Die gute Nachricht: Bei vielen Krebsentitäten hat sich das 5-Jahres-Überleben seit der Jahrtausendwende weiter verbessert. Die schlechte Nachricht: Es gibt dabei große regionale Unterschiede, und vor allem in Ländern „mit niedrigem Einkommen“ ist von den Fortschritten noch nicht viel zu spüren. Dieses Resümee der kürzlich im Lancet veröffentlichten CONCORD-3-Studie zieht das Journal in einer Pressemitteilung [1].
Die Studie hat eine riesige Basis: Sie umfasst Daten von Patienten aus 322 Krebsregistern in weltweit 71 Ländern und Regionen. Aus Deutschland flossen nur einige regionale Daten ein. Die Autoren glichen die Informationen aus den Krebsregistern mit den jeweiligen Sterberegistern ab und ermittelten so das 5-Jahres-Überleben von 37,5 Millionen Patienten mit Erstdiagnose in den Jahren 2000 bis 2014. Sie erfassten sowohl Erwachsene (15 bis 99 Jahre) als auch Kinder (0 bis 14 Jahre) mit 18 häufigen onkologischen Erkrankungen.
Die Krebssterblichkeit ließ sich allerdings nicht überall verlässlich feststellen: Teils war den Forschern der Zugang zu den Sterberegistern verwehrt, teils – vor allem in afrikanischen Ländern – waren die Krebsregister selbst sehr lückenhaft.
Die Autoren fordern deshalb Verbesserungen. „Die kontinuierliche Beobachtung der globalen Trends hinsichtlich des Überlebens bei Krebserkrankungen ist entscheidend, um die Effektivität der Gesundheitssysteme zu überprüfen und den politischen Entscheidungsträgern bei einer besseren Planung der Krebsbekämpfung zu helfen“, betont Erstautorin Dr. Claudia Allemani von der Cancer Survival Group, London School of Hygiene & Tropical Medicine, in der Mitteilung.
Große Unterschiede selbst innerhalb Europas
„Konsistent hoch“ ist das 5-Jahres-Überleben nur „in einer Handvoll Länder“, darunter den USA und Kanada, Australien, Neuseeland sowie den skandinavischen Staaten Norwegen, Schweden, Finnland und Island.
So überlebten z.B. 9 von 10 US-Amerikanerinnen, bei denen in den Jahren 2010 bis 2014 erstmals ein Mammakarzinom diagnostiziert worden ist. In einer Gruppe von 16 hoch entwickelten europäischen Ländern lebten nach 5 Jahren noch 85% der Patientinnen, so auch in Deutschland (86%); in Russland dagegen nur 71% und in Indien nur 66%. Jede dritte indische Frau mit Brustkrebsdiagnose starb demnach in den ersten 5 Jahren.
Großbritannien und Dänemark als gute Beispiele
Die Wissenschaftler stellen exemplarisch die Entwicklung in einzelnen Ländern vor. Deutliche Verbesserungen gab es etwa in Großbritannien, wo das 5-Jahres-Überleben von 80% auf 86% (bei Brustkrebs), von 82% auf 89% (beim Prostatakarzinom), von 55% auf 63% (beim Rektumkarzinom) und von 52% auf 60% (beim Kolonkarzinom) gestiegen ist.
Nach Ansicht der Autoren ist dies Konsequenz eines besseren Krankheitsmanagements. Das gilt aber nicht für alle Krebsentitäten: Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) oder Erwachsene mit Hirntumoren z.B. hatten in Großbritannien eine weniger gute Prognose als in ähnlichen Ländern.
Dänemark findet inzwischen Anschluss an die Erfolge der anderen skandinavischen Länder: Überlebten Anfang des neuen Jahrtausends noch nur 64% der dänischen Männer mit Prostatakrebs die ersten 60 Monate, so waren es zum Ende des Beobachtungszeitraums schon 86%.
Bei Personen mit Rektumkarzinom stieg das 5-Jahres-Überleben von 53 auf 65%. Und selbst bei Krebserkrankungen mit allgemein schlechter Prognose stieg in Dänemark die Überlebensrate: von 10 auf 17% bei Lungenkrebs und von 8 auf 14% beim Ösophagus-Karzinom. Die Autoren loben „die besseren Investitionen, beschleunigten Patienten-Pfade und das öffentliche Monitoring der Klinikwartezeiten“.
Deutschland meist im „guten Mittelfeld“
Die Raten für das 5-Jahres-Überleben deutscher Krebspatienten sind hoch, aber in der Regel nicht im Spitzenbereich, obwohl in den letzten Jahren bei vielen Entitäten Verbesserungen beobachtet wurden.
So gehört Deutschland nicht zu den 3 Staaten, bei denen fast alle Patienten mit Prostatakrebs nach 5 Jahren noch am Leben sind, wohl aber zu den 22 Staaten, in denen die Überlebensrate mehr als 90% beträgt (genauer: 91,6%). Auch ein malignes Melanom überleben in Deutschland mehr als 90% der Patienten mindestens 5 Jahre lang, dies ist nur in 10 weiteren Ländern der Fall. Bei den myeloischen Leukämien (Erwachsene) liegt Deutschland zusammen mit 3 weiteren Ländern vorn; 55% bis 60% der Patienten leben hier noch 5 Jahre nach der Erstdiagnose.
