Bei Kindern mit akuten Atemwegsinfektionen wirken Breitspektrum-Antibiotika nicht besser als Antibiotika mit schmalerem Wirkspektrum, werden aber schlechter vertragen, wie eine Studie aus den USA zeigt [1].
„Unsere Daten sprechen für den Einsatz von Schmalspektrum-Antibiotika bei den meisten Kindern mit akuten Atemwegsinfektionen“, schreiben die Autoren um Dr. Jeffrey S. Gerber von der Division of Infectious Diseases am Children’s Hospital of Philadelphia.

Prof. Dr. Arne Simon
„Aktuelle Erhebungen zeigen einen leichten Rückgang der Antibiotika-Verschreibungen insgesamt bei Kindern und Jugendlichen. Leider werden jedoch bei akuten Atemwegsinfekten vermehrt Breitspektrum-Antibiotika eingesetzt“, berichtet auch Prof. Dr. Arne Simon, 2. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie und Oberarzt an der Klinik für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie des Universitätsklinikums des Saarlandes, im Gespräch mit Medscape.
Dies gelte vor allem für das Cephalosporin-Antibiotikum Cefuroxim, „obwohl es in keiner Leitlinie als Mittel der 1. Wahl genannt wird“.
Daten von mehr als 30.000 Kindern ausgewertet
Gerber und sein Team analysierten für ihre Studie 2 Kohorten von Kindern mit akuter Otitis media, Streptokokken-Angina oder akuter Sinusitis. In einer retrospektiven Kohorte untersuchten sie die Endpunkte Therapieversagen und Nebenwirkungen und in einer prospektiven Kohorte untersuchten sie patienten-zentrierte Endpunkte wie die Lebensqualität.
Die retrospektive Kohorte umfasste 30.159 Kinder. Insgesamt 4.307 (14%) von ihnen wurden Breitspektrum-Antibiotika – darunter Amoxicillin-Clavulonat, Cephalosporine und Makrolide – verschrieben.
Kein vermehrtes Therapieversagen, aber mehr Nebenwirkungen
Die Behandlung mit breitem antibakteriellem Wirkspektrum war mit einer Therapieversagensrate von 3,4% assoziiert und damit einer Behandlung mit einem Schmalspektrum-Antibiotikum nicht überlegen. Bei Patienten, die ein Antibiotikum mit schmalerem Wirkspektrum erhalten hatten, betrug die Therapieversagensrate 3,1%.
Bei den Kindern, die mit Breitspektrum-Antibiotika behandelt wurden, traten mehr Nebenwirkungen auf als bei den Kindern, die Schmalspektrum-Antibiotika erhielten – 3,7% versus 2,7%. Die untersuchten Nebenwirkungen umfassten unter anderem Diarrhoe, Candidiasis, nicht durch Candida verursachte Ausschläge, allergische Reaktionen und Erbrechen.
Von den 2.472 Kindern in der prospektiven Kohorte wurden 868 (35%) mit einem Breitspektrum-Antibiotikum behandelt. Die Behandlung mit Breitspektrum-Antibiotika war mit einer etwas schlechteren Lebensqualität assoziiert. Ansonsten gab es im Hinblick auf patientenzentrierte Endpunkte – z.B. Schlafstörungen, Fehltage in der Schule oder Fehltage der Eltern auf der Arbeit – keinen Unterschied zur Behandlung mit Schmalspektrum-Antibiotika.
Breitspektrum-Antibiotikum für Zweitlinie aufheben
„Wenn Kinderärzte entgegen Leitlinienempfehlungen bei akuten Atemwegsinfektionen sofort Breitspektrum-Antibiotika verschreiben, liegt dem oft ein falsches Sicherheitsdenken zugrunde. Sie haben Sorge, eine schwere Infektion zu verpassen und glauben, sehr seltene schwere Komplikationen auf diese Weise verhindern zu können“, erklärt Simon.
Die Studie von Gerber und seinen Koautoren zeigt, dass diese Sorge unnötig ist. Mit einem Schmalspektrum-Antibiotikum kam es nicht häufiger zu einem Therapieversagen. „Und wenn dies in den USA gilt, dann bei uns erst recht“, betont Simon.
Denn: „In den USA gibt es mehr Probleme mit resistenten oder intermediär sensiblen Erregern als hierzulande“, sagt er. „Selbst unter diesen etwas ungünstigeren Bedingungen reichen Antibiotika mit schmalerem Wirkspektrum (vor allem Penicillin und Amoxicillin) in der Regel aus.“
Außerdem könnten in Deutschland – anders als in manchen anderen Ländern mit weniger gutem Sicherheitsnetz – Patienten jederzeit erneut den Kinderarzt aufzusuchen, wenn sich die Infektion unter der Erstlinientherapie nicht bessere. „Dann besteht immer noch die Möglichkeit, die Diagnose zu überprüfen und gegebenenfalls ein breiter wirksames Antibiotikum zu verordnen. Ich denke, wir fürchten uns hier vor Dingen, vor denen wir uns gar nicht fürchten müssen.“
REFERENZEN:
1. Gerber JS, et al: JAMA 2017;318(23):2325-2336
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Antibiotika für Kinder mit akutem Atemwegsinfekt: Besser erstmal auf der Schmalspur fahren - Medscape - 15. Feb 2018.
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