8 Monate. Die mediane Dauer des Ansprechens und das mediane progressionsfreie Überleben waren zum Zeitpunkt der Analyse noch nicht erreicht. Nach einem Jahr hielt das Ansprechen bei 71 % der Patienten an, 55 % waren ohne erneute Progression.
Ansprechraten auf Larotrectinib
|
Zentrale Auswertung (%) (n = 55) |
Auswertung durch Untersucher (%) (n = 55) |
Gesamtansprechrate (95%-KI) (ORR = PR+CR) |
75% (61–85%) |
80% (67–90%) |
Partielle Ansprechen (PR) |
62% |
64%* |
Komplettes Ansprechen (CR) |
13% |
16% |
Stabile Erkrankung |
13% |
9% |
Progression |
9% |
11% |
Keine Auswertung möglich |
4% |
0% |
Gute Verträglichkeit
Der Kinasehemmer wurde gut vertragen. Häufigste unerwünschte Wirkungen vom Schweregrad 3 oder 4 waren Anämie, Anstieg der Leberenzyme, Gewichtszunahme sowie Abfall der Neutrophilenzahlen.
Eine primäre Resistenz gegen Larotrectinib bestand bei 6 Patienten, bei denen die Erkrankung unter Therapie fortschritt. Ein Patient war mit einem anderen TRK-Inhibitor vorbehandelt worden. Die Sequenzierung der Tumorgene ergab bei ihm eine Resistenzmutation an der ATP-Bindungsstelle der Kinasedomäne, die die Bindung von Larotrectinib sterisch behindert und damit dessen inhibitorische Potenz schwächt. Bei 3 Patienten konnte bei einer weiteren Untersuchung keine vermehrte TRK-Expression nachgewiesen werden, weshalb die Autoren eine Fehldiagnose aufgrund eines falsch-positiven initialen Tests vermuteten.
Eine erworbene Resistenz, definiert als Progression unter Larotrectinib-Therapie nach einem dokumentierten Ansprechen über mindestens 6 Monate, entwickelte sich bei 10 Patienten, die Therapie wurde jedoch bei 80% weitergeführt, weil ihr klinischer Nutzen nach Aussage des behandelnden Arztes anhielt.
REFERENZEN:
1. Drilon A, et al: NEJM 2018;378:731-9
2. André F: NEJM 2018;378:763-65
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Pille gegen 17 Krebsarten: TRK-fusionspositive Tumoren sprechen auf Tyrosinkinase-Inhibitor Larotrectinib sehr gut an - Medscape - 9. Mär 2018.
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