Viren-assoziiertes Giemen bei Kindern: Prednisolon verkürzt Aufenthalt in der Notaufnahme – aber wie relevant ist dies wirklich?

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

9. Februar 2018

Kinder im Vorschulalter mit Virus-assoziiertem Giemen profitieren offenbar von Kortison: Prednisolon verkürzt im Vergleich zu Placebo die Aufenthaltsdauer in der Notaufnahme um knapp 3 Stunden. Das ergab eine randomisierte, doppelblinde Studie von Dr. S. James Foster und Kollegen vom Emergency Department des Princess Margaret Hospital for Children in Perth, Australien [1].

Frühe Medikation – schnelle Entlassung

Die Wissenschaftler schlossen 605 Patienten (Alter 24 bis 72 Monate) in ihre Untersuchung ein. Nach dem Zufallsprinzip erhielten die kleinen Patienten in der pädiatrischen Notaufnahme des Princess Margaret Hospitals Placebo (n = 300) oder Prednisolon (n = 305; Dosis 1 mg/kg pro Tag für 3 Tage).

„Die Wahrscheinlichkeit eines Krankenhausaufenthaltes von mehr als 7 oder 12 Stunden wurde in der Prednisolon-Gruppe signifikant reduziert. Die mediane Verweildauer in der NA lag in der Placebo-Gruppe bei 540 Minuten und in der Prednisolon-Gruppe bei 370 Minuten. Die Patienten der Prednisolon-Gruppe waren also fast 3 Stunden kürzer in der Klinik als die der Placebo-Gruppe“, schreiben die Autoren. Ihr Fazit: „Orales Prednisolon sollte bei Kindern, die sich mit Virus-assoziiertem Giemen in der Notaufnahme vorstellen, frühzeitig verabreicht werden.“

Keine generelle Empfehlung für Prednisolon ableitbar

Dies bedeute aber noch nicht, dass Vorschulkindern, die mit Giemen in die Notaufnahme kommen, deshalb generell Prednisolon gegeben werden sollte, stellt Prof. Dr. Johannes G. Liese klar. „Die Studie ist interessant. Doch für wirklich relevant für die tägliche Praxis in Deutschland halte ich die Studienergebnisse nicht“, kommentiert der Leiter der Pädiatrischen Infektiologie und Immunologie an der Universität Würzburg die Arbeit im Gespräch mit Medscape.

 
Daraus nun eine Empfehlung abzuleiten Vorschulkinder mit virenassoziiertem Giemen generell mit Prednisolon zu behandeln – das halte ich für verfrüht. Prof. Dr. Johannes G. Liese
 

Tatsächlich, so Liese, ist die Differenz des Aufenthalts in der Notaufnahmestation eher gering: „Sie liegt bei 170 Minuten, das sind knapp 3 Stunden. Daraus nun eine Empfehlung abzuleiten Vorschulkinder mit Viren-assoziiertem Giemen generell mit Prednisolon zu behandeln – das halte ich für verfrüht“, betont Liese. Nicht zuletzt weil bei einer generellen Prednisolon-Gabe in Betracht gezogen werden müsse, dass sie eben auch systemische Nebenwirkungen haben kann.

Die geringe zeitliche Differenz thematisiert auch Dr. Joseph J. Zorc von der Perelman School of Medicine der University of Pennsylvania im begleitenden Editorial [2]. „Den klinischen Stellenwert des in der Studie beobachteten Nutzens – ein Unterschied in der Dauer des Aufenthalts von nur 170 Minuten – kann man durchaus infrage stellen“, schreibt Zorc. Allerdings erinnert er daran, dass geringe Unterschiede im Behandlungseffekt durchaus einen wichtigen Einfluss auf die klinischen Ergebnisse haben könnten, besonders bei Kortikosteroiden, die mehrere Stunden benötigen, um die beste Wirkung zu erreichen.“

Noch 2009 waren in einer Studie 687 Kinder auf Prednisolon bzw. Placebo randomisiert worden und ohne dass sich  signifikanten Vorteile durch die Kortison-Gabe gezeigt hatten. Allerdings waren in dem schon Kinder ab 10 Monaten vertreten. Die Dauer des Klinikaufenthalts lag bei 11 versus 13,9 Stunden.

In der Post-hoc-Überlegenheitsanalyse der 605 Patienten Fosters betrug das Verhältnis des Mittelwerts für die Verweildauer 0,79 (95%-Konfidenzintervall: 0,64-0,97; p = 0,0227) für die Prednisolon- gegenüber der Placebo-Gruppe. In der Arbeit von 2009 hatte das Verhältnis bei 0,90 gelegen.

Individuelles Vorgehen empfohlen

Subgruppenanalysen lieferten Hinweise, dass vor allem die kleinen Patienten profitierten, die schwerer erkrankt waren: „Der größte Effekt zeigte sich dabei bei Patienten mit schwerem Giemen, bei Patienten, die zuvor schon Salbutamol erhalten hatten oder die eine vorhergehende Geschichte mit Asthma aufweisen“, so Foster und Kollegen.

 
Wir schauen uns jedes Kind an – bei ausgeprägter Obstruktion und einer Vorgeschichte mit rezidivierender Bronchitis bekommt es Prednisolon, denn diese Kinder haben davon auch einen Benefit. Prof. Dr. Johannes G. Liese
 

Während der Studie und der Nachbeobachtungszeit wurden keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse gemeldet. Ein Kind in der Placebo-Gruppe hatte einen unspezifischen makulopapulösen Ausschlag, der sich spontan auflöste. 2 Kinder (eines aus jeder Gruppe) wurden bei der Nachuntersuchung als hyperaktiv eingestuft.

„Wir halten fest, dass orales Prednisolon einen deutlichen Vorteil gegenüber Placebo zeigt und die Verweildauer von Kindern reduziert, die sich in einer pädiatrischen Notaufnahme mit Viren-assoziiertem Giemen vorstellen“, bilanzieren die Autoren.

Liese gibt allerdings zu bedenken, dass es wichtig wäre zu wissen, ob sich eine generelle Gabe von Prednisolon auf den weiteren Krankheitsverlauf und mögliche Komplikationen langfristig auswirkt. Führt es beispielsweise dazu, dass die Kinder einen Tag weniger in der Klinik verbringen müssen? Doch das ist offensichtlich nicht genau untersucht worden. Die Studienergebnisse, bestätigt Liese: „haben deshalb derzeit keine Auswirkungen auf unsere Therapie bei Kindern “.

Gerade in Anbetracht möglicher systemischer Nebenwirkungen rät Liese zu einem individuellen Vorgehen. Zumal die Leitlinien bei Kindern mit rezidivierenden Bronchitiden die Gabe von Prednisolon ohnehin empfehlen: „Wir schauen uns jedes Kind an – bei ausgeprägter Obstruktion und einer Vorgeschichte mit rezidivierender Bronchitis bekommt es Prednisolon, denn diese Kinder haben davon auch einen Benefit.“

 

REFERENZEN:

1. Foster SJ, et al: Lancet Respir Med (online) 15. Januar 2018

2. Zorc JJ: Lancet Respir Med (online) 15. Januar 2017

 

Kommentar

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