Für Patienten mit Vorhofflimmern, die zusätzlich eine Herzinsuffizienz haben, ist die Katheterablation offenbar die Methode der Wahl: Im Vergleich zur medikamentösen Therapie werden die Sterberate und die Zahl der Klinikaufenthalte damit nahezu halbiert [1].
Dieses Ergebnis der Studie CASTLE-AF ist so überzeugend, dass der Titel des zugehörigen Kommentars sogar einen Paradigmenwechsel in der Behandlung ankündigt. „Es scheint sinnvoll, jenen Patienten mit Vorhofflimmern, die gleichzeitig eine Herzinsuffizienz haben, dringend eine Katheterablation anzubieten“, so die praktische Konsequenz, die der Verfasser Prof. Dr. Mark S. Link von der Universität in Dallas aus den Erkenntnissen ableitet [2].
Wie Link erläutert, kommt die Kombination der beiden Störungen nicht gerade selten vor: Bei fast 50% der Patienten, die mit beginnender Herzinsuffizienz den Arzt aufsuchen, wird auch Vorhofflimmern (Atrial Fibrillation, AF) diagnostiziert, und umgekehrt leidet rund ein Drittel der AF-Patienten zugleich an Herzinsuffizienz – wobei sich kaum ergründen lässt, was Ursache, was Wirkung ist.
Bisher sei der Effekt der Ablation auf die klar definierten Kriterien Tod und Klinikaufenthalt nicht in großen randomisierten kontrollierten Studien untersucht worden, so dass auch in Leitlinien ein eindeutiger Konsens zur optimalen Behandlung fehle, schildern Prof. Dr. Nassir F. Marrouche von der Universität in Salt Lake City und seine Kollegen die Ausgangslage von CASTLE-AF.
Alles eine Frage des Rhythmus?
„Die Ergebnisse von CASTLE-AF werden ein Umdenken in der Behandlung von Patienten mit Vorhofflimmern plus Herzinsuffizienz in die Wege leiten“, prognostiziert auch Prof. Dr. Dietrich Andresen im Gespräch mit Medscape. Der Kardiologe vom Ärzteteam Herzmedizin Berlin am Evangelischen Krankenhaus Hubertus ist einer der maßgeblichen deutschen Mitarbeiter der Studie gewesen.
Die Katheterablation könnte seiner Einschätzung nach zur Standardtherapie bei der Kombination dieser beiden Herzerkrankungen werden. Wie er erläutert, brauchen gerade diese Patienten Hilfe: „Sie leiden wirklich Not, weil sie viel stärker krank sind als Patienten, die ,nur‘ – in Anführungszeichen – Vorhofflimmern haben und bei denen diese Störung manchmal ,nur‘ eine Einbuße an Lebensqualität bedeutet.“
Dank CASTLE-AF sei der Gewinn einer Ablation nun recht genau vorhersagbar. In anderen Studien habe es oft Brüche gegeben in dem Sinn, dass Mortalitäts- und Hospitalisierungsrate nicht in die gleiche Richtung wiesen. In CASTLE-AF jedoch sei überzeugend belegt, dass die Ablation beide Endpunkte entscheidend senkt. „Ein Erfolg ohne Wenn und Aber“, nennt es Andresen.
Als ausschlaggebend für die Besserung sieht er das Herbeiführen des Sinusrhythmus. Insofern hält er es auch für möglich, dass die Zahl der Todesfälle und Klinikaufenthalte weiter verringert wird, wenn ein noch größerer Anteil der Patienten diesen normo-frequenten, regelmäßigen Herzschlag erreicht, was durch eine – wenn nötig – zweite oder sogar dritte Ablation gelingen könnte. Ein Grund, warum Medikamente vergleichsweise so schlecht abschneiden, sieht er dementsprechend darin, dass sie den erwünschten Rhythmus seltener zustande bringen.
Und last not least hebt der Kardiologe die genügend lange Dauer von CASTLE-AF hervor: Das habe gezeigt, dass man eine Studie nicht voreilig abbrechen sollte, denn wichtige Resultate stellten sich oft erst nach Jahren ein.Die Patienten trugen implantierte Telemetrie-Geräte
In ihre multizentrische Studie – mit breiter deutscher Beteiligung – aufgenommen haben die Kardiologen ausschließlich Patienten, die folgende Vorgaben erfüllten:
Herzinsuffizienz im New York Heart Association (NYHA)-Stadium 2, 3 oder 4;
paroxysmales oder persistierendes Vorhofflimmern;
Antiarrhythmika sind wenig effektiv oder haben inakzeptable Nebenwirkungen;
eine linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) von maximal 35%;
Implantation eines Kardioverter-Defibrillators (ICD) oder eines Geräts zur kardialen Resynchronisation in Kombination mit einem Defibrillator (CRT-D), jeweils mit Aufzeichnungsfunktion und Datentransfer zur telemedizinischen Betreuung.
Randomisiert wurden für die Kontrollgruppe 184 Patienten ausgewählt, die Medikamente zur Puls- oder Rhythmuskontrolle einnahmen, und 179 Teilnehmer für die Ablation. Das Ziel der Ablation war es, den Ursprungsort der Störimpulse in den Pulmonalvenen vom Herzvorhof elektrisch zu isolieren und so das Vorhofflimmern zu beseitigen.
