Pimavanserin, ein selektiver inverser Agonist des 5-HT2A-Serotonin-Rezeptors, verbessert Alzheimer-Psychosen ohne die bekannten Nebenwirkungen von Antipsychotika – dies zumindest in den ersten 6 Wochen. Doch nach 12 Wochen gibt es keinen signifikanten Mehrwert gegenüber Placebo mehr.
Zu diesen Ergebnissen kommt ein Team um Prof. Dr. Clive Ballard, Neurologe an der Universität von Exeter, UK, anhand einer randomisierten, Placebo-kontrollierten Phase-2-Studie [1]. Das Ziel war, die Wirksamkeit und Sicherheit des Pharmakons zu untersuchen.
„Die Studie wurde methodisch gut mit klarem Ansatz durchgeführt“, sagt Prof. Dr. Richard Dodel von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zu Medscape. Er arbeitet am Lehrstuhl für Geriatrie des Uniklinikums Essen und am Geriatriezentrum Haus Essen, Contilla GmbH. „Auch die Patientenauswahl und die Randomisierung erfolgte nach dem neuesten Stand.“
Dodel weiter: „Das Ergebnis hat mich jedoch erstaunt.“ Vor mehreren Monaten seien vielversprechende Daten zum ersten Behandlungszeitraum veröffentlicht worden, und Neurologen seien „sehr enthusiastisch“ gewesen. „Der Unterschied zwischen 6 und 12 Wochen ist in der Tat ungewöhnlich: Wir sehen ein ganz anderes Ergebnis als bei Parkinson-Psychosen.“
Wie Medscape berichtet hat, zeigen ältere Studien, dass sich Pimavanserin durchaus bei Patienten mit Parkinson-Psychose eignet. Mittlerweile hat die US Food and Drug Administration (FDA) bei dieser Indikation eine Zulassung erteilt. „Damit hätten wir es mit komplett unterschiedlichen Langzeit-Wirkungen zu tun“, spekuliert der Experte.
Sein Resümee: „Die Daten werden sicher nicht für eine Zulassung ausreichen.“ Dodel würde Pimavanserin deshalb auch nicht off-label einsetzen. Es sei verständlich, dass keine Phase 3-Studie folge.
Die Ergebnisse hält er für bedauerlich – Bedarf an neuen Medikamenten sieht er durchaus. „Bei Alzheimer-Psychose gibt es zwar einige Medikamente, die man verwenden kann. Die Präparate sind allerdings nicht besonders gut untersucht.“ Nur Risperidon sei bei Alzheimer-Demenz nach Ausschöpfung anderer Therapiemöglichkeiten zugelassen.
Keine Wirkung mehr nach 12 Wochen
Ballard und seine Kollegen verweisen auf ähnliche Probleme im klinischen Alltag. Morbus Alzheimer geht in fortgeschrittenen Stadien mit Unruhe, wahnhaften Vorstellungen, Sinnestäuschungen, Angst oder Aggressivität einher. Ballard schätzt, dass fast jeder 2. Patient psychotische Episoden erlebt. Bei Menschen mit Demenz führen häufig verwendete Antipsychotika zu Sedierung und Stürzen, außerdem können sie die Geschwindigkeit verdoppeln, mit der sich Gehirnfunktionen verschlechtern.
Aufgrund guter Daten bei Parkinson-Psychosen hielten die Studienautoren Effekte bei Alzheimer-Psychosen für recht wahrscheinlich. Deshalb screente Ballards Team insgesamt 347 Personen aus 133 Pflegeeinrichtungen. Von ihnen wurden 181 mit Morbus Alzheimer und psychotischen Symptomen – wie Wahnvorstellungen, akustischen oder optischen Halluzinationen – in 2 Gruppen randomisiert. Sie erhielten 12 Wochen lang entweder Pimavanserin (n=90) oder Placebo (n=91). Die tägliche Gabe lag bei 34 mg – ein Wert, der sich bei Parkinson-Psychosen bewährt hatte.
Im Zuge der statistischen Analyse wertete das Team Daten von insgesamt 178 Personen aus. Als primären Endpunkt definierten sie Änderungen im Neuropsychiatric Inventory Nursing Home Version (NPI-NH) Psychosis Score. Der Baseline-Wert lag Ballard zufolge bei 9,5 (Pimavanserin-Gruppe) versus 10,0 (Placebo-Gruppe).
Nach 6 Wochen änderte sich der Score im Mittel um -3,76 versus -1,93 Punkte. Nach 12 Wochen gab es allerdings keinen signifikanten Unterschied mehr.
Als häufigste Nebenwirkungen traten Stürze (21 versus 21), Infektionen des Urogenitatrakts (20 versus 25) und Agitationen (19 versus 13) auf. 8 versus 11 Patienten brachen die Studie aufgrund von Nebenwirkungen ab.
„Zweifel an der klinischen Relevanz des Scores“
In einem begleitenden Kommentar schreibt Dr. Lon S. Schneider von der Keck School of Medicine, Universität von Südkalifornien, die Resultate nach 12 Wochen könnten „weder als positiv noch als klinisch bedeutsam“ angesehen werden [2]. Selbst den Effekt nach 6 Wochen bewertet Schneider als „gering“.
„Das Ausbleiben von Effekten vor und nach diesem Zeitpunkt lässt Zweifel an der klinischen Relevanz des Scores aufkommen“, ergänzt der Editorialist. „Hätte man wie bei früheren Studien üblich den primären Endpunkt nach 12 Wochen erfasst, dann würde Pimavanserin als nicht effektiv gelten.“
Er stuft aber auch die Sicherheit als „potenziell bedenklich“ ein. In der Studie traten nicht nur Assoziationen mit QT-Verlängerungen, Ödeme und Gewichtsverlust auf, sondern auch Agitiertheit, Aggression und Ängste. Auch Schneider bedauert angesichts der Versorgungssituation von Alzheimer-Psychosen die schlechte Datenlage.
REFERENZEN:
1. Ballard C, et al: Neurology (online) 14. Februar 2018
2. Schneider LS: Neurology (online) 14. Februar 2018
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Hoffnungsvolles neuartiges Antipsychotikum für Alzheimer-Patienten floppt: Wirkt nach 6, aber nicht mehr nach 12 Wochen - Medscape - 22. Feb 2018.
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