Schützen Sie sich vor Korruptions-Vorwürfen: Bundesärztekammer stellt einen Katalog mit Fallstricken und Beispielen vor

Susanne Rytina

Interessenkonflikte

7. März 2018

Wann genau macht sich ein Arzt wegen Korruption strafbar? Die Bundesärztekammer (BÄK) hat hierzu einen Fragenkatalog zu dem Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen mit Beispielen aus der Praxis vorgelegt [1]. Die Transparency International Deutschland (TI) und MEZIS – Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte begrüßen das.

Wolfgang Wodarg

„Das Gesundheitswesen ist wie der Bausektor ein Bereich, in dem Korruption überdurchschnittlich häufig vorkommt, weil das System sehr intransparent ist“, sagt das Vorstandsmitglied von Transparency International (TI) Wolfgang Wodarg gegenüber Medscape. Die Bundesärztekammer habe nun mit dem Fragenkatalog ein wirksames Instrument zur Korruptionsprävention entwickelt, so auch das öffentliche Lob von TI in einer Pressemitteilung. „Er sollte Pflicht sein für jedes ärztliche Staatsexamen und Facharztprüfung“, fordert Wodarg.

 
Das Gesundheitswesen ist wie der Bausektor ein Bereich, in dem Korruption überdurchschnittlich häufig vorkommt, weil das System sehr intransparent ist. Wolfgang Wodarg
 

„Es wird vor allem sehr genau aufgezeigt, wo Fallstricke für Ärzte sind, die sie vorher nicht erkannt haben. Deshalb finde ich den Katalog und das sehr ausführliche Papier sehr gelungen“, sagt auch Dr. Christiane Fischer, Geschäftsführerin von MEZIS.

Gesetz gegen Korruption im Gesundheitswesen erst seit 2016

Bis vor wenigen Jahren gab es gar keine rechtliche Handhabe für den Staatsanwalt, Mediziner wegen Korruption strafrechtlich zu verfolgen. Erst seit 2016 gibt es ein eigenes Gesetz gegen die Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen.

Wenn Geld fließt oder andere Vorteile für den Arzt herausspringen, kann er strafrechtlich belangt werden. Das heißt, er bekommt etwas, das seine Entscheidungen zu Verordnungen, Überweisungen oder Zuführung von Patienten beeinflussen.

 
Der Fragen-Katalog sollte Pflicht sein für jedes ärztliche Staatsexamen und Facharztprüfung. Wolfgang Wodarg
 

3 bis zu 5 Jahren Freiheitsentzug oder hohe Geldstrafen stehen auf Korruption. Je höher das Ausmaß, desto höher auch das Strafmaß, etwa bei wiederholter Korruption, betont die BÄK in ihrem Katalog. Von einem „großen Ausmaß“ gehe man bei Schmiergeldern ab 10.000 Euro, in jedem Fall aber ab 50.000 Euro aus.

Unüberschaubare Absprachen und Verträge

„Das deutsche Gesundheitswesen ist äußerst komplex. In vielen Regionen Deutschland schließen Leistungserbringer Ärzte, Kliniken, Krankenkassen und Pharmaunternehmen Verträge. Kaum einer kann mehr übersehen, welche Absprachen dort stattfinden. Manche Verträge dienen nicht gerade dem Versorgungsauftrag und dem Behandlungswohl, sondern sie sind dazu da, sich in die eigene Tasche zu wirtschaften. Und das ist es, was das Gesetz bekämpfen will“, betont TI-Vorstandsmitglied Wodarg.

Er bedauert aber, dass das Gesetz in erster Linie nur wegen unlauterem Wettbewerbs greift und nicht wegen der Verletzung von ärztlichen Berufspflichten. „Wir hätten es für wichtig gehalten, dass der Arzt, der sich bestechen lässt, auch seine Berufspflichten vernachlässigt und das Wohl des Patienten schädigen kann“, so Wodarg. Ein entsprechender Paragraf sei aus dem Antikorruptionsgesetz gestrichen worden:

Strafbar macht sich der Arzt erst, wenn eine „Unrechtsvereinbarung“ besteht, das heißt laut BÄK, wenn der Arzt seine Entscheidungs- und Handlungsmacht über die vorgesehene angemessene Vergütung „verkauft“ und seine „Vorteilsgeber“ (z.B. ein Apotheker oder Pharmaunternehmen) gegenüber Mitbewerbern im unlauterem Wettbewerb bevorzugt.

