Seit kurzem gibt es die neue deutsche S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) [1]. Sie orientiert sich stark am internationalen Positionspapier der Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) von 2017 (wie Medscape berichtete). Doch es gibt auch Unterschiede, welche spezielle deutsche und österreichische Faktoren widerspiegeln.
Die individuelle Symptomatik der Patienten, die Anzahl der Exazerbationen und die medikamentöse Vortherapie entscheiden über die Auswahl der Pharmakotherapie. In der medikamentösen Dauertherapie der COPD wird die Rolle der Bronchodilatation gestärkt, während inhalierbare Kortikoide für weniger Patienten als bisher empfohlen werden.
Die online im Januar 2018 publizierte Leitlinie wurde federführend von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. und der Deutschen Atemwegsliga e.V. unter Beteiligung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie herausgegeben. Mitgewirkt an der Erarbeitung haben ferner die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin und die Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften.
Arbeitsbedingte Risikofaktoren
Die COPD ist charakterisiert durch Atembeschwerden (Atemnot, Husten, Auswurf), persistierende, üblicherweise progrediente Atemwegsobstruktion und gesteigerte Entzündungsreaktion in den Atemwegen. Ursachen sind langjährige Inhalation von Partikeln und Gasen, wie Tabakrauch und Schadstoffexposition.
In der neuen deutschen Leitlinie sind berufsbedingte Risikofaktoren besonders ausführlich aufgeführt, und es ist genau definiert, welche Berufe besonders gefährdet sind. Dazu zählen beispielsweise Bergbautätigkeiten, Tunnelbauer, Koksofen-, Asphalt- und Zementarbeiter, Schweißer, Passivrauch-Exponierte in der Gastronomie, landwirtschaftliche Tätigkeiten vor allem in der Puten- und Schweinemast, Arbeiten mit Roh-Baumwolle, Flachs, Jute, in der Getreideverladung und mit Exposition gegenüber Holzstäuben.
Mehr Diagnosekriterien
Im Gegensatz zum GOLD-Papier bezieht sich die neue COPD-Leitlinie in der Diagnosestellung nicht nur auf die Spirometrie. In der aktuellen Leitlinie heißt es hierzu:
„Die Diagnose COPD soll anhand der Anamnese (einschließlich Expositionsanamnese), charakteristischer Symptome (Belastungsdyspnoe, Husten, Auswurf) und der Lungenfunktionsprüfung vor und nach Bronchodilatation gestellt werden.
Differenzialdiagnostisch sollen sowohl weitere obstruktive Atemwegserkrankungen abgegrenzt als auch die diagnostische Unschärfe der fixierten Ratio FEV1/FVC unter 70% zur Charakterisierung der Obstruktion berücksichtigt werden (die eine Bronchialobstruktion bei über 50-Jährigen über- und bei unter 45-Jährigen unterschätzt).
Die COPD soll durch Ganzkörper-Plethysmografie (GKP), Blutgasanalyse (BGA), Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid (DLCO), Bildgebung und standardisierte Belastungstests weiter charakterisiert werden.“
Außerdem wird auf die Rolle der Bildgebung bzw. der CT ausführlich eingegangen.
Differenzialdiagnostisch ist vor allem Asthma bronchiale zu beachten, ferner sind Linksherzinsuffizienz, Bronchiektasen, Sarkoidose im Stadium 3 und 4, Tuberkulose, Bronchiolitis obliterans und Tumoren abzugrenzen.
Schweregrade I bis IV und Gruppen A bis D
Die Einteilung der COPD ist direkt an das GOLD-Papier angelehnt, nach der FEV1 wird sie in 4 Schweregrade von I (leicht) bis IV (sehr schwer) eingeteilt. Als Basis für die Wahl der medikamentösen Behandlung wird wie bei GOLD die Evaluation der Symptomatik und die Abschätzung des Exazerbationsrisikos auf der Basis der Exazerbationshistorie empfohlen.
Danach werden die Patienten folgenden Gruppen zugeordnet:
Gruppe A: wenig Symptome, keine Exazerbationen,
Gruppe B: höhergradige Symptome, geringes Exazerbationsrisiko,
Gruppe C: wenig Symptome, hohes Exazerbationsrisiko oder
Gruppe D: höhergradige Symptome, hohes Exazerbationsrisiko.
Komorbiditäten beeinflussen die Schwere der Symptome und den Verlauf der COPD, werden bei der ABCD-Einteilung aber nicht berücksichtigt.
Die Behandlungs-Maßnahmen sind in 4 Gruppen eingeteilt:
präventive Maßnahmen – wie Raucherentwöhnung, Schutzimpfungen, Arbeitsplatzhygiene,
nichtmedikamentöse Behandlung, z. B. körperliches Training, Patientenschulung, physiotherapeutische Atemtherapie und Ernährungsberatung,
medikamentöse Behandlung mit Anticholinergika, Beta-2-Sympathomimetika, Glukokortikoiden, Phosphodiesterasehemmern, Mukopharmaka und/oder Antibiotika,
apparative/operative Behandlung – wie Sauerstofflangzeittherapie, nichtinvasive Beatmung, Lungenvolumenreduktion, Lungentransplantation.
Bronchodilatatoren
Inhalierbare Bronchodilatatoren sind die Basismedikamente in der Therapie. Kurz wirkende Substanzen (kurz wirksame Beta-2-Sympathomimetika – SABA, kurz wirksame Anticholinergika – SAMA) werden für die Bedarfsmedikation, lang wirkende Bronchodilatatoren für die Dauertherapie eingesetzt.
