Das orale Antidiabetikum Metformin ist Standard bei Typ-2-Diabetes – und es ist auch bei Patienten mit chronischen Nierenfunktionsstörungen der Stadien 3A, 3B oder 4 sicher und wirksam. Zu diesem Ergebnis kommt Dr. Jean-Daniel Lalau vom University Medical Center im französischen Amiens auf Basis dreier klinischer Studien. Seine Arbeit zeigt auch, welche Dosisanpassungen erforderlich sind [1].

Prof. Dr. Dan Ziegler
„Metformin wird aufgrund der langjährigen Erfahrung und des relativ günstigen Nebenwirkungsprofils von vielen Leitlinien als Mittel der ersten Wahl in der Therapie des Typ 2-Diabetes empfohlen“, bestätigt Prof. Dr. Dan Ziegler gegenüber Medscape. Er arbeitet am Deutschen Diabetes-Zentrum (DDZ) bzw. am Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung in Düsseldorf.
Zulassungserweiterung ohne prospektive Daten
„Da die Substanz jedoch nicht metabolisiert, sondern rasch über die Nieren eliminiert wird, besteht die Befürchtung einer Laktatazidose aufgrund von Akkumulation bei Niereninsuffizienz“, erläutert er den Hintergrund und ergänzt: „Obwohl die Studie relativ klein und kurz ist, sind dies die ersten validen Daten zur Dosisanpassung von Metformin als Funktion der geschätzten glomerulären Filtrationsrate eGFR bei Typ-2-Diabetikern mit chronischer Niereninsuffizienz.“
Studienautor Lalau kritisiert, dass „sowohl die EMA als auch die FDA ihre Zulassung beim Stadium 3 erweitert haben, ohne dass es prospektive pharmakodynamische oder pharmakokinetische Daten zu dieser Gruppe gab“. Diese Lücke wollte er nun mit den 3 Studien schließen:
1. Dosisfindungsstudie
In die erste Studie nahm Lalau 83 Patienten mit Nierenerkrankungen der Stadien 1 bis 5 auf. Kriterien waren eine konstante Nierenfunktion, HbA1c-Werte über 6,5% und Lactatwerte unter 2,5 mmol/l. Die Teilnehmer erhielten in Woche 1 je 500 mg/Tag, in Woche 2 dann 1.000 mg/Tag (verteilt auf 2 Gaben), und in Woche 3 schließlich 2.000 mg/Tag (ebenfalls auf 2 Gaben verteilt).
Insgesamt schlossen 69 Personen alle Untersuchungen ab. Auf Basis des Metformin-Plasmaspiegels und der Konzentration in Erythrozyten gibt Lalau folgende Empfehlungen:
1.500 mg (500 mg morgens, 1.000 mg abends) beim Stadium 3A, 1.000 mg (500 mg morgens, 500 mg abends) bei Stadium 3B und 500 mg abends bei Patienten mit dem Stadium 4. Zu Hyperlaktatämien mit Werten über 5 mmol/l kam es nicht.
2. Studie zur 4-monatigen Therapie
Anschließend wählte der Forscher 46 Patienten mit den Stadien 3A, 3B oder 4 aus. Sie erhielten 4 Monate lang anhand des Therapieschemas aus Studie 1 das Biguanid. Auch hier analysierte Lalau regelmäßig die Wirkstoffspiegel im Plasma sowie in Erythrozyten.
Im Rahmen der Behandlung änderten sich die HbA1c-Spiegel nicht signifikant. Auch die Metformin-Werte blieben relativ konstant. Maximalwerte lagen bei 3,54 mg/l im Plasma und 3,26 mg/l in Erythrozyten. „Die von der FDA genannte Obergrenze, nämlich 5 mg/l, wurde nicht erreicht“, schreibt der Autor.
Bei 6 Patienten traten Laktatwerte über 2,5 mmol/l auf, und 5mal waren die Kriterien erfüllt, um Metformin abzusetzen. 4 Personen erreichten 2mal Werte über 2,5 mmol/l und eine Person kam in Zusammenhang mit einem Myokardinfarkt auf über 5 mmol/l. Generell gab es keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen dem Metformin- und dem Laktatspiegel.
3. Studie zur Pharmakokinetik
Zuletzt wollte Lalau mehr über die Resorption, die Distribution, die Metabolisierung und die Ausscheidung erfahren. Für seine Pharmakokinetik-Studie rekrutierte er je 5 Patienten mit Nierenfunktionsstörung der Stadien 3A, 3B und 4. Sie erhielten morgens um 8:30 Uhr 500 mg des Biguanids und abends eine Gabe, die von ihrer Nierenfunktionsstörung abhängig war.
In dieser Studie wurden ab der morgendlichen Gabe nach 0, 0,5, 1, 2, 4, 6, 8, 12 und 24 Stunden Blutproben genommen. Auch hier bestimmten die Autoren Metformin im Plasma beziehungsweise in Erythrozyten.
„Die Konzentration in Erythrozyten, aber nicht im Plasma, war im untersuchten Intervall konstant“, fasst der Forscher zusammen. „Signifikante Unterschiede beim Vergleich verschiedener Stadien haben wir nicht.“
Empfehlungen für die Praxis
Ziegler formuliert ausgehend von der Studie für Medscape folgende Empfehlungen:
„Insbesondere die relativ günstigen Ergebnisse im Stadium 4 dürfen nicht überinterpretiert werden, sondern als Grundlage für die Durchführung weiterer größerer und längerfristiger Studien herangezogen werden.
Die Metformin-Dosis im Stadium 3A könnte mit 1,5 g/Tag (0,5+1 g) höher liegen als die maximale von der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) empfohlene Tagesdosis von 1 g (0,5+0,5 g), während im Stadium 3B 1 g/Tag (0,5+0,5 g) zu empfehlen sind.
Die eGFR muss im Stadium 3 im Einklang mit den DDG-Praxisempfehlungen engmaschig alle 3 bis 6 Monate kontrolliert werden und Metformin muss sofort abgesetzt werden, wenn die eGFR < 30 ml/min fällt.
Laktat sollte bei gebrechlichen Patienten kontrolliert werden, insbesondere bei interkurrenten Erkrankungen. Bei Werten > 5 mmol/l muss Metformin abgesetzt werden. Falls Laktat-Messungen nicht durchgeführt werden können, sollten bei diesen Patienten andere Antidiabetika eingesetzt werden. Generell ist besondere Vorsicht in Situationen geboten, in denen sich die Nierenfunktion akut verschlechtern kann.
Selbstverständlich gilt weiterhin, dass bei Gabe von Röntgenkontrastmitteln oder vor interventionellen bzw. operativen Eingriffen Metformin vorher abzusetzen ist und erst 48 Stunden nach dem Eingriff wieder eingesetzt werden darf.“
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Typ-2-Diabetes: 3 Studien testen Metformin bei eingeschränkter Nierenfunktion – und generieren Praxis-Tipps - Medscape - 16. Feb 2018.
Kommentar