Die BÄK listet hierzu Beispiel auf, bei denen sich Ärzte auf dünnes Eis begeben. Hier sind 4 davon:

Beispiel Anwendungsbeobachtungen

Sie sind nicht per se strafbar – zum Leidwesen von Mezis und Transparency International. „Wir sind der Meinung, dass Anwendungsbeobachtungen eine Form von legalisierter Korruption sind. Solche Studien sollten unabhängig vom Sponsor durchgeführt werden, die Ergebnisse müssen verpflichtend veröffentlicht werden und einer wissenschaftlichen Kontrolle unterliegen“, betont Wodarg.

Eine Unrechtsvereinbarung bei den Anwendungsbeobachtungen liegt laut BÄK vor, wenn der Arzt nicht für seinen zusätzlichen Aufwand entschädigt wird, sondern er ein „Bestechungsgeld“ für die bevorzugte Verordnung bestimmter Präparate bekommt. Wenn es sich um Pseudostudien sowie qualitativ schlechte Studien handle, könne dies auf korruptes Verhalten hinweisen, schreibt die BÄK. Es sei unlauterer Wettbewerb, weil ein Produkt vor dem anderen bevorzugt werden soll – gegen Bares.

 
Wir sind der Meinung, dass Anwendungsbeobachtungen eine Form von legalisierter Korruption sind. Wolfgang Wodarg
 

Anwendungsbeobachtungen dürften nur angemessen entschädigt werden, so die BÄK. Doch was ist angemessen? Die GOÄ sei in etwa die Richtschnur für eine angemessene Vergütung. Bekäme der Arzt 500 Euro pro Dokumentationsbogen, müsse der Zeitaufwand des Arztes immens sein, um die Höhe zu rechtfertigen, meint die BÄK. Dies wäre ein Indiz für einen Staatsanwalt zu ermitteln.

Beispiele Fortbildung

Dr. Niklas Schurig

MEZIS-Vorstandsmitglied Mitglied Dr. Niklas Schurig sieht gerade im Bereich der Fortbildung eine riesige juristische Grauzone, in der Geldzuwendungen nicht strafbar sind. So sei etwa im Berufsrecht noch nicht definiert worden, wieviel Honorar eigentlich ein Arzt maximal bekommen darf, der im Advisory Board eines Pharmaherstellers tätig ist und Vorträge auf Kongressen hält. Einige Ärztekammern arbeiteten momentan daran, so der Allgemeinmediziner Schurig.

Wieviel Geld darf ein Referent bei einer CME-Fortbildung erhalten – was wäre gerechtfertigt? So hat sich zum Beispiel die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern als eine der ersten Kammern auf folgende Grenzwerte in einem Beschluss festgelegt:

Regionale Veranstaltung, Symposium, Kongress bzw. vergleichbare Veranstaltungen (ohne Parallelveranstaltungen):

  • unter 1.000 Euro pro Unterrichtseinheit (keine weitere Prüfung)

  • über 1.000 Euro pro Unterrichtseinheit (Prüfung der Angemessenheit durch Ärztekammer)

Nationale und internationale Veranstaltungen, Symposium, Kongress bzw. vergleichbare Veranstaltungen (mit Parallelveranstaltungen)

  • unter 20.000 Euro pro Tag (keine weitere Prüfung)

  • über 20.000 Euro pro Tag (Prüfung der Angemessenheit)

Für problematisch hält Schurig auch die Praxis, dass die Unternehmen nur die Gesamtsponsor-Summe für einen Kongress benennen, nicht aber die Zuwendungen für einzelne Vorträge.