Patienten mit einem Kolonkarzinom haben in Südkorea, Israel und Australien die beste Prognose mit mehr als 70% Überlebenswahrscheinlichkeit in 5 Jahren. Deutschland (64,8%) gehört hier zu einer Gruppe von 25 Ländern, in denen die Rate bei 60% bis 69% liegt. In weiteren 22 Ländern sterben in den ersten 5 Jahren mehr als die Hälfte der Personen mit Kolonkarzinom. Ganz ähnlich sind die Zahlen beim Rektumkarzinom (Deutschland: 62,3%). Bei beiden Erkrankungen konnten in Deutschland in den letzten 20 Jahren Verbesserungen um mehr als 10% (absolut) erzielt werden.
Die tödlichsten Krebsarten
Wenig überraschend, gehören Lungen- und Leberkrebs weiterhin zu den malignen Erkrankungen mit besonders geringer Überlebenschance. Aber auch hier wurden leichte Erfolge verzeichnet, vorwiegend in den Industriestaaten. So stieg der Anteil der Patienten, die 5 Jahre nach einer Leberkrebsdiagnose noch am Leben waren in Portugal von 8 auf 19%, in Schweden von 5 auf 17% und in Norwegen von 6 auf 19%. Wie in den meisten anderen Ländern, liegt die Rate auch in Deutschland (13%) zwischen 10% und 19%.
In 21 Ländern wurde von 1995 bis 2014 ein Anstieg der 5-Jahres-Überlebensrate um mindestens 5 bis 10% (absolut) bei Lungenkrebs beobachtet, etwa in Großbritannien (von 7% auf 13%), China (von 8% auf 20%) und Japan (von 23% auf 33%!). In Deutschland liegt der Anteil der Überlebenden bei 18,3%.
Weiterhin schlechte Aussichten haben dagegen Patienten mit Pankreaskarzinom. Dieses war „selbst 2014 noch in allen Ländern hochgradig letal mit 5-Jahres-Überlebensraten, die in der Regel unter 15% lagen“, so die Autoren. Das ist auch in Deutschland (mit 10,7%) nicht anders.
„Es müssen noch größere Anstrengungen unternommen werden, um die Risikofaktoren für diese rasch tödliche Krebserkrankung zu verstehen und ihre Prävention, ihre frühe Diagnose und Therapie zu verbessern“, fordert Co-Autor Prof. Dr. Michel Coleman, der am gleichen Institut wie Allemani tätig ist.
In Südostasien geringere Sterblichkeit bei Magenkrebs
„In Teilen Südostasiens sind die 5-Jahres-Überlebensraten bei Patienten mit Magenkarzinom mehr als doppelt so hoch wie in den meisten anderen Ländern“, beschreiben die Forscher ein weiteres interessantes Phänomen. So stieg der Anteil der überlebenden Patienten in Südkorea von 49% auf 69% und in Japan von 51% auf 60%. Damit war er deutlich höher als in den USA (33%) oder Großbritannien (21%).
Dies könnte ein Langzeiterfolg der Endoskopie-Vorsorgeprogramme in einigen südostasiatischen Ländern sein, vermuten die Autoren. Sie schlagen vor: „Solche Programme sollten auch in anderen Ländern implementiert werden, etwa in Russland, wo Magenkrebs ein großes Problem ist.“
Jedoch führt in Südostasien Hautkrebs häufiger zum Tode als in anderen Regionen: Das hochgradig letale akrolentiginöse Melanom kommt hier häufiger vor und außerdem genießt die Hautkrebsvorsorge nur eine geringe öffentliche Aufmerksamkeit.
Im Fokus: Kindliche Hirntumoren und Leukämien
Coleman machte auf die großen Unterschiede im 5-Jahres-Überleben bei Kindern mit Hirntumor aufmerksam. „Die Zahlen reichen von weniger als 40 Prozent in Brasilien und Mexiko bis zu etwa 80 Prozent in Schweden, Dänemark und der Slowakei.“
Auch bei der häufigsten Krebserkrankung im Kindesalter, der akuten lymphatischen Leukämie, finden sich sehr große länderspezifische Differenzen: In China, Mexiko und Ecuador überstehen nur etwa 60%, in 9 europäischen Ländern (einschließlich Deutschland mit 91,1%) sowie den USA und Kanada dagegen gut 90% der Kinder die ersten 5 Jahre.
„Insgesamt sterben trotz aller Anstrengungen noch immer Jahr für Jahr weltweit mehr als 100.000 Kinder an einer Krebserkrankung“, so Coleman.
Mehr Unterstützung für Krebsregister gefordert
Ähnlich wie Erstautorin Allemani fordert in einem Kommentar auch Prof. Dr. Richard Sullivan, King’s Health Partners Comprehensive Cancer Center, London, viel mehr Hilfe für die Krebsregister und deren bessere Vernetzung mit den Sterbedaten: „Obwohl wir uns seit mehr als 20 Jahren für die […] Förderung der Krebsregister einsetzen, […] sind sowohl die regionale als auch die globale Unterstützung bisher enttäuschend gering ausgefallen“, bemängelt er.
Die Regierungen sollten „gewahr werden, dass bevölkerungsweite Krebsregister wichtige Werkzeuge sind, um den Erfolg von Präventionsprogrammen und die Effektivität der Gesundheitssysteme […] besser zu überwachen und zu evaluieren.“
REFERENZEN:
1. Lancet: Pressemitteilung, 31. Januar 2018
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Weltweite Auswertung: Welche Länder bieten die besten Überlebenschancen bei Krebs? Deutschland oft nur Mittelfeld - Medscape - 6. Feb 2018.
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