And the 3 winners are … Metaanalyse der Universität Oxford generiert Hitliste der wirksamsten und verträglichsten Antidepressiva

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

23. Februar 2018

Antidepressiva sind in der kurzzeitigen Behandlung akuter Depressionen bei Erwachsenen effektiver als Placebo. Die einzelnen Substanzen unterscheiden sich aber in ihrer Wirksamkeit. Dies zeigt eine riesige Metaanalyse von 522 Studien, in die zusätzlich eine große Menge an unpublizierten Daten eingeflossen ist [1]. Alle 21 Antidepressiva waren effektiver als Placebo, allerdings in unterschiedlichem Maß. Auch die Verträglichkeit unterschied sich zwischen den verschiedenen Antidepressiva.

Diese Metaanalyse „stellt die beste derzeit verfügbare Evidenzgrundlage dar, um eine pharmakologische Therapie für Erwachsene mit akuter Depression auszuwählen“, schreiben die Autoren um Dr. Andrea Cipriani von Department of Psychiatry der University of Oxford, Großbritannien.

Bewertung von 21 Antidepressiva

Die Substanzen, die sowohl gegen Placebo als auch in Head-to-Head-Studien miteinander verglichen wurden, sind alle in Europa, USA und Japan zugelassene Antidepressiva der zweiten Generation: Agomelatin, Bupropion, Citalopram, Desvenlafaxin, Duloxetin, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Levomilnacipran, Milnacipran, Mirtazapine, Paroxetin, Reboxetin, Sertralin, Venlafaxine, Vilazodone und Vortioxetin. Darüber hinaus schlossen die Autoren die beiden trizyklischen Antidepressiva Amitriptylin und Clomipramin ein. Auch Daten zu Trazodon und Nefazodon (nicht mehr auf dem Markt) wurden analysiert.

Insgesamt basieren die Ergebnisse der Metaanalyse auf – auch bis dahin unpublizierten – Daten von 116.477 Studienteilnehmern mit mittelschweren bis schweren Depressionen. Sie wurden 8 Wochen lang mit einem der Antidepressiva oder einem Placebo behandelt. Alle Daten, die in die Metaanalyse einflossen, auch die nicht in der wissenschaftlichen Literatur veröffentlichten, stellen Cipriani und sein Team in einem Cloud-Speicher zur Verfügung.

Beurteilt wurden die Substanzen danach, bei wie vielen Patienten sich die depressiven Symptome im Behandlungszeitraum um mindestens 50% reduzierten. Ein weiterer wichtiger Endpunkt war die Verträglichkeit, die die Autoren an der Studien-Abbruchrate festmachten.

Einige wirksamer als andere

Die Head-to-Head-Vergleiche zeigten, dass einige Antidepressiva effektiver sind als andere. Während sich z.B. unter Amitriptylin bei doppelt so viele Patienten die Symptome um mehr als 50% verbesserten als unter Placebo, war dies unter Reboxetin nur bei gut einem Drittel mehr der Fall. Als am wirksamsten erwiesen sich Agomelatin, Amitriptylin, Escitalopram, Mirtazapin, Paroxetin, Venlafaxin und Vortioxetin. Als die am wenigsten wirksamsten Substanzen kristallisierten sich Fluoxetin, Fluvoxamin, Reboxetin und Trazodon heraus.

Hinsichtlich der Verträglichkeit unterschieden sich die meisten Substanzen nicht von Placebo. Nur Agomelatin (-16%) und Fluoxetin (-12%) waren mit weniger Studienabbrüchen assoziiert. Clomipramin – mit 30% mehr Abbrüchen – wurde als einziges Antidepressivum schlechter vertragen als Placebo. Am besten vertrugen die Patienten Agomelatin, Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Sertralin und Vortioxetin. Amitriptylin, Clomipramin, Duloxetin, Fluvoxamin, Reboxetin, Trazodon und Venlafaxine waren am wenigsten verträglich.

Die 3 Sieger der Risiko-Nutzen-Bewertung

„Es stellte sich zwar heraus, dass insgesamt 7 Antidepressiva eine höhere Effektivität besitzen als andere Substanzen, doch unter Berücksichtigung der Verträglichkeit kommen 3 Substanzen zum Vorschein, die vorzugswürdig erscheinen: Agomelatin, Escitalopram und Vortioxetin“, resümiert Prof. Sagar V. Parikh vom Sidney H Kennedy Department of Psychiatry der Universität von Michigan in Ann Arbor in einem Kommentar [2]. Dem gegenüber stünden 3 Antidepressiva mit „schlechtem Wirksamkeits- und Verträglichkeitsprofil: Fluvoxamin, Reboxetin und Trazodon“.

 
… unter Berücksichtigung der Verträglichkeit kommen 3 Substanzen zum Vorschein, die vorzugswürdig erscheinen: Agomelatin, Escitalopram und Vortioxetin. Prof. Sagar V. Parikh
 

Für die Praxis könnte dies bedeuten, dass „die 3 Antidepressiva mit dem besten Risiko-Nutzen-Verhältnis die Therapie der ersten Wahl sein sollten, während die 3 Antidepressiva mit dem schlechtesten Risiko-Nutzen-Verhältnis  initial vermieden werden sollten“, so Parikh.

Langzeiteffekte könnten anders ausfallen

Cipriani und seine Kollegen weisen allerdings darauf hin, dass die in die Metaanalyse eingeschlossenen Daten nur einen Behandlungszeitraum von 8 Wochen abdecken. Wirksamkeit und Verträglichkeit der Substanzen könnten in der Langzeittherapie anders ausfallen.

„Eine Schlüsselfrage bleibt somit nämlich, welche Bedeutung überlegene Outcomes nach 8 Wochen im Hinblick auf den Langzeiteffekt haben, speziell auf funktionelle Endpunkte“, schreibt auch Parikh. Außerdem, so der Kommentator weiter, liefere eine solche Metaanalyse keine Informationen darüber, „welche Patienten am ehesten auf ein bestimmtes Antidepressivum ansprechen oder welche Patienten anfälliger für Nebenwirkungen sind“. Da die Autoren keinen Zugang zu individuellen Patientendaten hatten, konnten sie nicht untersuchen, ob sich Wirksamkeit und Verträglichkeit von Antidepressiva möglicherwiese in bestimmten Subgruppen unterscheiden.

Dennoch zieht Parikh ein positives Fazit: „Im Praxisalltag sollten Antidepressiva mit den besten Bewertungen bei Wirksamkeit und Verträglichkeit als Therapien der ersten Wahl mit den Patienten besprochen werden. Angesichts hoher Placebo-Ansprechraten ist es zudem sowohl für Patienten als auch Ärzte beruhigend, die Überlegenheit der antidepressiven Substanzen bestätigt zu sehen.“

 

REFERENZEN:

1. Cipriani A, et al: Lancet (online) 21. Februar 2018

2. Parikh SV, et al: Lancet (online) 21. Februar 2018

 

Kommentar

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