Die BÄK nennt Beispiele aus dem Bereich Fortbildung, in denen Kostenübernahmen und Aufwandsentschädigungen für die Teilnahme an Seminaren angeboten werden: Ein pharmazeutisches Unternehmen oder ein Hersteller von Medizinprodukten lädt Ärzte zu einem „Kundenseminar“ ein. Pro Teilnehmer wird die Übernahme von Kosten in Höhe von 3.000 Euro geboten. Solange keine Gegenleistung verlangt wird und die Unabhängigkeit seiner ärztlichen Entscheidung nicht beeinflusst wird, macht sich der Arzt nicht strafbar. Berufsrechtlich könnte dieser Vorgang jedoch als Verstoß gewertet werden, so die BÄK, da die Teilnahmegebühren in Höhe von 3.000 Euro relativ hoch und möglicherweise auch dazu geeignet seien, einen Teilnehmer des „Kundenseminars“ zu beeinflussen.

Bietet allerdings ein pharmazeutisches Unternehmen eine Fortbildung mit Kostenübernahme als Aufwandsentschädigung an, greift das Strafrecht. Beispiel: Ein pharmazeutischer Hersteller bietet einen 4-stündigen „Pneumo-Aktiv-Workshop“ in einer attraktiven deutschen Großstadt an. Fachärzte werden eingeladen. Wer teilnimmt, dem wird eine Aufwandsentschädigung von 500 Euro und die Erstattung der Reisekosten versprochen.

Es liegt laut BÄK ein Indiz für eine Unrechtsvereinbarung vor, weil eine Aufwandsentschädigung ohne erkennbare Gegenleistung für das Unternehmen gezahlt wird. Würde z.B. die Staatsanwaltschaft herausfinden, dass der Arzt als Gegenleistung die Produkte des Unternehmens verordnet, wäre dies eine unlautere Bevorzugung und strafbar. Berufsrechtlich verbietet sich eine Aufwandsentschädigung, weil sie den Eindruck erweckt, eine unabhängige ärztliche Entscheidung bei der Verschreibung von Arzneimitteln zu beeinflussen.

Beispiel Beraterverträge

Ein Internist hat mit einem Labor einen Vertrag abgeschlossen, dass er als Berater jährlich Vorträge hält, wissenschaftliche Ausarbeitungen erstellt und im Auftrag des Labors an internationalen Kongressen teilnimmt. Der Arzt wiederum beauftragt das Labor regelmäßig mit Laboruntersuchungen im Umfang von ca. 100.000 Euro im Monat. Der Arzt erhält außerdem ein Beraterhonorar von 15.000 Euro monatlich. Geht er für das Labor auf Kongresse, gibt es neben den Flug- und Hotelkosten eine Aufwandpauschale von 1.000 Euro. Die Expertise und Referententätigkeit sind zudem nicht weitgehend dokumentiert. Der Internist, der als renommiert gilt, denkt jedoch, dass er aufgrund seiner fachlichen Kompetenz einen Stundenlohn von 600 Euro verlangen kann.

Hier besteht laut BÄK der Verdacht, dass sich der Internist wegen Bestechlichkeit im Gesundheitswesen strafbar macht. Denn: Schon der Vertrag und die Verdienstmöglichkeiten stellen einen Vorteil dar. Es sei wahrscheinlich, dass die hohen Honorare nur „Scheinleistungen“ waren. Der Vertrag wäre dann lediglich dazu da, eine Unrechtsvereinbarung zu verdecken. Der Verdacht, der sich dem Staatsanwalt aufzwingen würde: unlautere Bevorzugung im Wettbewerb. Indizien dafür seien die sehr hohe Pauschalvergütung (15.000 Euro plus Aufwandspauschale von 1.000 Euro), die fehlende plausible Darstellung, warum die Pauschalvergütung so hoch ist, sowie die Einnahmen des Labors in Höhe von 100.000 Euro aufgrund der Zuweisung durch den Internisten.

Beispiel Prämiengewährung für ärztliche Verordnung

Ein Fall von eindeutiger Bestechung und Bestechlichkeit wegen unlauterem Wettbewerb: Der Vertrieb eines Pharmaunternehmens bietet dem Arzt 5% des Herstellerabgabepreises als Prämie dafür an, wenn er das Medikament des Herstellers verordnet. Dabei wird das Honorar für fiktive wissenschaftliche Vorträge ausgewiesen.

 

REFERENZEN:

1. Bundesärztekammer: Fragekatalog zu Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen

 

Kommentar

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