Die Sterberate war mit Antiarrhythmika nahezu doppelt so hoch
Bei den Untersuchungen nach median 38 Monaten war ein ungünstiges Outcome (jeweils gerundet) in der Medikamentengruppe fast doppelt so häufig wie in der Gruppe mit Ablation. Das galt besonders für den primären Endpunkt, die Kombination von Tod und Klinikaufenthalten wegen Verschlechterung der Herzinsuffizienz: Diese Ereignisse trafen 82 Patienten mit Antiarrhythmika, aber nur 51 mit Ablation (45% versus 29%).
Ähnliche Unterschiede zeigten sich für die Einzelparameter: Es starben 46 versus 24 Patienten insgesamt (25 vs 13.4%) und aus kardiovaskulärer Ursache 41 versus 20 (22 vs 11%). Klinikaufnahmen wegen Komplikationen der Herzinsuffizienz waren bei 66 versus 37 Patienten nötig (21 vs 36%).
Auch in den physiologischen Messwerten nach 60 Monaten spiegelte sich der Erfolg der Ablation wider: Mit dieser Methode nahm die LVEF seit Studienbeginn im Median um absolut 8% zu, während sie mit Medikamenten praktisch unverändert blieb. Zudem waren 63% der Teilnehmer mit Ablation im Sinusrhythmus, aber nur 22% der Kontrollpatienten.
Allerdings brachte der Eingriff auch Komplikationen mit sich, z.B. bei 3 Patienten einen Perikarderguss, bei einem Patienten so ausgeprägt, dass die Flüssigkeit punktiert werden musste. Bei 3 Patienten traten schwere Blutungen auf, die Transfusionen erforderten, davon 2 an der Punktionsstelle in der Leiste, und ein Pseudoaneurysma trat auf. Bei einem Teilnehmer wurde eine asymptomatische Stenose der Pulmonalvene diagnostiziert.
Ablation hält das Herz länger im Sinusrhythmus
Wie die Autoren erläutern, war in früheren Studien Skepsis aufgekommen, ob die Erhaltung des normalen Sinusrhythmus überhaupt von Nutzen ist. Allerdings bezog sich das auf die Behandlung mit Antiarrhythmika: Sie verringerten zwar das Vorhofflimmern, nicht aber die Mortalität.
Offenbar gilt anderes, wenn der Sinusrhythmus per Ablation aufrechterhalten wird, wie CASTLE-AF nun belegt: Die wesentlich bessere Prognose ging mit einer deutlich verkürzten Zeitdauer des Vorhofflimmerns einher, nämlich auf rund 25% im Vergleich zu 60% mit Medikation. Also bedeute es schon einen Gewinn, die Störung zu reduzieren, eine komplette Unterdrückung sei gar nicht erforderlich, vermuten die Kardiologen.
Die Schlussfolgerung, dass sich eine längere Zeit im Sinusrhythmus positiv auswirke, erscheine logisch, bestätigt Link in seinem Kommentar und zählt mehrere Erklärungen auf, welche Mechanismen dabei in Frage kommen: Die Herzrate normalisiert sich, die Kontraktionen werden regelmäßiger und die Vorhöfe besser entleert, was in der Summe die Auswurfleistung erhöht.
Das autonome Nervensystem wird ebenfalls günstig beeinflusst
Weiterhin könnte die Ablation das autonome Nervensystem günstig beeinflussen, so dass sie auch über die Besserung des Vorhofflimmerns hinaus Vorteile bringe. Und nicht zuletzt könne das Verfahren eine weitere Folge der Störung, die punktförmigen Vorhoffibrosen, auflösen. Und schließlich lasse sich die Zunahme der LVEF als Hinweis interpretieren, dass die Ablation eine Rückbildung des Remodeling einleite.
Als die Stärken der Studie zählt Link auf:
Die große Zahl der Teilnehmer verleiht den Resultaten eine hohe Aussagekraft.
Die kombinierte Rate von Todesfällen und Klinikaufenthalten wegen Herzinsuffizienz als primärer Endpunkt zeichnet sich durch Objektivität und klinische Relevanz aus.
6-Minuten-Gehstrecke und LVEF als sekundäre Endpunkte erlaubten eine gute Beurteilung des Ansprechens.
Die kontinuierliche Aufzeichnung der Herzfunktion per Home-Monitoring hat die Sicherheit der Patienten erhöht und wertwolle Zusatzdaten geliefert.
Die Beobachtungszeit von bis zu 60 Monaten machte es möglich, die langfristigen Folgen zu ermitteln, zum Beispiel verringerte sich die Sterblichkeit erst nach 3 Jahren.
Durch Aufnahme von Patienten mit paroxysmalem und persistierendem AF ließ sich feststellen, dass die Ablation bei beiden Formen nützt.
REFERENZEN:
1. Marrouche NF, et al: NEJ M 2018; 378:417-427
2. Link MS: NEJM 2018; 378:468-469
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Paradigmenwechsel? Bei Vorhofflimmern plus Herzinsuffizienz ist die Katheterablation Antiarrhythmika klar überlegen - Medscape - 8. Feb 2018.
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