Sport hilft gegen Erschöpfung: Nichts lindert tumorassoziierte Fatigue so wirksam wie Bewegungstherapie

Manuela Arand

Interessenkonflikte

2. März 2018

Berlin – Unter kaum einem krebsbegleitenden Symptom leiden Tumorkranke so stark wie unter der Fatigue. Eine Kombination aus Kraft- und Ausdauer-Sport hat sich als hoch effektive Maßnahme dagegen erwiesen. Dauer und Intensität spielen dabei kaum eine Rolle, berichtete PD Dr. Joachim Wiskemann, Leiter der AG Onkologische Sport- und Bewegungsmedizin am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg, auf dem Deutschen Krebskongress [1].

Fatigue sei mehr als lästiges Krebssymptom oder quälende Nebenwirkung. Sie mindere direkt die Chancen auf einen Therapieerfolg und auf soziale Wiedereingliederung, betonte Dr. Markus Horneber, Onkologe am Klinikum Nürnberg. Für die Onkologie ergibt sich daraus der Auftrag, auslösende und schützende Faktoren zu identifizieren, Diagnostik und Therapie zu verbessern, um der anhaltenden Dekonditionierung vorzubeugen.

„Auch 20 Jahre nach Einführung der Psychoonkologie doktern wir immer noch an Definition, Symptomen, Diagnostik und Therapie der Fatigue herum und tun uns schwer, Antworten auf die drängendsten Fragen zu finden“, so Horneber. „Wir brauchen dringend ein Gesamtkonzept für die supportive Medizin.“

Charakteristisch für die Fatigue ist neben der abnormen Erschöpfbarkeit bekanntlich, dass Schlaf keine Erholung bringt. Hinzu kommt, dass Tumorpatienten per se häufig unter Schlafstörungen leiden. Ursachen können therapiebedingt sein, etwa infolge einer Schädelbestrahlung, einer Chemotherapie oder der Behandlung mit Opioiden und Kortisonpräparaten.

Schlafstörungen bei Tumorpatienten

In einer Pilotstudie an der Universität Marburg seien 107 konsekutive Tumorpatienten ausgiebig untersucht und beobachtet worden, berichtete Prof. Dr. Herwig Strik, Chef der dortigen Neurologie. Mit einer Batterie von Fragebögen wurde die gesamte Palette von Schlafstörungen abgefragt. Daneben die soziale Belastung und Komorbiditäten wie Depression, Angst und Schmerz.

 
Wir brauchen dringend ein Gesamtkonzept für die supportive Medizin. Dr. Markus Horneber
 

Dabei zeigte sich, dass 2 von 3 Patienten unter moderaten bis schweren Schlafstörungen litten, zumeist in Form von Ein- oder Durchschlafstörungen. Schlafapnoe- oder Restless-Legs-Syndrom kamen wesentlich seltener vor. Schlafprobleme traten besonders häufig in Assoziation mit psychischen Problemen auf. Von fast allen Patienten wurden finanzielle und familiäre Sorgen genannt.

Therapeutisch steht die sorgfältige Analyse und Bekämpfung der Ursachen im Vordergrund. Außerdem die psychoonkologische Betreuung samt kognitiver Verhaltenstherapie. Dabei sollte auch die Medikamentenliste durchforstet werden. Viele gängige Pharmaka stören den Schlaf, etwa antriebssteigernde Antidepressiva und Antikonvulsiva. Sollte ein Verzicht auf solche aktivierenden Wirkstoffe nicht möglich sein, empfiehlt sich die Einnahme am Morgen.

Medikamentöse Strategien kämen erst infrage, wenn die nicht-medikamentösen Maßnahmen nicht greifen, betonte Strik. Dann könnten z.B. sedierende Antidepressiva wie Mirtazapin oder Neuroleptika (Melperon, Pipamperon, Quetiapin) verordnet werden. Auf Benzodiazepine oder Opioide solle man besser verzichten, weil sie zwar schlaffördernd wirken, aber keinen Schlaf mit physiologischem Profil herbeiführen. Ähnliches gilt für Alkohol.

Bewegung gegen Fatigue

Patienten, die unter tumorassoziierter Fatigue leiden, verhelfen weder Hypnotika noch Antidepressiva zum erholsamen Schlaf. Mit das Wirksamste, das man diesen Patienten anbieten kann, sei Bewegungstraining, erklärte Wiskemann: „Das Evidenzniveau für die Trainingstherapie ist riesig.“

Ein aktueller Review, in dem die Wirkung von körperlicher Aktivität auf Fatigue-Symptome mit anderen Interventionen verglichen wurde, konnte immerhin 170 qualitativ hochwertige Studien auswerten. Darin erwies sich die Trainingstherapie allen anderen Strategien hochsignifikant überlegen (p < 0,00001), gemessen anhand der Selbsteinschätzung des Fatigue-Schweregrades mit verschiedenen Scores.

Jegliche Art von Training scheint wirksam zu sein, auch wenn Training mit Gewichten etwas geringere Effekte zeigte. Das bestätigt eine frühere Übersichtsarbeit, die für Ausdauertraining eine größere Effektstärke fand als für Krafttraining, die größte aber für kombinierte Trainingsansätze.

 
Das Evidenzniveau für die Trainingstherapie ist riesig. Dr. Markus Horneber
 

Aus diesem Review geht auch hervor, dass die Trainingsintensität keinen wesentlichen Einfluss auf die Wirkung hat, ebenso wenig wie die Dauer: Ob Patienten 50 Minuten pro Woche trainierten oder 250 Minuten – der Effekt fiel in etwa gleich stark aus. „Mehr bringt nicht mehr“, meinte Wiskemann.

Besonders effektiv wirkt Trainingstherapie einer von Wiskemann selbst vorgenommenen, noch unveröffentlichten Analyse zufolge auf die körperliche Fatigue, weniger stark auf kognitive, emotionale oder sensorische Komponenten des Erschöpfungssyndroms. Dabei macht es wohl keinen Unterschied, an welchem Tumor der Patient erkrankt ist.

Supervidierte Trainingsformen scheinen effektiver zu sein als solche, die der Patient allein durchführt. Außerdem spielt der Schweregrad der Fatigue eine Rolle: „Patienten mit den höchsten Fatigue-Werten profitieren am meisten“, berichtete Wiskemann .

Zu klären bleibt, welche Patienten von welcher Art des Trainings besonders profitieren, um die Intervention individuell maßschneidern zu können. Dem Konzept „One fits all“ erteilte Wiskemann eine klare Absage. Die Heidelberger Kollegen haben einen vorläufigen Behandlungspfad für die Bewegungstherapie bei Patienten mit Tumor-Fatigue entwickelt, den sie in Kürze veröffentlichen wollen. Für Patienten gibt es im Download-Bereich des Netzwerks Oncoaktiv eine Broschüre, in der sie alles Wissenswerte über die Sporttherapie bei Krebs nachlesen können.

 

REFERENZEN:

1. 33. Deutscher Krebskongress, 21. bis 24. Februar 2018, Berlin

 

Kommentar

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