Hydrokortison plus Fludrokortison verringern die 90-Tage-Mortalität bei Patienten mit septischem Schock im Vergleich zu Placebo signifikant. Das berichtet Prof. Dr. Djillali Annane vom Service de Médecine Intensive et Réanimation, Hôpital Raymond Poincaré im französischen Garches auf Basis einer multizentrischen, doppelt verblindeten klinischen Studie [1]. Zuvor hatten Forscher gezeigt, dass Hydrokortison allein die Sterblichkeit nicht signifikant beeinflusste (wie Medscape berichtete).

Prof. Dr. Gernot Marx
„Hier handelt es sich um eine sehr große, methodisch gut gemachte Studie“, kommentiert Prof. Dr. Gernot Marx auf Nachfrage von Medscape. Er ist Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitätsklinikum Aachen. Gleichzeitig äußert er sich als Sprecher der Sektion Systemische Inflammation und Sepsis der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin.
„Eine gewisse Schwäche liegt darin, dass Annane und Kollegen ihr Design ändern mussten.“ Dies lag an der Marktrücknahme von Drotrecogin alfa, einem der ursprünglich vorgesehenen Wirkstoffe. Auch die Studiendauer von 6 Jahren bewertet Marx als „relativ lang“. „Trotz dieser Schwächen sollten wir die Ergebnisse sehr ernst nehmen“, ergänzt der Experte.
Marx verweist in diesem Zusammenhang auf eine weitere, kürzlich veröffentlichte Arbeit von Prof. Dr. Bala Venkatesh vom Department of Intensive Care, Wesley Hospital, in Brisbane. Wie Medscape berichtet hat, verringert Hydrokortison allein die 90-Tage-Mortalität nicht statistisch signifikant. „Beide Forscherteams haben gezeigt, dass unter Glukokortikoiden die Beatmungsdauer sowie der Intensivaufenthalt reduziert werden konnte und der Schockzustand kürzer war“, fasst Marx zusammen.
Deutliche Unterschiede habe es jedoch bei der Sterblichkeit gegeben. Seine Erklärung: „In der australischen Studie haben wir weniger schwerkranke Patienten als in der französischen Arbeit.“ Dies sei ein möglicher Grund, warum Annane signifikante Unterschiede im Überleben zwischen Verum und Placebo gefunden habe.
Zur Frage, welchen Effekt Hydrokortison plus Fludrokortison haben, sagt Marx: „Aufgrund früherer Arbeiten sehe ich die Schwere der Erkrankung als entscheidenden Unterschied beider Arbeiten und nicht die Kombinationstherapie.“
Marx weiter: „In meiner Klinik haben wir in SOPs (Standard Operating Procedures) festgelegt, Hydrokortison einzusetzen, falls nach 6-stündiger initialer Therapie der Schock immer noch schwer zu kontrollieren ist.“ Durch die neue Arbeit sehe er sich im generellen Vorgehen bestätigt.
Profitieren Schock-Patienten von der Kombination Hydrokortison plus Fludrokortison?
Für ihre APROCCHSS-Studie (Activated Protein C and Corticosteroids for Human Septic Shock) rekrutierten Annane und Kollegen 1.241 Patienten mit septischem Schock aus 34 Zentren. Dabei musste mindestens eines der folgenden Kriterien vorliegen:
eine klinisch oder mikrobiologisch bestätigte Infektion,
ein Sequential Organ Failure Assessments (SOFA) Score von 3 oder 4 für mindestens 2 Organe und über mindestens 6 Stunden,
die Gabe eines Vasopressors (Noradrenalin, Epinephrin u.a. in einer Dosis von ≥0,25 μg pro Kilogramm Körpergewicht pro Minute oder ≥1 mg pro Stunde) für mindestens 6 Stunden, um einen systolischen Blutdruck von mindestens 90 mmHg oder einen mittleren Blutdruck von mindestens 65 mmHg aufrechtzuerhalten.
Anschließend erhielten die Patienten randomisiert Hydrokortison plus Fludrokortison, Drotrecogin alfa, alle 3 Arzneimittel oder Placebos. Aufgrund der freiwilligen Marktrücknahme von Drotrecogin alfa, einer eine rekombinant hergestellte Form des endogenen Gerinnungsfaktors Protein C, wurde dieser Wirkstoff nicht weiter untersucht.
Patienten bekamen 7 Tage lang das Aldosteron-Derivat Fludrokortison (50 μg/Tag als orale Gabe). Es wirkt vor allem als Mineralokortikoid, aber auch als schwaches Glukokortikoid. Hinzu kamen 50 mg Hydrokortison/6 Stunden als intravenöse Bolusgabe über 7 Tage. Hierbei handelt es sich um ein schwach wirksames Glukokortikoid.
Als primären Endpunkt definierten Annane und Kollegen die Gesamtmortalität nach 90 Tagen. Sekundäre Endpunkte waren die Mortalität auf der Intensivstation, Krankenhausentlassungen am Tag 28 bzw. 180 und die Zahl an Tagen ohne Vasopressoren, ohne mechanische Beatmung bzw. ohne Organversagen.
Klarer Effekt auf den primären Endpunkt und auf sekundäre Endpunkte
Die 90-Tage-Mortalität betrug 43,0% (264 von 614 Patienten) in der Hydrokortison-plus-Fludrokortison-Gruppe und 49,1% (308 von 627 Patienten) in der Placebo-Gruppe. Als relatives Mortalitätsrisiko geben die Autoren 0,88 für die Kombinationstherapie an.
Auch bei einigen sekundären Endpunkten konnte die Arzneistoffkombination punkten. Unter Verum war die Mortalität bei Entlassung aus der Intensivstation (35,4% vs. 41,0%), bei Entlassung aus dem Krankenhaus (39,0% vs. 45,3%) und am Tag 180 (46,6% vs. 52,5%) signifikant geringer.
Hydrokortison plus Fludrokortison punkteten auch in den Tagen ohne Gabe von Vasopressoren bis Tag 28 (17 vs. 15). Die Anzahl der beatmungsfreien Tage war in beiden Gruppen ähnlich (11 versus 10). Hyperglykämien traten unter Hydrokortison-plus-Fludrokortison häufiger auf. Weitere signifikante Unterschiede gab es nicht.
Vergleich mit älteren Studien
Im Kommentar vergleicht Annane seine Ergebnisse mit älteren Arbeiten zum septischen Schock. Bei der Studie Ger-Inf-05 wurden Hydrokortison plus Fludrokortison mit Placebo verglichen: Unter Verum verringerte sich die 28-Tage-Mortalität um 6%.
Die Corticosteroid Therapy of Septic Shock (CORTICUS)-Studie zeigte keinen Überlebensvorteil innerhalb von 11 Tagen, falls Patienten Hydrokortison oder Placebo erhielten. Und bei der Hydrocortisone for Prevention of Septic Shock Study (HYPRESS) gelang es nicht, präventive Effekte von Hydrokortison nachzuweisen. Die Mortalität gehörte nicht zu den Endpunkten.
Die aktuelle australische und französische Arbeit zeigten jetzt den Benefit von Glukokortikoiden bei ausgewählten Patienten, fasst Marx zusammen.
REFERENZEN:
1. Annane D, et al: NEJM (online) 1. März 2018
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Erfolg beim septischen Schock: 90-Tage-Mortalität sinkt unter Hydrokortison plus Fludrokortison - Medscape - 8. Mär 2018.
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