Gegenüber lang wirksamen Beta-2-Sympathomimetika (LABA, z.B. Formoterolfumarat-Dihydrat, Indacaterol, Olodaterolhydrochlorid, Salmeterol) senken lang wirksame Anticholinergika (LAMA, z.B. Aclidinium, Glycopyrronium, Tiotropium, Umeclidinium) die Exazerbationsrate stärker und reduzieren Krankenhausaufenthalte.
Kombinationen aus LAMA und LABA sind wirksamer als die jeweiligen Monotherapien. Theophyllin ist nur ein schwach wirkender Bronchodilatator und hat eine relativ geringe therapeutische Breite.
Antiinflammatorisch wirkende Substanzen
Inhalierbare Glukokortikode (ICS) sind in Monotherapie nicht angezeigt. In Kombination mit LABA ist die Wirkung auf die Lungenfunktion, den Gesundheitsstatus und die Reduktion von Exazerbationen besser als mit den Einzelsubstanzen, allerdings besteht mit ICS ein erhöhtes Pneumonie-Risiko. ICS werden deshalb nur bei Patienten mit schwerer Exazerbation und insbesondere mit Asthmakomponente empfohlen.
Systemische Glukokortikoide sind nicht für die Dauertherapie geeignet. Bei mittelschwerer bis schwerer Exazerbation können 40 mg oral für 5 (maximal 14) Tage gegeben werden, danach abrupt absetzen.
Sauerstoff-Langzeittherapie und Langzeitbeatmung
Wenn die medikamentösen Maßnahmen nicht zum Erfolg führen, ist eine Sauerstoff-Langzeittherapie angezeigt. Sie ist angezeigt bei:
einem PaO2 in Ruhe ≤ 55 mmHg,
bei einem PaO2 in Ruhe 50 bis 60 mmHg bei Cor pulmonale/Polyglobulie und
bei einem PaO2 unter Belastung ≤ 55 mmHg oder Hypoxämie im Schlaf.
In den letzten Jahren hat sich die außerklinische nichtinvasive Langzeitbeatmung (NIV) deutlich weiter entwickelt. In den Leitlinien sind hierzu genaue Anwendungskriterien definiert, z.B. chronische Tageshyperkapnie mit einem PaCO2 ≥ 50 mmHg, nächtliche Hyperkapnie mit PaCO2 ≥ 55 mmHg am frühen Morgen, milde Tageshyperkapnie mit PaCO2 von 46 bis 50 mmHg und Anstieg des transkutan gemessenen PCO2 von über 10 mmHg während des Schlafes oder mit einem PaCO2 von ≥ 55 mmHg am frühen Morgen. Diese Behandlung sollte nur von erfahrenen Zentren durchgeführt werden.
Dauertherapie
Die Empfehlungen zur Initiierung sowie zu Eskalation und Deeskalation der Therapie richten sich nach der Symptomatik und der Exazerbationsanamnese.
Patienten der Gruppe A mit relativ geringer Symptomatik sollen initial mit einem kurz oder lang wirksamen Bronchodilatator behandelt werden. Asymptomatische Patienten können zunächst nur beobachtet werden.
Patienten der Gruppe B sollen mit einem lang wirksamen Bronchodilatator (LABA oder LAMA) behandelt werden. Kommt es zu keiner relevanten klinischen Besserung, oder bei Patienten mit schwerer Symptomatik können 2 Bronchodilatatoren aus unterschiedlichen Klassen eingesetzt werden.
Bei bislang unbehandelten Patienten der Gruppe C und D soll die Therapie mit einem LAMA begonnen werden. Kommt es hierunter zu weiteren Exazerbationen, wird zusätzlich ein LABA eingesetzt.
Bei Patienten der Gruppe D mit schwerer Symptomatik sollte die Behandlung mit einer LABA/LAMA-Kombination begonnen werden. Gibt es Hinweise auf eine Asthmakomponente, sollten ICS initial verwendet werden. Ein ICS-Einsatz kann auch bei erhöhten Eosinophilenzahlen in Blut und/oder Sputum sinnvoll sein.
Kommt es unter der Kombination von LAMA/LABA zu weiteren Exazerbationen, wird eine Dreifachtherapie mit LAMA/LABA/ICS oder ein Wechsel zu einer Kombination aus LABA/ICS empfohlen.
Bei Patienten, bei denen alle diese Maßnahmen nicht greifen, und bei Patienten mit chronischer Bronchitis kann zusätzlich Roflumilast erwogen werden.
Abb. 1: Stufentherapie bei COPD (aus der S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD)

Antibiotika sind nach der deutschen Leitlinie bei Patienten mit mittelgradiger Exazerbation und purulentem Sputum bei höheren Schweregraden der COPD sowie bei Patienten mit schwerer Exazerbation und purulentem Sputum indiziert. Bei Patienten mit sehr schwerer Exazerbation kommt eine antibiotische Therapie auch bei Fällen ohne purulentes Sputum in Betracht.
Komorbiditäten
Die Leitlinie empfiehlt, Komorbiditäten der COPD proaktiv zur diagnostizieren und leitliniengerecht zu behandeln. Die Mehrzahl der Patienten stirbt nicht an der COPD, sondern an kardiovaskulären Erkrankungen und am Lungenkarzinom, wobei eine abschließende Aussage zum Screening auf ein Lungenkarzinom bei COPD-Patienten nicht getroffen werden kann.
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Neue COPD-Leitlinie: Bronchodilatation gestärkt, inhalierbare Kortikoide für eher weniger Patienten - Medscape - 26. Feb 2018.
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