Das Ovarialkarzinom ist zwar eine eher seltene Erkrankung, aber wegen der späten Entdeckung verläuft sie meist tödlich. Die Frage, inwieweit Früherkennungsmaßnahmen wie beim Brustkrebs helfen können, die Mortalität zu senken, steht daher immer wieder im Raum.
Die US-Präventionsbehörde hatte deshalb einen Übersichtsreport in Auftrag geben, um ihre 2012 getroffene ablehnende Entscheidung zu überprüfen. Laut der jetzt in JAMA publizierten Ergebnisse spricht weiterhin alles gegen ein Screening bei unauffälligen Frauen mit durchschnittlichem Risiko [1]. „Unserer Meinung nach überwiegen bis zu einem gewissen Grad die Nachteile aus einem Screening die Vorteile“, ist im zeitgleich veröffentlichten Statement der US-Behörde zu lesen [2].
3 stichhaltige Argumente
Ihre Entscheidung stützt die US-Behörde auf folgende Argumente:
1. Die Genauigkeit der zur Verfügung stehenden Tests ist gering und damit der Anteil falsch-positiver Ergebnisse hoch.
2. Transvaginaler Ultraschall, Bluttests auf den Biomarker Krebsantigen 125 (CA-125) oder eine Kombination beider Maßnahme senken die Mortalität nicht.
3. Die wesentlichen Nachteile erwachsen aus den vielen falsch-positiven Befunden. Dadurch werden Frauen, die nicht an einem Ovarialkarzinom erkrankt sind, unnötig und mit allen damit verbundenen Risiken operiert, um die Verdachtsdiagnose abzusichern.
Primäres Ziel: Weniger falsch-positive Befunde

Prof. Dr. Jalid Sehouli
Die Entscheidung der US-Behörde kann Prof. Dr. Jalid Sehouli, Direktor der Klinik für Gynäkologie an der Charite in Berlin voll und ganz nachvollziehen. „Die Zahl der unnötig zu operierenden Frauen ist viel zu hoch, denn rein statistisch gesehen müssten bei Symptomlosigkeit 300 Frauen operiert werden, um in einem Fall ein Karzinom nachweisen zu können“, äußert er gegenüber Medscape.
Es gelte daher vor allem die Zahl falsch-positiver Befunde zu senken, beispielsweise durch die Suche nach einem Risikoprofil bei symptomlosen Frauen, das funktionale Parameter wie Körpergewicht und Lebensstil miteinschließe. Dennoch sollte das Thema Früherkennung weiter im wissenschaftlichen Fokus stehen, so Sehouli weiter.
„Außerdem muss die Dynamik von Biomarkern stärker berücksichtigt werden“, ist der Leiter des ebenfalls in Berlin ansässigen Europäischen Kompetenzzentrums für Eierstockkrebs überzeugt. Denn nur die Veränderung über die Zeit gäbe Aufschluss über einen ablaufenden Entartungsprozess, weshalb Einzelmessungen unzureichend seien. „Tests auf einen Biomarker sollten daher in kürzeren Zeitabständen wiederholt werden, um einen Anstieg zu entdecken, der als Indikator für einen aggressiven Tumor dienen kann“, erläutert Sehouli. 95% aller Ovarialkarzinome gehören zu dieser High-Grade-Kategorie und entstammen dem Eileiterepithel.
Umfangreiche Studien ausgewertet
Für den Bericht hat das Team um Dr. Jullian T. Henderson vom Kaiser-Zentrum für Gesundheitsforschung in Portland 3 kontrollierte Studien mit insgesamt fast 300 000 Teilnehmerinnen ab einem Alter von 45 Jahren ausgewertet. Die Studien sind im Zeitraum von 2003 bis 2017 publiziert worden und berücksichtigen folgende Endpunkte: Mortalität, falsch-positive Ergebnisse, Operation und damit verbundene Komplikationen.
Die Früherkennungsmaßnahmen beschränkten sich auf transvaginalen Ultraschall mit und ohne Test auf CA-125 sowie auf CA-125 allein. Der CA-125-Test galt bei einem Serum-Grenzwert von größer 30 bzw. 35 U/ml als positiv oder es wurde ein Risiko-Algorithmus ermittelt, der auf dem CA-125-Spiegel, dessen zeitliche Änderung und dem Alter der untersuchten Person basiert (risik ovarian cancer algorithm ROCA). Wie die Autoren feststellten, beeinflusste in keiner Studie das Screening die Mortalität.
Bestand auf der Basis von CA-125 ROCA ein Verdacht auf Eierstockkrebs, wurde 1% dieser Frauen operiert, ohne dass sich der Verdacht erhärten ließ. Bei transvaginalem Ultraschall mit und ohne CA-125-Test als Früherkennungsmaßnahme betraf dies 3% der Frauen mit Verdachtsdiagnose. In 3% bis 15% dieser Fälle brachte die Operation schwerwiegende Komplikationen wie Infektion, Verletzung des Hohlorgans, Probleme bei der Anästhesie sowie kardiovaskuläre und pulmonale Ereignisse mit sich.
Für die psychischen Auswirkung des Screenings konnte nur eine kleine Studie (n = 549) herangezogen werden. Eine wesentliche, mit dem Screening verbundene psychische Belastung war nicht zu erkennen.
Neue Ansätze zur Früherkennung sind gefragt
Die Problematik der Früherkennung von Ovarialkarzinomen werde auch in Deutschland heiß diskutiert, weiß Sehouli, der auch Sprecher der Kommission Ovar in der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) ist. Es gäbe allerdings hierzulande keine einzige Studie, die sich mit dem Thema Screening beschäftigt. „Wir setzen stattdessen auf neue Ansätze bei der Suche nach spezifischen Indikatoren“, erläutert er die deutsche Haltung.
In der sogenannten Berliner Studie, die auf die Früherkennung und die Unterscheidung von malignen gegenüber benignen Adnextumoren abzielt, werden unter anderem Glykane als Biomarker herangezogen. Veränderte Glykane sind an der Tumorbildung und der Metastasierung beteiligt. Die ersten Ergebnisse seien sehr positiv und würden zurzeit mit anderen Tumormarkern korreliert, so das vorläufige Resümee Sehoulis.
Außerdem ist die Charite an der sogenannten LUDOC-Studie beteiligt, die unter der Leitung der Medizinischen Universität Wien durchgeführt wird. Hier sollen aus der Lavage der Gebärmutterhöhle Zellen epithelialer Ovarialkarzinome oder genetisches Material solcher Zellen gewonnen werden, um diese einer Mutationsanalyse verschiedener Gensequenzen zu unterziehen. Ziel ist es, auf diese Weise eindeutige Mutationsmuster zu identifizieren, die die Entwicklung eines nicht-invasiven, aussagekräftigen Frühtests erlauben.
Auch in verschiedenen JAMA-Kommentaren zum Bericht von Henderson und Kollegen wird die Forderung laut, weiter nach Frühindikatoren zu suchen. Sehouli gibt allerdings eines zu bedenken: „Die Qualität eines möglichen Screenings zu erhöhen, ist die eine Seite der Medaille, die andere betrifft die Qualität der Therapie.“ Nur wenn sich beide entsprächen, gäbe es eine reelle Chance, die Mortalität auch statistisch zu senken.
REFERENZEN:
1. Henderson JT, et al: JAMA 2018;319:595-606
2. US Preventive Services Task Force: JAMA 2018;319:588-593
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Wieder abgelehnt! Ovarialkarzinom-Screening bei asymptomatischen Frauen bekommt von US-Präventionsbehörde negatives Votum - Medscape - 2. Mär 2018.
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